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Milliarden aus Nordafrika

Susanne Steiger10. Dezember 2007

Trotz scharfer Kritik aus den eigenen Reihen empfängt Nicolas Sarkozy Libyens Staatschef Gaddafi. Unbeirrt verfolgt er ein Ziel, zu dem auch die geplante Mittelmeerunion führen soll: Milliardengeschäfte mit Nordafrika.

Muammar el-Gaddafi im Plausch mit Nicolas Sarkozy auf dem EU-Afrika-Gipfel (08.12.2007, Quelle: AP)
Herzliche Einladung: Gaddafi und Sarkozy auf dem EU-Afrika-GipfelBild: AP

"Ich bin sehr glücklich, Sie in Paris empfangen zu dürfen", rief der französische Präsident Nicolas Sarkozy dem libyschen Staatschef Muammar el-Gaddafi auf dem EU-Afrika-Gipfel in Lissabon zu. Ab Montag (10.12.2007) wird der Revolutionsführer fünf Tage lang Gast im Elysée-Palast sein. Bereits die Ankündigung des Besuchs hat eine heftige Kontroverse ausgelöst: Nach Angriffen von Menschenrechtsorganisationen und der Opposition wurde jetzt auch scharfe Kritik aus den eigenen Reihen laut.

Die für Menschenrechte zuständige Außenstaatssekretärin Rama Yade zeigte sich "irritiert" darüber, dass Sarkozy Gaddafi ausgerechnet am Tag der Menschenrechte empfange. "Gaddafi muss begreifen, dass unser Land kein Fußabtreter ist, auf dem sich ein Staatsführer, ob Terrorist oder nicht, das Blut seiner Untaten abstreifen kann", sagte Yade der französischen Tageszeitung "Le Parisien". Außenminister Bernard Kouchner stellte sich hinter sie.

Milliardengeschäfte im Gepäck

Auch Kampfflugzeuge will Frankreich an Libyen verkaufenBild: AP


Nicolas Sarkozy gerät durch den Gaddafi-Besuch immer mehr unter Druck. Was der Revolutionsführer im Gepäck mitbringt, entkräftet für Sarkozy jedoch die Kritik: Laut Gaddafis Sohn Seif el Islam Gaddafi wird Libyen bei der Visite Verträge über den Kauf eines Atomreaktors sowie von Rüstungsgütern und Airbusse im Wert von mehr als drei Milliarden Euro unterzeichnen.

Lieblingsprojekt: Mittelmeerunion

Nicolas Sarkozy setzt auf lukrative Geschäfte mit Nordafrika. Nicht umsonst kämpft er seit seinem Amtsantritt leidenschaftlich für ein neues Bündnis, das solche Geschäfte begünstigen soll: eine Mittelmeerunion, die einen Raum enger wirtschaftlicher und politischer Zusammenarbeit der Mittelmeeranrainerstaaten schaffen soll.

Sarkozy kämpft für ein Bündnis mit der arabischen WeltBild: AP

Im Europaparlament stieß Sarkozys Vorschlag auf Kritik: Diesen Raum gebe es schon, geschaffen durch bereits bestehende zwischenstaatliche Bündnisse, wie beispielsweise den 1995 eingeleiteten Barcelona-Prozess. Viele fragen sich, wozu ein zusätzliches Abkommen mit nahezu denselben Partnern dienen soll – und welche Interessen sich hinter dem Anliegen des französischen Präsidenten verbergen.

Mittelmeerunion als Abwehrmaßnahme?

Die Türkei wittert in Sarkozys Engagement für eine Mittelmeerunion einen versteckten Versuch, mit dem Bündnis ein Abwehrinstrument gegen einen EU-Beitritt des Landes zu schaffen. "Es darf nicht sein, dass die angestrebte Union als Ersatz für unseren EU-Beitritt dient", sagte der türkische Präsident Abdullah Gül der französischen Tageszeitung "Le Monde".

Sarkozy lehnt einen Türkei-Beitritt in die EU entschieden ab. Die Mittelmeerunion könnte er als ein Alternativforum für die EU-Anbindung der Türkei verkaufen, in welchem ihr eine priviligierte Stellung als Führungsmacht der östlichen Mittelmeerstaaten zugestanden werden könnte. Sein Veto gegen neue Verhandlungen zwischen EU und Türkei wäre damit umschifft.

Wirtschaftspolitisches Wunschkind

Mittelmeerunion zur Sicherung des Atomexports?Bild: AP

Doch Sarkozy verfolgt mit einer Mittelmeerunion weit mehr als eine EU ohne Ankara, meint Ronja Kempin, Frankreich-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das entscheidende Antriebsmoment Sarkozys für die Durchsetzung des neuen Bündnisses seien wirtschaftliche Interessen. "Eine Mittelmeerunion würde Frankreich zweierlei wirtschaftspolitische Vorteile verschaffen: die Sicherung der Absatzmöglichkeiten für Frankreichs Kernenergie sowie der eigenen Energieversorgung", erklärt Kempin. Frankreich ist weltweit der größte Exporteur von ziviler Kernenergie, die Begehrlichkeiten der arabischen Staaten nach dieser Technologie wachsen. Andererseits verfügten die Staaten jenseits des Mittelmeers über Erdgasvorkommen, die für die französische Energieversorgung von zentraler Bedeutung sind.

Neben engeren Wirtschaftsbeziehungen zu Nordafrika würde eine Mittelmeerunion aus französischer Sicht zwei weitere positive Nebeneffekte mit sich bringen: eine Stärkung der Stellung Frankreichs innerhalb der Europäischen Union sowie einen Vorstoß im Kampf gegen illegale Immigration. Flüchtlinge, die in Frankreich landen, kommen vor allem aus den nordafrikanischen Ländern. "Sie will Sarkozy im Rahmen der neuen Vereinbarung verpflichten, verstärkt gegen illegale Immigration vorzugehen", sagt Frankreich-Expertin Kempin.

Gaddafi: Mittelmeerunion nur ohne Israel

Libyens Staatschef Gaddafi: Verbündeter, der fordertBild: AP

Der zwischenstaatliche Verbund, den sich Sarkozy wünscht, würde vor allem eines: Frankreich stärken. Mit Gaddafi hat Nicolas Sarkozy einen Verbündeten für die Mittelmeerunion gefunden. Allerdings einen, der unbequem werden kann: Gaddafi verlangt, dass Israel von vornherein vom Bündnis ausgeschlossen ist. Vielleicht werden die beiden Staatschefs in den fünf Tagen Zeit finden, auch darüber zu reden. Sowohl der Elysée als auch das Außenministerium haben im Vorfeld wenig über Gaddafis Pläne für seinen Aufenthalt mitgeteilt. Zwei oder drei Mal will Sarkozy mit Gaddafi im Palast zusammenkommen, um Gespräche zu führen – und Milliarden-Geschäfte zu konkretisieren.

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