Das deutsche Micky-Maus-Heft feiert seinen 70. Geburtstag! Der Start war mehr als holprig - wie gelangte das Heft in der Folge zu seiner heutigen Popularität?
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Comics auf dem Erfolgskurs
70 Jahre Micky-Maus-Heft in Deutschland! Zunächst sah es hierzulande für Comics düster aus, sie galten lange als Schund. Mittlerweile hat sich viel getan - auch international.
Bild: Egmont Ehapa Media/Disney
Micky Maus, Goofy und Co. kommen nach Deutschland
Anfang 1950 hält man Comics in Deutschland noch für "Teufelszeug". Trotzdem erscheint am 29. August 1951 das erste Micky-Maus-Heft in deutscher Sprache. Der Start ist holprig: Von den rund 300.000 Exemplaren werden nicht mal die Hälfte verkauft, der Rest geht als kostenlose Werbeexemplare an Schulen oder in den Reißwolf. Heute gelten Micky Maus und Co. längst als Literaturklassiker.
Bild: Egmont Ehapa Media
Eine cholerische Ente erobert die Herzen
Dieser wütende Erpel darf in unserer Liste nicht fehlen. 1934 taucht er zuerst beim Trickfilm auf, neun Jahre später dann in den amerikanischen "Walt Disney Comics". Zeichner Carl Barks trägt entscheidend zu Donald Ducks Popularität bei: Über 20 Jahre schreibt und illustriert er Disney Comics und erschafft Donalds umfangreiche Verwandtschaft: 1947 taucht Dagobert Duck auf, 1948 Gustav Gans.
Bild: imago/United Archives
Der Urvater des Comics
Für viele Experten gilt Wilhelm Busch als Urvater des Comics. Der Künstler aus der deutschen Provinz inspiriert die ersten modernen Comiczeichner in New York und beeinflusst später sogar Walt Disney. Seine "Helden", die er ab den 1860er Jahren erschafft, sind gemeine Tierquäler, versoffene Pfarrer, scheinheilige Betschwestern und zwei ungezogene Kinder: Max und Moritz.
Pioniere des Comics
Mittlerweile sind dem Comic ganze Ausstellungen gewidmet, so etwa die Schau "Pioniere des Comics" in der Frankfurter Schirn im Jahr 2016. Auf diesem Bild sieht man einen Ausschnitt von "Polly and Her Pals" von Cliff Sterrett. Sterrett und seine Kollegen gelten heute als Pioniere: Sie erheben den Comic zur eigenen Kunstform und nehmen Entwicklungen wie den Surrealismus und Expressionismus vorweg.
Bild: Schirn Kunsthalle Frankfurt
Unbekannte Seherfahrungen
Der Comic verdankt seinen Aufstieg den Zeitungen: Sinkende Papierpreise und leistungsstärkere Druckmaschinen machen sie Anfang des 20. Jahrhunderts für ein großes Publikum erschwinglich. Im hart umkämpften Zeitungsmarkt spielten Comics eine wichtige Rolle: Der Erfolg einer Zeitung entscheidet sich mitunter an der Popularität ihrer Comicstrips - sozusagen das erste Bildmassenmedium der Geschichte.
Bild: Privatsammlung/Schirn Kunsthalle Frankfurt
Ein Superheld wird geboren
1933 - mit gerade mal 14 Jahren - entwickeln Jerry Siegel und Joe Shuster die Figur Superman und taufen ihn Kal-El, hebräisch für "Gott ist in allem". Erst fünf Jahre später finden sie für ihren Helden einen Verlag: DC Comics veröffentlicht 1938 das erste Heft in der Reihe "Action Comics". In den USA wird 2014 eine Erstausgabe für 3,2 Millionen Dollar (ca. 2,4 Millionen Euro) versteigert.
Bild: picture-alliance/dpa
Superhelden-Boom
Superman bleibt nicht lange allein: Bald bekämpfen Batman, Captain America, Wonderwoman, The Flash und unzählige andere Superhelden Superschurken aller Art - unter anderem auch Adolf Hitler - während des Zweiten Weltkrieges sollen Superman & Co ganz bewusst die Moral der amerikanischen Truppen stärken.
