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Migration nach Deutschland: Fachkräfte statt Asylbewerber

9. Januar 2024

Mehr Abschiebungen, schnellere Asylverfahren und Bezahlkarten - Deutschland soll für Asylbewerber ab 2024 weniger attraktiv werden. Gleichzeitig wird die Einwanderung für Fachkräfte erleichtert.

"Halt Bundespolizei" steht auf einer Kelle, die ein Mann mit gelber Weste hochhebt, um einen LKW zu stoppen
Kampf gegen Schleuser: Ein Beamter der Bundespolizei stoppt einen LKW an der deutsch-polnischen GrenzeBild: Frank Hammerschmidt/dpa/picture alliance

Rückführungsverbesserungsgesetz für mehr Abschiebungen

"Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und setzte damit den Ton für das nächste Jahr. Genau 7861 Menschen wurden laut Bundesregierung im ersten Halbjahr 2023 abgeschoben, diese Zahl will die deutsche Regierung mit dem sogenannten Rückführungsverbesserungsgesetz erhöhen.

Abschiebungen sollen künftig nicht mehr vorab angekündigt und die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von zehn auf 28 Tage verlängert werden. Die Polizei darf nach den Plänen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser auch andere Räume als die der Betroffenen in einer Gemeinschaftsunterkunft betreten, also auch in Räumen von Mitbewohnern nach Ausreisepflichtigen suchen.

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Weitere Maßnahmen sind schärfere Strafen für Schleuser, Regeln für das Auslesen von Handys von Asylbewerbern und die Möglichkeit, mutmaßliche Mitglieder krimineller Vereinigungen auszuweisen, auch wenn diese nicht strafbar geworden sind. "Dazu gehört auch, Straftäter und Gefährder konsequenter und schneller auszuweisen und abzuschieben", sagt Faeser.

Die Abstimmung über das Gesetzespaket wurde allerdings Mitte Dezember von der Tagesordnung genommen, weil die Grünen Änderungswünsche geäußert hatten. Neuer Termin ist nun der Januar, das Rückführungsverbesserungsgesetz könnte dann spätestens Ende April 2024 in Kraft treten.

Mehr Migrationsabkommen

Georgien, Moldau, Kenia, Kolumbien, Usbekistan und Kirgistan – das sind die sechs Länder, mit denen Deutschlands Sonderbevollmächtigter Joachim Stamp über den Abschluss eines Migrationsabkommens verhandelt hatte. Mit Georgien wurde der erste Vertrag Mitte Dezember unter Dach und Fach gebracht. Deutschland will damit Menschen ohne Bleiberecht in diese Länder zurückführen, andererseits als Anreiz die legale Einwanderung von Arbeits- und Fachkräften in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtern.

Außerdem sollen mehr Länder als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden, wie im November 2023 mit Georgien und der Republik Moldau geschehen. Die Bundesregierung will zudem das EU-Türkei-Abkommen über die Rücknahme von Geflüchteten wiederbeleben. Die meisten Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, stammen jedoch aus Syrien, Afghanistan und der Türkei.

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Schnellere Asylverfahren

26,6 Monate – so lange lauten nach Angaben der Bundesregierung im Durchschnitt die Asylklageverfahren bei den Verwaltungsgerichten. Mit einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung sollen die Verfahren deutlich beschleunigt werden. Asyl – und Gerichtsverfahren für Angehörige aus Staaten, für die die Anerkennungsquote weniger als fünf Prozent beträgt, sollen in Zukunft in drei Monaten abgeschlossen sein. In allen anderen Fällen sollen die Asylverfahren in der Regel nur noch sechs Monate dauern.

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Kürzung der Sozialleistungen

Bislang hatten Asylbewerber im laufenden Verfahren nach 18 Monaten Anspruch auf Bürgergeld. Die Sozialleistungen für Geflüchtete sollen künftig reduziert werden: Sie erhalten doppelt so lange, also 36 Monate lang, die niedrigeren Asylbewerberleistungen. Leistungen wie Essen in staatlichen Unterkünften werden außerdem auf die Zahlungen angerechnet.

Bezahlkarte statt Geld

"Socialcard" – so heißt die Bezahlkarte für Asylbewerber in Hannover. Die niedersächsische Metropole ist die erste deutsche Großstadt, die das System für Sozialleistungen am 8. Dezember eingeführt hat, um Güter des täglichen Bedarfs bargeldlos einzukaufen. Um Diskriminierung zu vermeiden, unterschiedet sich die Karte nicht von anderen, üblichen Bankkarten.

Auch zwei Thüringer Landkreise haben bereits rund 160 Bezahlkarten für Asylsuchende ausgegeben, mit denen man ausschließlich dort bezahlen kann. Der Karteninhaber muss jeden Monat persönlich zum Landratsamt kommen, um die Karte aufzuladen – sonst gibt es kein Geld. Unabhängig davon bezahlt der Landkreis jedoch weiterhin etwa die Unterkunftskosten für die Geflüchteten.

Die Bundesregierung und die Länder wollen damit die Möglichkeiten für Asylbewerber einschränken, Geld in ihre Heimatländer zu überweisen. "Bundeseinheitliche Mindeststandards" für die Bezahlkarte sollen die Länder ausarbeiten; Hamburg und Bayern sind bereits vorgeprescht.

Die Hamburger Karte gilt seit dem 2. Januar 2024, in Bayern sollen Geflüchtete ab Frühjahr 2024 so gut wie kein Bargeld mehr erhalten. Indem mit der Karte Bargeldleistungen "weitestgehend" ersetzt werden, sollen laut bayerischem Kabinettsbeschluss "Zuzugsanreize verringert und die Finanzierung von Schlepperkriminalität bekämpft" werden.

Fachkräfteeinwanderungsgesetz gegen den Mangel

Seit dem 18.November ist in Deutschland schrittweise ein Gesetz in Kraft getreten, das ausländischen Fachkräften die Einwanderung erleichtern soll. Wichtigstes Element: die sogenannte Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems. Sie garantiert eine einjährige Aufenthaltserlaubnis. In dieser Zeit können die Besitzer der Karte sich auf Jobsuche begeben. Voraussetzungen: Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung und ein persönlicher Bezug zu Deutschland.

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Ausländische Fachkräfte müssen künftig ein Mindestgehalt von rund 43.800 Euro brutto jährlich erreichen, statt wie zuletzt 58.400 Euro. Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind und eine Qualifikation sowie ein Jobangebot haben, sollen - wenn sie ihren Asylantrag zurücknehmen - eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen können. Bislang musste man dafür erst ausreisen und sich dann vom Ausland aus um ein Arbeitsvisum bemühen.

Wer als hochqualifizierte Fachkraft aus dem Nicht-EU-Ausland nach Deutschland kommt, soll künftig nicht nur den Ehepartner und die Kinder mitbringen dürfen, sondern auch Eltern und Schwiegereltern. Voraussetzung für den Familiennachzug ist aber, dass der Lebensunterhalt für die Angehörigen gesichert ist. Sozialleistungen beantragen können die Eltern nicht.

Blaue Karte EU, Anerkennungspartnerschaft, Westbalkan-Regelung

Bestehende Regelungen für Fachkräfte mit Hochschulabschlüssen wie die Blaue Karte EU werden fortgeführt und erweitert, die Liste der sogenannten Engpassberufe vergrößert. Zählten bislang nur Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Medizin dazu, können Akademiker aus Drittstaaten nun auch als Apotheker, Erziehungs- oder Pflegekraft die Karte bekommen.

Sie haben die "Blaue Karte" schon: Vasant Karasulli, Softwareentwickler aus Indien, und Hymalai Bello, Elektroingenieurin aus VenezuelaBild: Daniel Karmann/dpa/picture alliance

Wenn Arbeitgeber in Deutschland und Bewerber aus Drittstaaten eine Anerkennungspartnerschaft schließen, können Fachkräfte ab März 2024 direkt nach Deutschland kommen und arbeiten, während gleichzeitig das Verfahren zur Anerkennung ihres Abschlusses läuft. Der Aufenthalt kann auf bis zu drei Jahre verlängert werden.

Sollen Ehepartner und minderjährige Kinder nachziehen, müssen Fachkräfte zwar den Lebensunterhalt nachweisen, aber nicht mehr den ausreichenden Wohnraum. Die sogenannte Westbalkan-Regelung zur Anwerbung von Arbeitskräften aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien gilt ab sofort unbefristet. Ab Juni 2024 wird das jährliche Kontingent auf 50.000 Arbeitskräfte verdoppelt.