Prozess gegen Pussy Riot
9. August 2012"Das politische System hat Angst vor der Wahrheit. Wir haben mehr Freiheit, als die Leute von der Staatsanwaltschaft - weil wir sagen, was wir wollen", erklärte Nadeschda Tolokonnikowa mutig. Zum Abschluss des umstrittenen Prozesses wiesen die Musikerinnen der Punk-Band Pussy Riot am Mittwoch (08.08.2012) noch einmal alle gegen sie erhobenen Vorwürfe zurück. Zugleich verteidigten sie erneut ihren Protest gegen Präsident Wladimir Putin in einer Moskauer Kathedrale, der in Russland für viel Aufsehen gesorgt hatte.
Die Frauen-Band hatte im Februar in der Moskauer Erlöserkathedrale mit einem "Protestgebet" gegen Regierungschef Putin demonstriert, der damals kurz vor seiner Wiederwahl zum Staatspräsidenten stand. Ein Internetvideo zeigte die Frauen in kurzen Kleidern und bunt gestrickten Masken, die vor dem Altar tanzten und ihre Fäuste schwangen. Das Video ist mit Punk-Musik unterlegt, in dem die Mutter Gottes aufgerufen wird, "Putin zu verjagen". Politiker und Kirchenvertreter sprachen nach der Aktion von einem Verbrechen und Gotteslästerung und forderten ein entsprechend hartes Urteil.
Anklage bleibt unter möglicher Höchststrafe
Geht es nach dem Willen der Staatsanwaltschaft in Moskau, dann müssen Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Alechina und Jekaterina Samuzewitsch drei Jahre ins Gefängnis. Ihnen wird Rowdytum und religiöse Hetze zur Last gelegt. Seit Juli müssen sich die drei Frauen vor Gericht verantworten. Am 17. August soll das Urteil gesprochen werden.
Staatsanwalt Alexander Nikiforow bekräftigte in seinem Schlussplädoyer, das Vergehen der drei Angeklagten sei so "schwer", dass sie "von der Gesellschaft isoliert" werden müssten. Es müsse einen "echten Entzug von Freiheit" geben. Gleichzeitig sagte allerdings Nikiforow, er wolle der Tatsache Rechnung tragen, dass keine der drei Frauen vorbestraft sei und Tolokonnikowa und Alechina kleine Kinder hätten.
Mit dem geforderten Strafmaß blieb die Anklage deutlich unter der möglichen Höchststrafe von sieben Jahren. Die Verteidiger der Musikerinnen sehen darin auch ein Ergebnis der internationalen Proteste gegen den Prozess. Sie hoffen auf ein mildes Urteil. Das Verfahren wird international stark kritisiert und als politisch motiviert angesehen. Auch bemängeln Beobachter die mangelnde Distanz zwischen Kirche und Kreml. Das Verfahren hat Debatten ausgelöst, ob die russische Justiz in diesem Konflikt zwischen Meinungs- und Religionsfreiheit gerecht und unabhängig entscheiden wird.
Auf Drängen der Staatsanwaltschaft fanden die Anhörungen nicht öffentlich statt. Die Verteidiger der Frauen reklamierten während des Prozesses, dass ihnen nicht genügend Zeit für die Vorbereitung gelassen worden sei. Insbesondere sei ihnen verwehrt worden, weitere Zeugen vorzuladen, sagten sie. Die Richterin habe das Verfahren im Eiltempo durchgepeitscht.
Spaltung der Gesellschaft
Die Proteste vor dem Gerichtsgebäude gegen den Prozess waren im Verhandlungsverlauf deutlich abgeflaut. Auch immer weniger Politiker und Prominente, die an den ersten Verhandlungstagen im Juli noch mit ihrem Erscheinen vor dem Gerichtsgebäude die Aufmerksamkeit der Medien auf sich lenkten, kamen nicht mehr.
Der Vorfall in der Erlöserkathedrale hat die russische Öffentlichkeit gespalten. Vor dem Gerichtsgebäude demonstierten Anhänger und Gegner der Punk-Band, darunter ein junger Mann mit einem Plakat, auf dem er die Bestrafung der Frauen forderte. Der DW sagte er, die Frauen von Pussy Riot hätten ihn als Gläubigen mit ihrem "teuflischen Tanz" vor dem Kirchenaltar beleidigt. Freiheitsentzug halte er aber nicht für die einzig mögliche Strafe. Angemessen wäre es seiner Meinung auch, wenn man die Punkerinnen in einer Psychiatrie unterbringt oder ihnen die russische Staatsbürgerschaft aberkennt.
Beeinflusst Putin das Urteil?
Vor kurzem bezog auch erstmals der russische Präsident Wladimir Putin Stellung zum Verfahren und einem möglichen Strafmaß gegen die drei Frauen. Dem Protest der Künstlerinnen sei zwar nichts Gutes abzugewinnen, gleichwohl sei Milde angebracht, erklärte Putin in London. "Ich denke nicht, dass sie allzu hart dafür bestraft werden sollten", sagte er.
Putin fügte hinzu: "Ich hoffe, das Gericht wird zu einem richtigen, gut begründeten Urteil kommen." Er hoffe außerdem, die drei angeklagten Frauen würden "ihre eigenen Schlüsse ziehen" und aus ihren Fehlern lernen. Ähnlich äußerte sich inzwischen auch die russisch-orthodoxe Kirche, die zuvor noch eine harte Strafe verlangt hatte. Sie erklärte jetzt, über die Angelegenheit solle nicht länger gesprochen werden.