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Nordkorea: "Militärische Eskalation unwahrscheinlich"

Esther Felden6. Januar 2016

Noch gibt es viele offene Fragen nach der nordkoreanischen Meldung über einen Wasserstoffbombentest. Patrick Köllner vom Hamburger GIGA-Institut erklärt, was man bis jetzt weiß und welche Folgen der Test haben könnte.

er Leiter der Erdbeben- und Tsunami-Abteilung beim japanischen Wetterdienst bei einer Pressekonferenz vor einer Grafik, die die Erschütterungen am nordkoreanischen Atomtestgelände zeigt (Foto: Reuters/I. Kato)
Bild: Reuters/I. Kato

Deutsche Welle: Noch gibt es keine Bestätigung, dass Nordkorea tatsächlich erfolgreich eine Wasserstoffbombe getestet hat. Welche Indizien liegen derzeit vor? Was kann man im Moment zum Wahrheitsgehalt dieser Behauptung sagen?

Patrick Köllner: Zum Einen haben wir natürlich seismografische Messungen, die zeigen, dass es eine entsprechende Explosion gegeben hat. Die nordkoreanische Regierung hat auch schon erklärt, dass sie hier eine thermonukleare Waffe getestet hat. In der Tat muss das noch verifiziert werden, aber wenn es sich tatsächlich um einen entsprechenden Test handeln sollte, würde das einen weiteren Fortschritt in der nuklearen Bewaffnung Nordkoreas darstellen.

Eine Wasserstoffbombe hat eine deutlich höhere Sprengkraft als eine Atombombe und ist auch schwieriger zu bauen. Wie wahrscheinlich ist es, dass Nordkorea tatsächlich in der Lage ist, so etwas zu schaffen?

Es bleibt noch abzuwarten, ob Nordkorea wirklich schon in der Lage ist, eine Wasserstoffbombe im eigentlichen Sinne zu bauen oder ob das quasi ein Test ist auf dem Weg dorthin. Einen Test würde ich nicht für so unwahrscheinlich halten. Die nordkoreanische Regierung hat sich gewissermaßen selbst dazu verpflichtet, die entsprechende Waffenentwicklung voranzubringen. Nordkorea sieht sich als Nuklearmacht, das ist inzwischen sozusagen in die DNA des Landes eingegangen und im Endeffekt ja auch die einzige Dimension der Entwicklung des Landes, bei der man denkt, mit anderen Mächten auf Augenhöhe agieren zu können.

Patrick Köllner leitet das Hamburger GIGA-Institut für Asien-StudienBild: GIGA

Inwieweit haben die Meldung und der Zeitpunkt Sie überrascht?

Es war davon auszugehen, dass es zu einem weiteren Test kommen würde, denn entsprechende Tests sind einfach technologisch notwendig, um die entsprechende Entwicklung voranzubringen. Insofern war ein Test erwartet worden. Allerdings ist man eher davon ausgegangen, dass es zu einem weiteren Plutonium-basierten Test kommen würde. Aber es hatte auch schon Erklärungen gegeben von Kim Jong Un, wonach Nordkorea über fortgeschrittene thermonukleare Fähigkeiten verfügen würde. Insofern: Nein, es kam nicht überraschend. Natürlich gibt es im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt Spekulationen, die sich darum ranken, ob es verbunden ist mit dem kommenden Geburtstag von Kim Jong Un am 8. Januar. Aber dass nach dem letzten Atomtest von 2013 ein solcher Test kommen würde, war vorauszusehen.

Der Test kommt zu einem Zeitpunkt, wo sich die innerkoreanischen Beziehungen nach den Spannungen vom vergangenen Sommer wieder ein wenig beruhigt hatten. Was bedeutet das jetzt für die Situation auf der koreanischen Halbinsel?

Die innerkoreanischen Beziehungen mögen sich etwas beruhigt haben, aber substanziell verbessert haben sie sich nicht. Wir haben es hier immer wieder mit einem Wechselspiel aus Spannung und Entspannung zu tun. Ich würde in diesem Fall eher kurzfristige Auswirkungen sehen – im innerkoreanischen Verhältnis wie auch im Verhältnis zu China oder den USA. Eine langfristige Veränderung oder Verschlechterung sehe ich noch nicht. Nordkorea ist bereits eins der am stärksten sanktionierten Länder der Welt. Insofern stellt das in dieser Hinsicht keine qualitative Veränderung dar.

Nordkorea nutzt derartige Provokationen auch, um im Gegenzug etwas zu erreichen. Was könnte das in diesem Fall sein? Geht es vielleicht sogar darum, auf Eis liegende Verhandlungen wieder aufzunehmen?

Ich denke, man muss ein bisschen davon abkommen, zu glauben, dass entsprechende Provokationen immer dazu da sind, um etwas zu erreichen. Sie haben tatsächlich vor allem auch eine Signalwirkung nach innen. Und die - in diesem Fall - thermonukleare Bewaffnung Nordkoreas ist etwas, was sich die Führung auf die Fahnen geschrieben hat. Etwas, von dem man denkt, dass man damit auch nach innen punkten kann und was einfach die Abschreckungsfähigkeit nach außen weiter erhöht. Nukleare und thermonukleare Bewaffnung ist im Endeffekt gewissermaßen auch die kostengünstigste Variante, um effektiv andere Mächte abzuschrecken. Insofern muss das jetzt nicht verbunden sein mit einem Wunsch nach Gegenleistung, sondern es geht vielmehr darum, die Abschreckungsfähigkeit zu erhöhen und nach innen zu zeigen, dass man in der Lage ist, die technologische Entwicklung in der gewünschten Richtung voranzubringen.

Sehen Sie die Gefahr einer militärischen Eskalation in der Region?

Nein, die sehe ich nicht, weil es eben der vierte Test in einer Reihe ist. Es ist auch nicht unerwartet gekommen. Eskalationen sind vor allem dann zu befürchten, wenn südkoreanisches Territorium direkt betroffen ist. Hier würde ich jetzt einfach erst mal eine Reihe von Verurteilungen möglicherweise bis hin zu einer Resolution des UN-Sicherheitsrates erwarten, aber keine veritable Eskalationsspirale zwischen den beiden Koreas oder innerhalb der Region.

Sie haben den Sicherheitsrat angesprochen - der sich noch an diesem Mittwoch in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Thema beschäftigen wird. Wie könnten mögliche neue Sanktionen konkret aussehen und wen würden sie betreffen?

Die Wirksamkeit von entsprechenden Sanktionen gegen Nordkorea hat sich in den vergangenen Jahren als sehr unterschiedlich herausgestellt. Sie sind vor allem dann wirksam, wenn es gelingt, in substanziellem Maß Vermögenswerte zu beschlagnahmen und Finanzkanäle trocken zu legen - also Kanäle, die wichtig sind, um das polit-ökonomische System Nordkoreas am Leben zu halten. Und insofern wird man vermutlich auch jetzt wieder versuchen, bestimmte Firmen im staatlichen Besitz unter Kontrolle des Militärs besonders zu treffen. So soll eine möglichst große Wirkung auf die Führung und die verschiedenen Elemente innerhalb der Führungselite erzielt werden.

Prof. Patrick Köllner ist Direktor des GIGA-Instituts für Asien-Studien in Hamburg.

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