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KonflikteMadagaskar

Oberst Randrianirina übernimmt die Führung in Madagaskar

Silja Fröhlich | Kossivi Tiassou | Saleh Mwanamilongo | David Ehl
17. Oktober 2025

Das Militär will nach der Machtübernahme den Anschein geordneter Verhältnisse erwecken. Madagaskars Bevölkerung steht zwischen Hoffen und Bangen. Die Generation Z fordert weitergehende Reformen - und Mitbestimmung.

Der Kommandeur der Capsat-Militäreinheit, Oberst Michael Randrianirina, in einem Auto
Oberst Michael Randrianirina will Madagaskar als Übergangspräsident führen - und beteuert die Rückkehr zu verfassungsgemäßen Verhältnissen bis 2027Bild: Brian Inganga/AP Photo/dpa/picture alliance

In Madagaskar festigt der Anführer des Putschs vom vergangenen Dienstag seine Macht. Oberst Michael Randrianirina leistete vor dem Hohen Verfassungsgericht in der Hauptstadt Antananarivo seinen Amtseid als Übergangspräsident. Nun will er eine zivile Übergangsregierung bilden, die für einen Zeitraum von 18 bis 24 Monaten im Amt bleiben soll.

Randrianirina und seine CAPSAT-Eliteeinheit hatten sich mit den seit Wochen andauernden Protesten der jungen Generation Z solidarisiert. Am Wochenende setzte Präsident Andry Rajoelina sich an einen "sicheren Ort" im Ausland ab.

Der Inselstaat im Indischen Ozean ist bereits die fünfte frühere französische Kolonie in Afrika - nach Mali, Burkina Faso, Niger und Gabun - die seit 2020 unter Militärherrschaft fiel. Randrianirina beteuerte jedoch: "Das war kein Putsch, sondern ein Fall der Verantwortungsübernahme, weil das Land am Rande des Zusammenbruchs stand."

Die Afrikanische Union suspendierte Madagaskars Mitgliedschaft "mit sofortiger Wirkung". Auch die Vereinten Nationen zeigten sich "tief besorgt angesichts des nicht verfassungsgemäßen Machtwechsels".

Zivile Regierung angekündigt

Randrianirina erklärte, CAPSAT werde einen Ausschuss aus Offizieren der Armee, der paramilitärischen Gendarmerie und der nationalen Polizei bilden. "Vielleicht werden mit der Zeit auch hochrangige zivile Berater hinzukommen. Dieses Komitee wird die Aufgaben des Präsidialamtes wahrnehmen", erklärte er in seiner Stellungnahme. "Gleichzeitig werden wir nach einigen Tagen eine zivile Regierung bilden." Er fügte hinzu, dass schnell ein Premierminister ernannt werden solle.

Militär in Madagaskar meldet Machtübernahme

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Der Umsturz hatte auch die madagassischen Staatsorgane erfasst: Rajoelina selbst versuchte, die Nationalversammlung aufzulösen. Zugleich stimmten dort jedoch 130 Abgeordnete für eine Amtsenthebung des Präsidenten - weit mehr als die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit. Das Präsidialamt bezeichnete die Versammlung als verfassungswidrig und erklärte, dass jede Resolution "null und nichtig" sei, da der Präsident die Nationalversammlung aufgelöst habe.

Nach der Abstimmung stellte das Verfassungsgericht eine "Vakanz" des Präsidentenamtes fest und forderte Randrianirina auf, die Aufgaben des Staatschefs auszuüben. Das Militär setzte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters später den Senat, das Verfassungsgericht, die Wahlbehörde und andere staatliche Institutionen außer Kraft - demnach bleibt die Nationalversammlung als einziges funktionierendes Legislativorgan übrig.

"Ich war gezwungen, einen sicheren Platz zu finden, um mein Leben zu schützen. Dabei höre ich nie auf, nach Lösungen zu suchen", sagte Madagaskars abgesetzter Präsident Andry Rajoelinain einer Live-Ansprache auf FacebookBild: Rijasolo/AFP/Getty Images

Die Präsidentschaft verurteilte die Machtübernahme durch das Militär in einer Erklärung auf Facebook. "Die Anwesenheit bewaffneter Streitkräfte vor dem Präsidentenpalast stellt einen eindeutigen Versuch eines Staatsstreichs dar", hieß es darin.

