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Sieg für die Pressefreiheit

Peter Schibli19. April 2007

Drei Schweizer Journalisten sind am Dienstag von einem Militärgericht vom Vorwurf der Verletzung militärischer Geheimnisse freigesprochen worden. Beobachter werten das Urteil als "Etappensieg für die Medienfreiheit".

Abhöranlage des Schweizer Gemeindienstes bei Zimmerwald im Kanton Bern
Die Schweizer Satellitenanlage bei Zimmerwald (Kanton Bern), die das Geheimdienst-Fax aus Ägypten abgefangen haben sollBild: AP

Die drei Journalisten der Boulevardzeitung "SonntagsBlick", darunter der ehemalige Chefredakteur, waren angeklagt worden, weil sie am 8. Januar 2006 in ihrem Medium ein vom Schweizer Nachrichtendienst (SND) als geheim klassifiziertes Dokument publiziert hatten. Das Fax soll vom ägyptischen Außenministerium stammen. Es war am 15. November 2005 an die ägyptische Botschaft in London verschickt und von den Abhöranlagen des SND abgefangen worden.

Das Schreiben bestätigte die Existenz illegaler Gefängnisse des US-Geheimdienstes CIA in Osteuropa. Entsprechende Gerüchte waren bereits Wochen zuvor in verschiedenen US-Medien verbreitet worden. Die Schweizer Journalisten gaben an, das Fax von einem Bahnreisenden erhalten zu haben, der es in einem Zug gefunden haben will.

Glaubwürdigkeit der Geheimdienste

Die Zeitung "SonntagsBlick" wird vom Ringier-Verlag in Zürich herausgegebenBild: AP

Der Ankläger warf den drei Journalisten eine Verletzung militärischer Geheimnisse vor. Sie hätten mit der Publikation die Glaubwürdigkeit des SND geschwächt und die Sicherheit des Landes gefährdet. Vor Gericht bekräftige er, die Angeklagten stünden nicht wegen der Aufdeckung von CIA-Gefängnissen, sondern wegen der Verbreitung eines geheimen Dokuments vor Gericht.

Der ehemalige Chefredakteur hatte das Fax trotz eines expliziten Verbots von höchster militärischer Stelle vollständig publiziert. Mit seinem vorsätzlichen Handeln habe er die Arbeit der Schweizer Armee beeinträchtigt, behauptete der Ankläger. Andere ausländische Nachrichtendienste seien nach der Publikation auf Distanz zum SND gegangen. Als Strafen forderte er für die einzelnen Angeklagten Bußen zwischen umgerechnet 10.000 und 30.000 Euro.

Verteidigung: Gericht nicht legitimiert

In Erklärungen beriefen sich die drei Journalisten auf das Recht der freien Meinungsäußerung. Durch die Publikation seien sie ihrer journalistischen Pflicht nachgekommen, wichtige Informationen an die Öffentlichkeit weiterzugeben - ob diese von Geheimdienst und Armeespitze nun für geheim erklärt worden seien oder nicht. Der mitangeklagte ehemalige Chefredakteur betonte, mit dem publizierten Dokument sei erstmals von staatlicher Seite bestätigt worden, dass CIA-Gefängnisse in Osteuropa existierten.

Prozesstaktisch lehnten die zivilen Angeklagten das Militärgericht als für sie unzuständig und demokratisch nicht legitimiert ab. Diese generelle Kritik wird von der politischen Linken in der Schweiz geteilt und ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Die Eidgenossenschaft dürfte eines der letzten Länder der zivilisierten Welt sein, in dem Zivilisten von der Militärjustiz zur Rechenschaft gezogen werden können.

Nationale und internationale Kritik

Die Praxis geht auf den ersten Weltkrieg zurück, als sich Schweizer Bürger wegen Kriegswirtschaftsdelikten vor Militärgerichten verantworten mussten. Im Zweiten Weltkrieg wurden wiederholt Zivilpersonen von der Militärjustiz als Landesverräter verurteilt. In jüngster Zeit hat die helvetische Militärjustiz primär Medienschaffende im Visier, die als geheim klassifizierte Standorte militärischer Anlagen verraten.

Die Kritik an den Schweizer Militärgerichten ist fast hundert Jahre alt. 1917 wurde eine Initiative (Volksbegehren) für die Abschaffung der Militärjustiz eingereicht, die aber 1921 in einer Volksabstimmung abgelehnt wurde. Auch in den folgenden Jahrzehnten hatten ähnlich lautende Vorstöße keine Chance. Die Schweizer Militärjustiz wird nicht nur national, sondern auch international kritisiert: Unlängst empfahl der UNO-Menschenrechts-Ausschuss der Schweiz, keine Zivilisten mehr vor Militärgerichte zu zerren. Der Prozess um das CIA-Fax hat die politische Diskussion nun neu belebt.

Urteil als Korrektiv

Mit seinem am Dienstagabend (17.4.07) veröffentlichten Urteil versuchte das Gericht in St.Gallen offensichtlich, die Debatte nicht weiter anzuheizen, sondern die Wogen zu glätten. Die drei Journalisten wurden vom Vorwurf des Geheimdnisverrats freigesprochen. Die Arbeit des SND sei durch die Veröffentlichung des Faxes zwar beeinträchtigt worden. Eine Verletzung militärischer Geheimnisse stellten die Militärrichter aber nicht fest. Die Behauptung, die Reputation des SND habe durch die Publikation gelitten, sei im betreffenden Fall kein Tatbestand.

Die zivilen Angeklagten erhalten laut dem Urteil eine Entschädigung von je 20.000 Franken. Die amtlichen Kosten des Verfahrens übernimmt die Bundeskasse. Die Freisprüche sind rechtskräftig, da der Ankläger auf eine Revision verzichtet hat. Das militärische Verfahren gegen jene Person, die der Zeitung das geheime Dokument zuspielte, ist noch anhängig. Ob diese Person allerdings jemals gefunden wird, ist höchst fraglich.

Genugtuung mit Vorbehalt

Marc Walder, amtierender Chefredakteur des "SonntagsBlick", reagierte erleichtert auf das Urteil. Gleichzeitig betonte er, dass seine Kollegen die Zuständigkeit der Militärjustiz für solche Angelegenheit nach wie vor ablehnten. Mitglieder der Mediengewerkschaft "comedia" bezeichneten das Verdikt als "wegweisenden Etappensieg für die Medienfreiheit."

Peter Studer, Präsident des Schweizer Presserats, einer für medienethische Fragen zuständigen Selbstregulierungsbehörde, vertrat die Ansicht, das Publikationsverbot der Armeeführung sei unrealistisch gewesen. Die Veröffentlichtung habe sich vielmehr als sinnvoll erwiesen.

Selbst die in Militärfragen konservative "Neue Zürcher Zeitung" schrieb in ihrer Ausgabe vom 16. April 2007: "In einer Zeit, in der die demokratische Kontrolle über die Streitkräfte an Bedeutung gewonnen hat, vermitteln Militärgerichtsverfahren, in die Zivilpersonen involviert sind, keinen vorteilhaften Eindruck." Die Armee setze sich dadurch "ebenso ärgerlicher wie unnötiger Kritik aus", befand die NZZ.

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