Bild: Getty Images/Hulton Archives
Superhelden werden zu Leinwandhelden
Mit Ende des Krieges verschwinden viele der Superhelden - nur die Dauerbrenner können sich ihren "Job" sichern und schlagen sich fortan mit außerirdischen Bedrohungen und Verbrechergenies wie dem "Joker" rum. Einen erneuten Boom erleben Superman & Co durch diverse Verfilmungen, etwa mit "Deadpool", einer Figur aus dem Marvel-Verlag.
Bild: picture-alliance/dpa/Foto: Twentieth Century Fox
"Die spinnen, die Römer"
Auch Europa hat viele herausragende Comics vorzuweisen. Asterix und Obelix der französischen Künstler René Goscinny und Albert Uderzo (Foto) gehören zu den berühmtesten. Bereits 1959 erfunden, spielen die beiden Gallier die Hauptrollen in insgesamt 36 Alben. Mit "Asterix und der Greif" erscheint im Oktober 2021 der aktuellste Band - mittlerweile nicht mehr unter Federführung der Urväter.
Bild: DPA
Der rasende Reporter
Auch Tim (Tintin) hat Comicgeschichte geschrieben. Mit seinem kleinen weißen Hund reist er um die ganze Welt und erlebt haarsträubende Abenteuer. 1929 vom Belgier Hergé erfunden, sind die 24 Bände in jeder Buchhandlung zu finden. Die Serie hat sogar mehrere Anklagen überlebt - etwa wegen Rassismus: 2007 reicht ein kongolesischer Student Klage gegen die Verbreitung von Tim im Kongo (Bild) ein.
Bild: picture-alliance/dpa
Poor Lonesome Cowboy
Ein weiterer Comicstar aus Belgien ist der Cowboy Lucky Luke. Der Mann, der schneller zieht als sein Schatten, ist von Zeichner "Morris" erfunden und tritt erstmals 1946 in der Zeitschrift "Spirou" in Erscheinung. Das erste Lucky-Luke-Album erscheint 1949. Neben den Heften schreibt Morris 17 Drehbücher zu Lucky Luke, darunter die unvergessene Realverfilmung mit Terence Hill in der Hauptrolle.
Bild: picture alliance/United Archives/IFTN
Comics in neuem Gewand
Comics haben es nicht immer leicht: Mitunter gelten sie als jugendgefährdend oder verdummend. 1977 prägt Autor Will Eisner den Begriff "Graphic Novel", um den literarischen Anspruch seiner Geschichten zu unterstreichen. Ein kluger Schachzug, denn plötzlich ist das Interesse der "traditionellen" Leserschaft geweckt. Berühmt wurde Eisner allerdings mit einem "richtigen" Comic: "The Spirit" (Bild).
Bild: picture-alliance/dpa/EFE/A. Estevez
Der Siegeszug der Graphic Novel
Anders als beim Comic ist die Graphic Novel abgeschlossen und wird in Buch- und nicht in Heftform angeboten. Inhaltlich unterscheidet sie sich kaum. Mit "Maus" gelingt Art Spiegelmann 1986 der Sprung in die Bestsellerlisten, 1992 erhält er sogar den Pulitzer-Preis. Ein Novum für einen Comic. In "Maus" erzählt der Amerikaner die Geschichte seines Vaters, eines Holocaust-Überlebenden.
Bild: fischerverlage
Die deutsche Comic-Szene entwickelt sich
Anders als in Frankreich oder den USA ist man dem bildstarken Medium hierzulande lange Zeit verschlossen. Inzwischen sind auch deutsche Autoren international etabliert, etwa Reinhard Kleist. An vielversprechendem Nachwuchs fehlt es auch nicht: Nils Oskamp beschreibt in "Drei Steine" (Bild), wie er in seiner Jugend Opfer rechter Gewalt wurde. Es wird mittlerweile in vielen Schulen gelesen.
