1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Militärisches Kräfteverhältnis in Ostasien

9. Mai 2017

Die koreanische Halbinsel kommt nicht zur Ruhe. Auf der einen Seite stehen Nordkorea und China, auf der anderen Südkorea, Japan und die USA. Was wissen wir über die militärische Stärke der Konfliktparteien?

Südkorea Militärübung Foal Eagle in Pohang
Bild: Reuters/K. Hong-Ji

Die Lage auf der koreanischen Halbinsel ist so angespannt wie schon lange nicht mehr. Die neue US-Regierung unter Präsident Trump hat der Politik der "strategischen Geduld", die noch von Obama gegenüber Nordkorea verfolgt wurde, eine Absage erteilt. Folgerichtig betonte US-Außenminister Tillerson bei einem Besuch in Südkorea, dass die militärische Option immer auf dem Tisch liege. Im Mai verhängten die USA neue und schärfere Sanktionen.


China, das als einziger Verbündeter Nordkoreas gilt, beharrt auf einer diplomatischen Lösung des Konflikts, hat aber zugleich den Druck auf Pjöngjang erhöht. So wurden Kohleimporte aus Nordkorea eingestellt, die eine wichtige Devisenquelle für das isolierte Land darstellen. Kommentatoren der nationalistischen "Global Times" beschuldigten Nordkorea, die Lage auf der Halbinsel zu destabilisieren und forderten das Land auf, sein Atomprogramm einzustellen.


Doch Nordkorea beeindruckt das alles bisher anscheinend wenig. Die Diktatur testete seit Januar 2017 bereits fünf Mal Raketen und verstieß damit jedes Mal gegen UN-Resolutionen. Auf dem Atomtestgelände Punggye Ri beobachten Experten verstärkte Aktivitäten. Ein weiterer Atomtest könnte bevorstehen. In den Verlautbarungen der Staatsmedien erklärte Nordkorea, jederzeit bereit zu sein für einen "totalen Krieg".

Eingefrorener Krieg

Auf der koreanischen Halbinsel stehen sich seit dem Koreakrieg - der 1953 mit einem Waffenstillstand eingefroren, aber offiziell nie beendet wurde - zwei der größten Armeen der Welt gegenüber. Südkorea zählt laut dem Index des Internationalen Konversionszentrums (BICC) in Bonn zu den am stärksten militarisierten Nationen der Welt. Weltweit belegt es Platz sechs auf dem zuletzt 2016 aktualisierten Index. Da zu Nordkorea wichtige Informationen fehlen, wird es nicht im Index geführt, wobei aber davon auszugehen ist, dass ebenfalls "ein hoher Grad an Militarisierung besteht", wie Marius Bales vom BICC sagt. "Das ist naheliegend, wenn von 24 Million Einwohnern 1,2 Millionen im Militär dienen."
Hinter den beiden hochgerüsteten Koreas stehen deren jeweilige Bündnispartner, die zugleich Rivalen sind. Auf der Seite Nordkoreas die Volksrepublik China, auf der Seite Südkoreas die USA. Das südkoreanisch-amerikanische Verhältnis wurde 1953 durch ein Militärbündnis festgeschrieben. 1961 unterzeichnete Nordkorea mit China und Russland einen Freundschaftsvertrag, der gegenseitige militärische und wirtschaftliche Hilfe umfasste. Russland kündigte den militärischen Beistandspakt, mit China ist er nach wie vor in Kraft. Japan, das sich ebenfalls von Nordkorea bedroht fühlt, nimmt eine Sonderrolle ein, da es zwar mit den USA eng verbündet ist, aber ein durch Kolonialvergangenheit und Zweiten Weltkrieg belastetes Verhältnis zu Südkorea hat.

Militärisches Potential

Eine Möglichkeit, um das militärische Kräfteverhältnis der Region zu beschreiben, ist eine zahlenmäßige Aufstellung der jeweiligen Streitkräfte (s. Grafik). Allerdings ist ein solches Vorgehen mit einer Reihe von Schwierigkeiten behaftet.

Eine Möglichkeit, um das militärische Kräfteverhältnis der Region zu beschreiben, ist eine zahlenmäßige Aufstellung der jeweiligen Streitkräfte (s. Grafik). Allerdings ist ein solches Vorgehen mit einer Reihe von Schwierigkeiten behaftet.

