1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Saakaschwili marschiert nach Kiew

9. September 2017

Der ukrainische Staatsfeind Nr. 1 will die Politik aufmischen: Michael Saakaschwili, ehemaliger georgischer Präsident und Ex-Gouverneur von Odessa plant für Sonntag eine spektakuläre Rückkehr nach Kiew.

Michail Saakaschwili
Bild: Picture-Alliance/dpa/EPA/T. Zenkovich

Wenn politische Nervosität eine objektive Maßeinheit hätte, dann würden die entsprechenden Messinstrumente in diesen Tagen in Kiew kräftig ausschlagen. Von der polnischen Hauptstadt Warschau aus bereitet Michail Saakaschwili seine Rückkehr in die Ukraine vor. Saakaschwili, der Mann ohne Pass, der politische Intimfeind von Präsident Poroschenko, will am Sonntag (10.09.2017) um 12 Uhr Ortszeit am Grenzübergang Krakowez die Grenze überschreiten. "Ich werde bis zum Ende gehen, bis zum Sieg. Aber nicht zu meinem eigenen Sieg, sondern zum Sieg des Volkes über die Oligarchie", gibt sich Saakaschwili in einem Fernsehinterview kämpferisch - und nennt zugleich politische Ziele für seine Rückkehr. 

Doch die ukrainische Regierung will unbedingt verhindern, dass Saakaschwili wieder ukrainischen Boden betritt. Der Grenzübergang, etwa ein Autostunde westlich von Lwiw (Lemberg), ist vom Grenzdienst mit zusätzlichem Wachpersonal verstärkt worden, nach Angaben des Grenzdienst-Offiziers Oleh Slobodjan wurden sogar "Reserven" mobilisiert - so soll offenbar auch die grüne Grenze gesichert werden. Lokale Medien berichten, dass nagelneuer Stacheldraht ausgerollt wurde, um Nebenwege im Grenzbereich abzuriegeln. Als ob die Ukraine eine Invasion - diesmal aus dem Westen - erwarte; als ob es gelte, einen Staatsfeind fern zu halten.

Saakaschwili präsentierte sich auch im ukrainischen Odessa als Macher und Kämpfer gegen die KorruptionBild: DW/D. Florin

Politischer Werdegang mit Abstürzen

Saakaschwili gilt als schillernde politische Figur. Er ist wohl das einzige staatenlose ehemalige Staatsoberhaupt, das gleich zwei Staatsbürgerschaften verloren hat. Sein Werdegang ist gezeichnet von Höhenflügen und jähen Abstürzen. 2003 wurde er mit 36 Jahren Präsident der Republik Georgien. Saakaschwili reformierte das Land im Südkaukasus im Eiltempo, er verwandelte den  Nachfolgestaat der Sowjetunion in eine Art neoliberales Musterländle. Doch dann regierte er zunehmend autoritär, verstrickte sich 2008 in einen Krieg mit Russland, in dessen Folge die abtrünnigen georgischen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien von russischem Militär besetzt wurden.    

Erst verlor Saakaschwili 2013 die Macht in Tiflis, zwei Jahre später wurde ihm auch die Staatsbürgerschaft seines Heimatlandes entzogen. Im Mai 2015 holte ihn der ukrainische Präsident Poroschenko als Gouverneur ins südukrainische Odessa, in eine Stadt, die berüchtigt ist für Korruption und Kriminalität. Saakaschwili wurde im Eilverfahren eingebürgert, er sollte in Odessa aufräumen - und scheiterte. Anfang dieses Jahres tauchte er dann in Kiew auf, gründete eine liberale Kleinpartei, die "Bewegung der Neuen Kräfte", und zeigte unverhohlen weitgreifende politische Ambitionen.

Da waren sie noch Freunde - Ukraines Präsident Poroschenko ernennt 2015 den in Georgien wegen Amtsmissbrauchs Gesuchten zum GouverneurBild: Reuters/Mykola Lazarenko/Ukrainian presidential press service

Ausbürgerung an den Haaren herbeigezogen

Ende Juli, Saakaschwili war gerade in den USA, dem Land, in dem er Jura studiert hatte, entzog ihm die ukrainische Regierung überraschend die Staatsbürgerschaft. Die Begründung gilt selbst seinen Gegnern als fadenscheinig: Angeblich hatte Saakaschwili bei seiner Einbürgerung in die Ukraine verschwiegen, dass gegen ihn in Georgien ermittelt werde. Das aber stand damals in allen Zeitungen.

Saakaschwili kündigte an, er wolle um seinen ukrainischen Pass kämpfen und in die Ukraine zurückkehren. Seitdem macht sich eine gewisse Nervosität im Kiewer Regierungsviertel breit. 

Denn Saakaschwili, dem viele ein egomanisches Auftreten nachsagen, findet offenkundig viel mehr Unterstützer in der ukrainischen Politik, als erwartet worden war. Julia Timoschenko, ebenfalls bekannt als schillernde Politikerin, Ex-Ministerpräsidentin, dann prominente politische  Gefangene und jetzt als populistische Oppositionspolitikerin unterwegs, sprach von einer "dreckigen  Politik" gegenüber Saakaschwili. Die Ausbürgerung, veranlasst von Präsident Poroschenko, "bringt die Ukraine in den Augen der ganzen Welt in Verruf". Doch Timoschenko lässt es nicht bei anklagenden  Worten.

Ein Anti-Korruptionsforum in Kiew im Dezember 2015 - damals waren die Hoffnungen in Saakaschwili großBild: L. Gryshko

Showdown im Grenzgebiet

Sie will am Sonntag mit einer Gruppe von rund 30 Abgeordneten des ukrainischen Parlaments, der Rada, nach Krakowez fahren, um Saakaschwili dort in Empfang zu nehmen. Die Unterstützer des Ex-Gouverneurs kommen aus unterschiedlichen politischen Parteien. Der populäre Bürgermeister von Lwiw (Lemberg) und Vorsitzende der Partei "Samopomitsch", Andrij Sadowyj, hat Saakaschwili ebenfalls seine Unterstützung zugesagt. Doch es gibt auch heftige Gegenreaktionen: Der Rechtspopulist Oleh Ljaschko ruft offen zur Gewalt gegen Saakaschwili auf, falls der es wage, die "heilige" ukrainische Grenze zu überschreiten.

In Kiew rätseln die Beobachter nun, ob Saakaschwili überhaupt über die Grenze kommt. Oder wird er zurückgewiesen? Und wenn er es doch in die Ukraine schaffen sollte: Wird er festgenommen und an Georgien ausgeliefert werden? In Georgien soll sich der Ex-Präsident wegen Amtsmissbrauchs vor einem Gericht verantworten. Ein Auslieferungsersuchen aus Tbilisi (Tiflis) liegt bereits in Kiew, das Justizministerium prüft. Oder schafft es Saakaschwili mit Hilfe seiner Unterstützer, der Verhaftung zu entgehen?

"Die Menschen wollen mir helfen, weil auch ich ihnen helfen will. Ich hoffe sehr auf die Ukrainer. Zusammen werden wir die Mafia besiegen", sagt Saakaschwili vor dem Showdown am polnisch-ukrainischen Grenzübergang. 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen