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Politik

Prozess gegen rechtsextremen Waffenhändler

Richard A. Fuchs
29. November 2018

Von Ungarn aus soll ein Rechtsextremist Waffen nach Deutschland verkauft haben. Beim Prozess gegen den mutmaßlichen Betreiber des Internet-Waffenhandels "Migrantenschreck" geht es auch um die Rolle rechter Verlage.

Screenshot Webseite Migrantenschreck.ru
Bild: migrantenschreck.ru

Hass im Netz kann Menschenleben zerstören. In Berlin steht jetzt ein Mann vor Gericht, der versucht haben soll, aus dem Hass auf Asylbewerber ein lukratives Geschäft zu machen. Um diesen Vorwurf geht es im Prozess gegen den Angeklagten Mario R. am Landgericht Berlin: Der gelernte Bankkaufmann soll von Ungarn aus über die Internetseite "Migrantenschreck" illegal Waffen an Kunden in Deutschland vertrieben haben.

Von Ungarn aus Rechtsextreme bewaffnet

Ende März war der gebürtige Thüringer auf Basis eines europäischen Haftbefehls in Ungarn festgenommen worden. Spezialkräfte hatten seine Wohnung gestürmt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 35-Jährigen vor, von Budapest aus in mindestens 193 Fällen Waffen illegal nach Deutschland verkauft zu haben, obwohl diese dort in vielen Fällen verboten waren oder nur mit Waffenschein hätten erworben werden dürfen. Käufer zahlten mehr als 100.000 Euro, die Überweisungen sollen auf ungarische Konten erfolgt sein. Eine Prüfung, ob bei den Käufern eine entsprechende Erlaubnis vorgelegen habe, soll der Angeklagte bewusst unterlassen haben, um Waffen gezielt ins rechte Milieu zu schleusen. Angeblich wollte er Deutsche gegen Flüchtlinge bewaffnen, er warb mit rassistischen Parolen.

Mario R. sitzt seit Juni in Untersuchungshaft, noch schweigt er zu den Tatvorwürfen. Seine rechte Gesinnung versteckte er allerdings kaum. Das geht bereits aus einem Blick auf die von ihm verkauften Waffenmodelle hervor, neben dem plakativen Namen "Migrantenschreck" warb er für Waffen wie "Antifaschreck". Sein Angebot: Waffen "ohne lästige bürokratische Hürden oder ärgerlichen Papierkram" erstehen zu können.

Dass der illegale Waffenhandel im Netz sich auch in der Kriminalstatistik niederschlägt, zeigt ein Blick in das "Bundeslagebild" des Bundeskriminalamts. 2017 wurden dort 38.000 Verstöße gegen das Waffengesetz in Deutschland aktenkundig. Das war ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr von zehn Prozent. Die illegale Beschaffung von Waffen im Internet und im Darknet nannten die Kriminologen einen besorgniserregender Trend. 

Fürs Hetzen von rechten Verlagen bezahlt?

Dass rechte Buchverlage bei der Finanzierung von solchen Internet-Waffenshops eine gewichtige Rolle gespielt haben könnten, legen Recherchen der öffentlich-rechtlichen Sender NDR, WDR und der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) nahe. Auf den ungarischen Konten von Mario R. soll demnach auch Geld vom rechtsextremen Kopp-Verlag und dem ebenfalls rechten "Magazin Compact" eingegangen sein. Zwischen Januar und Juli 2016 sollen vom rechten Publizisten Jürgen Elsässer und dem Compact-Magazin mehr als 70.000 Euro an den illegalen Waffenhändler überwiesen worden sein. Weshalb das Geld floss, ist bislang ungeklärt. Mario R. soll 2015 als freier Mitarbeiter für das Compact-Magazin gearbeitet haben, eine offizielle Bestätigung liegt nicht vor.

Der Kopp-Verlag soll Mario R. zwischen April 2016 und September 2017 rund 40.000 Euro überwiesen haben. Dies wurde von der Staatsanwaltschaft bestätigt. In diesem Fall sollen geschäftliche Beziehungen bestanden haben. Wenn über den Webshop von Mario R. Waffenkunden auch noch Bücher beim Kopp-Verlag bestellt hätten, "dann hat Mario R. dafür Provision erhalten", bestätigte der Verlagsleiter Kopp dem Investigativ-Team von NDR, WDR und SZ. Dadurch habe "Herr R. einen Umsatz im fünfstelligen Bereich" erzielt. Die Ermittler interessieren sich auch dafür, wohin das Geld geflossen ist, das R. einnahm. Bislang wird vermutet, dass Geld auf ein Schweizer und zwei ungarische Konten geflossen ist. Zudem soll die Bitcoin-Plattform Coingate eine Rolle gespielt haben.

Mindestens 193 Schusswaffen soll Mario R. von Ungarn aus nach Deutschland verkauft habenBild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

Erst kommt der Hass, dann die Waffen

Nicht Gegenstand dieses Gerichtsprozesses ist, welche volksverhetzenden Hass-Botschaften Mario R. im Netz verbreitet hat. Dazu gibt es ein zweites Ermittlungsverfahren, bei dem auch gegen weitere Beschuldigte ermittelt wird. Auf Deutschlands größtem Hetzportal Anonymous.Kollektiv, das inzwischen geschlossen wurde, und einem weiteren Kanal (Anonymousnews.ru) soll Mario R. sogar Administrator gewesen sein, sagt die Staatsanwaltschaft.

Welche Details bei diesen Ermittlungen noch zu Tage kommen, ist noch nicht abzusehen. Klar ist schon jetzt, dass der Fall Mario R. tiefe Einblicke in die gewaltbereite rechtsextreme Szene bringen könnte - verbunden mit der Frage: Wie konnte der offen rechtsextremistisch auftretende Waffenhandel zunächst unbehelligt seine Geschäfte treiben?

Ergänzung vom 08.12.2018: Der Kopp-Verlag hat mittlerweile der Behauptung widersprochen, er habe Provisionszahlungen an Marco R. geleistet. R. sei nur einer von 1500 Teilnehmern eines sogenannten Affiliate-Programms gewesen. Man habe ihm 2017 nach "Bekanntwerden seines bedenklichen Verhaltens" gekündigt und der Kopp-Verlag habe zu keiner Zeit Geschäfte von R., "die Gegenstand der Anklage sind, mit Zahlungen unterstützt". "Soweit Zahlungen erfolgten, beruhten diese auf den üblichen Provisionen für die Vermittlung von Buchverkäufen über dessen Internet-Blog", teilt der Kopp-Verlag mit.

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