Bild: Nils Oskamp/Panini
Phänomen Manga
In ihrem Ursprungsland Japan sind Mangas schon lange wichtiger Bestandteil der Freizeitkultur. In Europa sind sie bis in die 1990er-Jahren häufig als Comics mit gewalttätigen oder sexuellen Inhalten verschrien. Erst durch TV-Serien wie "Sailor Moon" oder "Dragonball" gewinnen sie an Akzeptanz. Ende der 1990er-Jahre löst "Pokemon" in Deutschland einen regelrechten "Manga-Boom" aus.
Bild: picture-alliance/abaca
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1951 steht Deutschland ganz im Zeichen des Wiederaufbaus, doch die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs sind weiterhin noch zu spüren: Zerstörte Häuser prägen das Bild deutscher Städte, vielerorts herrscht Mangel. Unter Aufsicht der Alliierten wächst in Westdeutschland eine parlamentarische Demokratie mit CDU-Politiker Konrad Adenauer an der Spitze heran. In Ostdeutschland ebnet die Sowjetunion dem Sozialismus den Weg. Es ist der Beginn des Kalten Kriegs.
Mitten in diese politisch brisante Zeit hinein bringt der Ehapa-Verlag (heute Egmont-Verlag) das erste Micky-Maus-Heft auf den deutschen Markt: "So kurz nach dem Zweiten Weltkrieg brauchten die Kinder und Jugendlichen einfach Spaß und Ablenkung", meint Marko Andric, Chefredakteur des Magazins. "Und dazu eignen sich die tollen Geschichte von Micky, Donald und Goofy natürlich super."
Von der "Schmuddellektüre" zur eigenen Kunstform
Allerdings stößt die erste Ausgabe nicht auf viel Gegenliebe. Während die Amerikaner und die Franzosen Comics während des Krieges zur Erbauung ihrer Truppen genutzt haben, schaffen es die Bildergeschichten erst nach dem Krieg mit den Siegermächten nach Deutschland. Sie werden von der älteren Generation auch mit deren Kultur in Verbindung gebracht - und abgelehnt: Sie sollen verdummen, seien Teufelszeug oder allenfalls etwas für den leichten Intellekt, so die gängige Meinung in den frühen 1950er-Jahren. Kein Wunder also, dass das erste deutsche Micky-Maus-Magazin zum Ladenhüter wird: Von den rund 300.000 Exemplaren wird nicht einmal die Hälfte verkauft, der Rest geht als kostenlose Werbeexemplare an Schulen oder in den Reißwolf.
Doch so leicht lässt sich das Team des damals extra für das Heft gegründeten Verlags nicht unterkriegen: Schon 1954 steigern sie die Auflage auf 400.000, 1956 wird der Erscheinungsrhythmus von zwei- auf einwöchig umgestellt. Heute ist die deutschsprachige Ausgabe des Micky-Maus-Hefts das erfolgreichste Kinder-Magazin Europas: Mit bisher über 3.300 erschienenen Ausgaben und mehr als 1,3 Milliarden verkauften Heften.
Dass "Micky Maus" schließlich auch von den kritischsten Sprachwächtern akzeptiert wird, ist vor allem dem Sprachwitz und der Wortgewandtheit von Erika Fuchs, Übersetzerin und erster Chefredakteurin des Magazins, verdanken.
"Grübel", "Seufz" und "Schnief"
Bis 1988 ist die studierte Kunsthistorikerin verantwortlich für das Magazin und sorgt dafür, dass "Entenhausen" nicht einfach nur die deutsche Version von "Duckburg" wird - so hatte Disneys Comicautor Carl Barks das Zuhause von Donald und seinen Freunden getauft. Erika Fuchs schafft sogar eine neue Verbform: Der "Inflektiv", ihr zu Ehren auch "Erikativ" genannt, bezeichnet lautmalerische Kreationen wie "Krächz" oder "Seufz", die mittlerweile fest im deutschen Sprachgebrauch verankert sind. Fuchs arbeitet akribisch und übersetzt nie wortwörtlich, sondern lässt sich von der englischen Vorlage inspirieren.
Wie heißen die drei Neffen von Donald Duck?
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Mitunter streut sie klassische Zitate großer Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe ein, wenn etwa Donald Duck schwärmt: "Wie herrlich leuchtet mir die Natur". Und sie sorgt dafür, dass die Figuren im Deutschen ebenso einprägsame Namen erhalten wie im Original: Tick, Trick und Track alias Huey, Dewey und Louie oder Daniel Düsentrieb alias Gyro Gearloose kennt bald jedes Kind.
"Die 'Micky Maus' ist ein Generationen-Heft: Der Papa oder die Mama haben es gelesen und geben es dann natürlich gerne an die Tochter oder an den Sohn weiter und die geben es dann natürlich auch wieder weiter", beschreibt Marko Andric das Erfolgsrezept des Magazins. Rund 80 Prozent der Leser seien zwischen sechs und 13 Jahre alt, der Rest "ältere und treue Micky-Maus-Leser, die uns seit Jahren abonniert haben."
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Zensur in Entenhausen?
Micky Maus, Donald Duck und Co. sind somit längst eine Institution geworden. Umso befremdlicher ist es für viele Leser, als der Verlag im April dieses Jahres entscheidet, insgesamt 109 Panels eines Donald-Duck-Sammelbandes dem Zeitgeist anzupassen und sprachliche Veränderungen vorzunehmen: Die Nebenfigur "Fridolin Freudenfett" etwa heißt in den überarbeiteten Ausgaben nun "Fridolin Freundlich". In Carl Barks' Zivilisationssatire "Im Lande der Zwergindianer" von 1956 werden Worte wie "Bleichgesichter" oder "Indianer" gestrichen und stattdessen mit "Fremdlingen", "Stamm" oder "Volk" übersetzt bzw. umschrieben.
In den Medien ist daraufhin schnell die Rede von "Zensur". Fans richten eine Protestnote an den Verlag, der sich sogar Elfriede Jelinek anschließt: Ihre Unterstützung des Protests "gegen die Schändung der göttlichen Erika Fuchs" sei eine "heilige Pflicht", so die Literaturnobelpreisträgerin. In Duck-Fan-Foren wird Egmont "Etikettenschwindel" vorgeworfen: Man hätte eine kommentierte Fassung auf den Markt bringen sollen, statt den Rotstift anzusetzen.
"Die Geschichten von Barks aus den 1960er-Jahren, das war einfach eine andere Zeit", so Marko Andric. "Aber das bedeutet nicht, dass das heute auch noch so sein muss; dass wir mit Scheuklappen durch die Welt gehen." Für die Micky-Maus-Hefte seien bislang keine Nachdrucke alter Ausgaben geplant, weder im Original noch in abgeänderter Form, aber Andric begrüßt den Schritt des Verlags im Hinblick auf die Duck-Sammelbände: "Die Geschichten in Entenhausen waren immer am Puls der Zeit und haben sich inhaltlich und sprachlich weiterentwickelt", meint der Chefredakteur. Warum also nicht ältere Fassungen dem Zeitgeist anpassen? "Im Vordergrund der Comics steht weiterhin der Spaß. Ohne irgendwelche Beschränkungen. Aber eben Spaß für alle und nicht auf Kosten von anderen", schließt Andric ab.
Erfolgsgeschichte in 29 Ländern und 27 Sprachen
Der norwegische Comic-Künstler
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Das Micky-Maus-Heft genießt dabei einen großen Vorteil: Es erscheint alle zwei Wochen neu und versammelt die schönsten und aktuellsten Geschichten aus Entenhausen. So telefoniert Donald beispielsweise mit dem "Duckfon", Daisy surft im "Entnet" und die drei Neffen schauen Videos auf DuTube.
Die populärsten weiblichen Figuren sind selbständig und emanzipiert. Minnie Maus ist eine Karrierefrau, Daisy Duck engagiert sich mal im Buchclub, mal im Tierschutzverein.
Das Erfolgsrezept der Micky Maus war und ist, dass die Macher des Magazins stets wussten, wie sie ihr Publikum erreichen - und zwar nicht nur in Deutschland, sondern insgesamt in 29 Ländern und 27 Sprachen: Sie schneiden aktuelle Themen an, entwickeln ihre Geschichten weiter und vertrauen auf die Popularität ihrer ohnehin schon modernen Figuren. Mit diesem Konzept stehen weiteren 70 Jahren Comic-Erfolgsgeschichten also nichts im Wege.