1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Microjobs mit Apps

Michael Hartlep27. August 2013

Kurz einen Döner holen oder zum Friseur gehen und dabei Geld verdienen? Neue Apps machen das möglich. Sie lassen die Nutzer Daten sammeln, die sonst nur schwer zu bekommen sind. Die analoge Welt wird so immer digitaler.

Foto aufnehmen mit dem Smartphone (Foto: dpa/)
Bild: picture-alliance/dpa

Thomas Oswald hat ein ungewöhnliches Hobby. Der 44-jährige Polizist ist Microjobber. "Ich mache Fahrradtouren durch München und erledige dabei kleine Aufträge, nehme z. B. Fotos von bestimmten Orten auf oder schaue nach, ob eine bestimmte Kneipe WLAN hat." Für jede erledigte Aufgabe erhält Oswald Punkte oder Geld. Zwischen ein und manchmal sogar dreißig Euro kann man mit einer Aufgabe verdienen. Möglich macht das die App Streetspotr.

Die Nutzer öffnen die App auf ihrem Smartphone und sehen dann auf einer Landkarte die Orte markiert, an denen sie kleine Aufgaben erledigen können. Manchmal soll die Speisekarte eines Restaurants abfotografiert werden, ein anderes Mal in einem Imbiss nachgeschaut werden, ob dort bestimmte Getränke verkauft werden. Und manchmal sollen die Treppenstufen vermessen werden, um zu überprüfen, ob Kneipen barrierefrei sind.

Über 210.000 Menschen nutzen die Streetspotr-AppBild: picture-alliance/dpa

Digitale Datensammler

"Die gesammelten Daten verkaufen wir dann an unsere Auftraggeber", erklärt Dorothea Utzt, die die Idee für die App in Deutschland umgesetzt hat. "Unsere Kunden sind zum Beispiel Branchenverzeichnisse, die die Öffnungszeiten von Läden erfassen möchten oder Navigationshersteller, die aktuelle Karten erstellen wollen." Die Unternehmen kommen also an Informationen, deren Beschaffung vorher extrem aufwendig und teuer war und deshalb oft gar nicht infrage kam.

Die App macht potenziell jeden, der ein Smartphone besitzt, zum Datensammler. Obwohl die Nutzer dafür nur sehr kleine Beträge erhalten, kommt die Idee gut an. Inzwischen nutzen über 210.000 Menschen die App und die Gemeinschaft wächst weiter. Auch andere Microjob-Apps wie Appjobber haben Zulauf. Markus Beckedahl vom Bürgerrechtsverein "Digitale Gesellschaft" wundert das nicht: "Spielerische Elemente wie das Sammeln von Reputation können motivierender sein als Geld."

Ausbeutung für den Kapitalismus 3.0?

Für Beckdahl ist das Geschäftsmodell trotzdem fragwürdig. "Es ist eine neue Form von Ausbeutung. Die Nutzer erbringen eine Dienstleistung für ein Unternehmen. Das Geld, das sie bekommen, steht in keinem Verhältnis zu der Zeit, die sie reinstecken. Ein Hungerlohn, kein Arbeitsschutz, keine Gewerkschaften - eigentlich haben wir es hier mit einem Kapitalismus 3.0 zu tun."

Dorothea Utzt von Streetspotr lässt solche Vorwürfe nicht gelten. Alles sei freiwillig. Die Nutzer seien vergleichbar mit Freiberuflern und müssten sich also selbst um Versicherung und Steuererklärung kümmern. "Es ist natürlich kein sozialversicherungspflichtiger Job, aber es ist alles rechtlich abgesichert und keine Ausbeutung", sagt Utzt. Bei einem durchschnittlichen Verdienst von fünf bis zehn Euro pro Nutzer und Monat sei der finanzielle Aspekt bestenfalls ein zusätzlicher Anreiz. "Viele Nutzer empfinden es eher als Schnitzeljagd, bei der man mit dem Fahrrad verschiedene Adressen abfährt."

Ein Foto Speisekarte bringt bei "Streetspotr" etwa zwei Euro.Bild: picture-alliance/dpa

Riesiger Datenschatz

Diese Schnitzeljagd hat das Potenzial, die Gesellschaft zu ändern. Denn die Nutzer tragen wie Ameisen Stück für Stück einen gigantischen Berg an Informationen zusammen - nicht nur bei Streetspotr. Die Speisekarten und Öffnungszeiten aller Restaurants in Deutschland? Könnte es bald verlässlich und aktuell im Internet geben. Freie Parkplätze in der Innenstadt? Vielleicht bald in Echtzeit auf dem Smartphone. Markus Beckedahl von der Digitalen Gesellschaft sieht darin eine Fortsetzung des Trends, der mit Wikipedia angefangen hat und Stück für Stück das Weltwissen nutzbar macht.

Wichtig ist für den Bürgerrechtler allerdings, dass das Wissen am Ende auch frei ist und allen zur Verfügung steht, wie bei der Wikiweltkarte Openstreetmaps. Doch die Entwicklung birgt auch Risiken. Es gibt viele gute Gründe, nicht jede Information verfügbar zu machen. Dorothea Utzt von Streetspotr ist sich dessen bewusst. Jeder Auftrag wird deshalb vorher geprüft, bevor er an die Community gestellt wird. Die Anfrage eines Detektivs, der alle Kennzeichen in einer Stadt abfotografiert haben wollte, hatte deshalb keine Chance.

Was in Auftrag gegeben wurde, wird fotografiertBild: picture-alliance/dpa

Spaß an der Schnitzeljagd

Für Thomas Oswald spielen diese Aspekte keine Rolle. Seit er die App Ende 2012 installiert hat, hat Oswald über 450 Spots besucht - manchmal vierzig am Tag. Dass er dafür nur einen niedrigen dreistelligen Betrag überwiesen bekommen hat, ist für ihn Nebensache. "Es geht nicht ums Geld verdienen, sondern es macht einfach Spaß", sagt Oswald. Die meisten Microjobs seien überhaupt nicht bezahlt. "Ich komme raus und sehe interessante Sachen. Ich habe viele Sehenswürdigkeiten in meiner Stadt gesehen, die ich vorher gar nicht kannte." Ausbeutung sei das nicht, denn alles sei freiwillig. "Es ist eine Mischung aus Hobby, Zeitvertreib und Fitness. Wer das nicht machen will, der soll es einfach lassen."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen