Microsoft gegen EU: Eine unendliche Geschichte
31. März 2006Zwei Jahren - für die Computerbranche ist das eine ganze Ewigkeit - dauert bereits die Machtprobe zwischen Microsoft und der EU-Kommission. Ein Streit, in dem mit harten Bandagen gekämpft und der öffentlich ausgetragen wird.
In einem ungewöhnlichen Schritt hat sich inzwischen auch die US-Regierung in den eskalierenden Wettbewerbsstreit eingeschaltet. Die US-Regierung habe in dem Streit keine Partei ergreifen wollen, erklärte die Brüsseler US-Vertretung. Mit dem Brief sei lediglich die Sorge von Microsoft aufgegriffen worden, die EU-Wettbewerbsentscheidungen seien weder fair noch transparent. "Wäre dies zutreffend, wären die USA substanziell besorgt."
Das Drama begann 2004: Damals verbot die Kommission die Auslieferung von Windows mit dem fest integrierten Media Player. Damit wollten die Wettbewerbshüter andere Anbieter von Abspiel-Software stärken. Zugleich verdonnerten sie Microsoft zu einer Rekordgeldstrafe von fast 500 Millionen Euro. Der Konzern zahlte, wenn auch zähneknirschend, und vermarktet sein Betriebssystem künftig ohne den Player.
Brüssel sieht Wettbewerbsverzerrungen
Damit war der Streit aber nicht vom Tisch. Denn der eigentliche "casus belli" ist Windows selbst - und da geht es für Microsoft ans Eingemachte. Das Betriebssystem läuft inzwischen fast auf jedem Rechner - ob im Büro oder im heimischen Arbeitszimmer. Mit 90 Prozent Marktanteil ist Microsoft der unangefochtene Marktführer in diesem Segment, den Quell-Code des Betriebssystems hält der Konzern geheim. Weil dies so ist, hat das Unternehmen nach Ansicht der EU-Wettbewerbshüter eine marktbeherrschende Position. Nach ihrem Willen muss Microsoft konkurrierenden Herstellern von Server-Programmen alle nötigen Informationen bereitstellen, damit diese ihre Programme mit Windows verbinden können.
Microsoft weigerte sich - schließlich forderte Brüssel den Konzern ultimativ auf, Informationen über Schnittstellen seines Betriebssystems bis zum 15. Dezember vergangenen Jahres zu veröffentlichen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, drohte die EU Microsoft ein tägliches Zwangsgeld von zwei Millionen Euro an. Sollte die Strafe tatsächlich verhängt werden, würde sie rückwirkend zum 15. Dezember 2005 wirksam. Eine stattliche Summe käme da zusammen.
Microsoft allerdings weigert sich, der Konkurrenz Tür und Tor zu öffnen. Das Unternehmen pochte zunächst auf das Recht zur Wahrung seiner Betriebsgeheimnisse. Schließlich handele es sich bei Quell-Codes um äußerst wertvolles geistiges Eigentum, argumentierte man.
EU-Kommission: Microsoft-Vorschlag "nicht nutzbar"
Beide Seiten haben sich nun festgebissen - keiner der Kontrahenten ist zum wirklichen Einlenken bereit. Der Software-Gigant bot jüngst als Kompromiss an, den gesamten Quellcode zu veröffentlichen - unter Bedingungen. Der Konzern sieht die Auflagen damit mehr als erfüllt. Gleichwohl sei man zu weiteren Zugeständnissen bereit, so Microsoft-Anwalt Brad Smith.
EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes reicht das aber nicht. "Es ist die Qualität der Informationen, die zählt", sagte ein Kommissionssprecher zu dem Microsoft-Angebot. Die Informationen, die Microsoft weiterzugeben bereit sei, seien "unvollständig, ungenau und nicht nutzbar" - so auch das Ergebnis des von beiden Seiten als Treuhänder eingesetzten Computerwissenschaftlers Neil Barrett.
Microsoft versucht nun, das Zwangsgeld mit aller Macht zu verhindern. Der Konzern wirft der Kommission Ungerechtigkeit vor. Microsoft erhalte nicht alle Unterlagen, kritisiert der Konzern. Und forderte die Anhörung. Die EU-Kommission hält das für einen PR-Trick und auch Beobachter sind der Ansicht, dass das Unternehmen eine Verzögerungstaktik verfolge, um sich für ein Gerichtsverfahren in Stellung zu bringen.
Beim Europäischen Gerichtshof ist derzeit eine Microsoft-Klage gegen die Forderung der Kommission anhängig. Verhandelt werden soll Ende April. Wie die Richter entscheiden, ist ungewiss. Sicher ist nur: Ein Ende der Geschichte ist nicht abzusehen - und der Streit geht in eine neue Runde.
Auch XP-Nachfolger Vista im Visier
Damit nicht genug, droht dem Konzern nun weiterer Ärger mit der EU wegen seines neuen Betriebssystems Vista. Denn Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes befürchtet, dass der XP-Nachfolger als Gesamtpaket angeboten werde und die Verbraucher keine Wahl bei einzelnen Programmbausteinen haben könnten. Zudem könnte Vista Suchfunktionen für das Internet enthalten, die den Nutzer zu Microsoft-Angeboten lenken und so Mitbewerben wie etwa Google schaden könnten.
Microsoft hatte die Einführung von Vista zuvor überraschend verschoben. Statt wie ursprünglich geplant in diesem Jahr, soll das Betriebssystem für den privaten Nutzer erst im Januar 2007 kommen. Man wolle noch einige Sicherheitsfunktionen verbessern, begründete Windows-Chef Jim Allehin die Verzögerung. Die könnte Microsoft bis zu 500 Millionen Dollar kosten, schätzen Analysten.