Gemischte Gefühle in der Bevölkerung

Die Stimmung im Land ist zunächst abwartend, wie es DW-Korrespondentin Hilda Hasinjo beschreibt: "Die Bevölkerung ist hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und der Angst, erneut in ein institutionelles und diplomatisches Chaos zu stürzen", berichtet Hasinjo aus der Hauptstadt Antananarivo. "Erleichterung, weil dies das Ende von zwei Jahrzehnten markiert, die zu einem sozialen und wirtschaftlichen Niedergang geführt haben. Und Angst, weil eine Militärregierung großen Einfluss auf die Freiheit jedes Einzelnen haben wird."

Wie geht es weiter nach dem Putsch? DW-Korrespondentin Hilda Hasinjo beschreibt die Stimmung als erleichtert und sorgenvoll zugleichBild: Luis Tato/AFP/Getty Images

Hinzu komme, dass dies erhebliche Auswirkungen auf die internationale Hilfe und Zusammenarbeit haben könnte. "Die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) hat bereits ihre Besorgnis über die Lage zum Ausdruck gebracht und angekündigt, Gespräche zur Überwindung dieser Krise zu führen."

Selbstbewusste Forderungen von Madagaskars Generation Z

Für die Anführer der jungen Protestbewegung ist mit dem Machtwechsel in Antananarivo lediglich ein Anfang gemacht: "Wir werden hier nicht aufhören zu protestieren", sagte Herizo Andriamanantena, ein Sprecher der Bewegung "Gen Z Madagascar", der DW am Rande einer Tagung in Berlin. Andriamanantena forderte für seine Bewegung die "Mehrheit" der Mandate in der neuen Regierung, um einen echten Systemwechsel herbeizuführen.

Andriamanantena sieht die jungen Proteste als Teil einer globalen Bewegung: "Wir sind nicht das einzige Land, in dem die Gen-Z-Bewegung begonnen hat. Es gibt eine ganze Reihe von Ländern, in denen dies bereits geschehen ist, darunter Nepal und Marokko. Bei uns war es zwar nicht gewalttätig. Wir haben versucht, etwas Friedliches auf die Beine zu stellen, aber für mich ist die Botschaft klar: Die neue Generation will das System verändern."

Seit Ende September demonstrieren Zehntausende junge Menschen in Madagaskar gegen die Regierung und fordern Rajoelinas Rücktritt. Grund waren anhaltende Strom- und Wasserausfälle, gravierende Mängel im Bildungssystem, hohe Arbeitslosigkeit und weit verbreitete Armut. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden mindestens 22 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt. Die Regierung weist diese Zahlen zurück. Madagaskar gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Fast 75 Prozent der etwa 32 Millionen Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze.

Welchen Einfluss hat CAPSAT?

Die Situation im Land hatte sich am Wochenende zugespitzt, nachdem die CAPSAT-Einheit der Streitkräfte entschied, sich hinter die von der Generation Z angeführten Demonstrationen zu stellen. Die Eliteeinheit spielte bereits zu Beginn von Rajoelinas Präsidentschaft eine Rolle: Der damalige Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo kam 2009 an die Macht, nachdem CAPSAT einen Aufstand unterstützt hatte, um seinen Vorgänger zu stürzen. Obwohl CAPSAT keine Kampfeinheit an vorderster Front ist, kontrolliert die Einheit wichtige Bereiche der Armee, darunter Personalmanagement, administrative Unterstützung, Logistik und technische Dienste.

Nach ihrer Machtübernahme wurden diese CAPSAT-Soldaten am Dienstag im Zentrum von Antananarivo beklatschtBild: Luis Tato/AFP/Getty Images

"Sie wird von einflussreichen Eliten aus der Gendarmerie-Gruppe angeführt und unterhält enge Beziehungen zu einflussreichen Persönlichkeiten und Wirtschaftseliten des Landes. Viele von ihnen stehen Rajoelina derzeit nicht positiv gegenüber. In den letzten drei bis vier Jahren sind sie Rajoelina gegenüber zunehmend misstrauisch geworden und haben sich gefragt, ob ihre Interessen übereinstimmen", sagte die politische Risikoanalystin Rose Mumanya gegenüber der DW.

Sollte das Militär in Madagaskar sich nicht an sein Versprechen halten, eine zivile Regierung einzuführen, hätte das nach Mumanyas Einschätzung schwerwiegende Folgen. "Es wäre eine Fortsetzung des gleichen Kreislaufs, in dem es sehr schwache Institutionen und eine relativ starke Armee gibt, die eingreifen kann - nicht zum Wohle des Volkes, sondern zum Wohle der wirtschaftlichen und politischen Eliten."

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