Migranten streben weiterhin in die EU
21. November 2021Trotz der Räumung von Lagern in Grenznähe in dieser Woche kommen nach polnischen Angaben weiterhin Migranten im Grenzgebiet an. Nach Angaben des polnischen Grenzschutzes versuchten größere Gruppen vergeblich, die Grenze nach Polen zu überqueren.
Am Samstag kurz vor Mitternacht hätten belarussische Sicherheitskräfte in der Nähe der Ortschaft Czeremsza rund 100 Migranten mit einem Lastwagen an die Grenze gefahren und einen Holzsteg über den Stacheldrahtverhau geworfen, teilten die Grenzer am Sonntag mit. Insgesamt registrierte der Grenzschutz 208 Versuche einer illegalen Grenzüberquerung. Da Polen keine Journalisten in das Gebiet lässt, lassen sich die Angaben nicht überprüfen.
Am Donnerstag hatte die belarussische Regierung eines der Migranten-Camps nahe der Grenze aufgelöst und damit begonnen, Menschen in den Irak zurückzufliegen. Die Europäische Union beschuldigt den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, in organisierter Form Migranten aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen, um Druck auf den Westen auszuüben. Die Menschen aus dem Irak, aus Syrien und Afghanistan sind über Touristenvisa in Belarus eingereist. Die Regierung in Minsk weist die Vorwürfe zurück.
In einer auf Englisch veröffentlichten Videobotschaft warnte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki, bei den Ereignissen handele es sich keineswegs um eine "gewöhnliche Migrationskrise", sondern um eine politische Krise, die zu einem speziellen Zweck ausgelöst worden sei. "Ihr Ziel ist die Destabilisierung Europas zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges vor 30 Jahren."
Morawiecki reist momentan durch die baltischen Staaten, um mit ihnen die kritische Situation zu besprechen. In Tallinn sagte er, Polen erwäge zudem, weitere Grenzübergänge zu Belarus zu schließen, um damit den ökonomischen Druck auf Lukaschenko zu erhöhen. Polen hatte bereits vor zwei Wochen den Grenzübergang Kuznica geschlossen.
"Wir gehen davon aus, dass der Druck auf die Grenze anhält, weil Lukaschenko sein Ziel nicht erreicht hat", erläuterte Estlands Regierungschefin Kaja Kallas. Ihre litauische Amtskollegin Ingrida Simonyte sagte nach der Begegnung mit Morawiecki, Polen trage die größte Belastung einer hybriden Attacke an der Ostgrenze der EU. Unter einem "hybriden" Angriff wird unter anderem ein Angriff mit Verschleierungstaktik verstanden - die Angreifer agieren anonym oder bestreiten ihre Verantwortung.
Derweil schlägt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Alarm. In einer Notunterkunft in Belarus droht die Ausbreitung von Krankheiten. Dort sind schätzungsweise rund 2000 Migranten untergebracht. Ein Vertreter der WHO bezeichnete die Lage nach einem Besuch als schwierig.
Nach Darstellung der belarussischen Staatsagentur Belta wurden etwa 100 Migranten in Krankenhäuser in der nahe gelegenen Stadt Grodno gebracht. Ein Patient sei mit einer durch das Coronavirus verursachten Lungenentzündung in ernstem Zustand, zitierte die russische Staatsagentur Ria Nowosti einen Vertreter der Behörden. Einige würden wegen Unterkühlung, Erkältung oder Lungenentzündung behandelt.
uh/haz (dpa, rtr, afp)