Erstens sind die Zahlen mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Die jährlich erscheinende Publikation "Military Balance" des britischen Think Tanks Internationales Institut für strategische Studien (IISS) hat gewissermaßen ein Monopol. Es gibt zwar auch andere Quellen zu Streitkräften wie etwa die des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstitut (SIPRI), doch nur im "Military Balance" des IISS wird die Bewaffnung und der militärische Sektor so umfassend dokumentiert. Die Zahlen basieren zum Teil auf den offiziellen Angaben der Staaten, die diese etwa an das UN-Waffenregister oder an die Organisation für internationale Zusammenarbeit (OSZE) liefern. Auch Rüstungsexportberichten sind Zahlen zu entnehmen. Allerdings gibt IISS weder alle Quellen an, noch wird eine einheitliche Methode definiert. Wie die Zahlen für Länder wie Nordkorea zustande kommen, das offiziell keine Daten herausgibt, ist demnach unklar. Aber es gibt keine Alternative, wie Bales vom BICC einräumt: "Der Military Balance ist die beste, aber eben auch einzige Quelle in dem Bereich."

Zweitens: "Die Zahlen repräsentieren nur die Quantität. Sie sagen nichts über die Qualität der Waffen aus", sagt Bales. Ein schwerer Panzer ist nicht gleich ein schwerer Panzer. Ein sowjetischer T-62 der nordkoreanischen Armee aus den späten sechziger Jahren und ein südkoreanischer K2 Black Panther aus dem Jahr 2013 lassen sich nicht eins zu eins gegeneinander rechnen. Überhaupt sei die Vorstellung, dass man wie im 19. oder frühen 20. Jahrhundert Soldat gegen Soldaten und Panzer gegen Panzer rechnet, obsolet. "Moderne Kriegsführung und moderne Waffensysteme verbieten das." Panzer stehen gegen Panzer, aber auch gegen Drohnen, Hubschrauber, Flugzeuge usw. 

Auch zeigen die Zahlen nicht, wie viele Ressourcen zum Betrieb der jeweiligen Waffenkategorie vorhanden sind. So leidet Nordkorea notorisch unter Treibstoffmangel, was Trainingsflüge beeinträchtigt. "Im Falle von Nordkorea", sagt Bales, "steht die Größe des Militärs im Gegensatz zu dessen Qualität. Insbesondere die Luftwaffe ist veraltet. Die modernsten Jets stammen aus den achtziger Jahren." Im Gegensatz dazu verfüge Südkorea dank US-amerikanischer und deutscher Waffenlieferungen über modernste Waffensysteme.

Übermacht USA

Was die Zahlen aber durchaus zeigen, ist, welchen Schwerpunkt die jeweiligen Armeen der Länder haben. Während im Inselstaat Japan die Marine und Luftwaffe im Fokus stehen, ist es in beiden Koreas das Heer. Die relativ hohe Zahl von schweren Panzern und Artilleriegeschützen in Nord- und Südkorea belegen, dass ihre Armeen für große Feldschlachten und die Verteidigung der Grenzen ausgelegt sind. Die große Zahl nordkoreanischer U-Boote sind auf deren hohes Abschreckungspotenzial zurückzuführen. Und das ist es, was die Zahlen auch belegen, nämlich die Entschlossenheit aller Länder, sich militärisch zur Wehr zu setzen. 

Stolz präsentiert das nordkoreanische Militär seine neuesten Anschaffungen auf einer Militärparade.Bild: picture-alliance/dpa/KCNA

Das alles werde allerdings vergleichsweise bedeutungslos, wenn die gewaltige US-Militärmaschinerie in einen möglichen Konflikt eingreifen würde. Ein Blick auf die strategischen Raketentruppen, die u.a. für Langstreckenraketen inklusive atomarer Bewfaffnung zuständig sind, macht das sofort deutlich. China und die USA verfügen über solche Einheiten, im Gegensatz zu Südkorea und Japan. Nordkorea strebt danach, hat aber große Probleme, zuverlässige Langstreckenraketen zu entwickeln. Der Rüstungs- und Technologievorsprung der USA ist so groß, dass Nordkorea kaum eine Chance hätte.
"Bei all den technischen Überlegungen darf man aber nicht die wechselseitige Verwundbarkeit von Nord- und Südkorea vergessen," sagt Experte Bale vom BICC. Rund 70 Prozent der nordkoreanischen Bodentruppen sind an der Grenze stationiert. Seoul liegt nur 50 Kilometer von der Grenze entfernt. "Selbst bei veralteter Technik kann mit der großen Zahl an Panzern, Artillerie und Mannschaftstransportern ein verheerender Angriff auf Südkorea durchgeführt werden." 
 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen