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Millionen verdient durch Reden

Marcel Fürstenau30. Oktober 2012

Der designierte SPD-Kanzlerkandidat legt seine Nebeneinkünfte als Vortragsreisender offen und hofft auf Nachahmer in anderen Parteien. Die hohen Honorare hält der ehemalige Bundesfinanzminister für angemessen.

Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück steht im Atrium der Berliner Parteizentrale, hinter ihm die Willy-Brandt-Statue. (Foto: REUTERS / Tobias Schwarz)
Bild: Reuters

In der Parteizentrale der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) im Berliner Ortsteil Kreuzberg ist Peer Steinbrück allgegenwärtig. Lächelnd begrüßt der potenzielle Herausforderer von Bundeskanzlerin Angela Merkel jeden Besucher. Allerdings nicht persönlich, sondern als Coverboy des schon 1876 gegründeten SPD-Zentralorgans "Vorwärts". Die aktuelle Ausgabe liegt hundertfach gleich neben der Pförtnerloge. An Peer Steinbrück ist dieser Tage wahrlich schwer vorbeizukommen.

Und an diesem verregneten Oktobertag ist der SPD-Hoffnungsträger auch persönlich da. Punkt zehn Uhr betritt er das Podest mit dem roten Rednerpult, breitet seine Informationen vor sich aus und blickt aufmerksam in die Runde. Ein Dutzend Kamerateams hat sich vor ihm aufgebaut, davor sitzen rund 50 Journalisten, kein Stuhl bleibt frei. Nach einer kurzen, freundlichen Begrüßung bestätigt Steinbrück das, was die "Bild"-Zeitung ihren Lesern schon am Morgen in gewohnt großen Buchstaben verkündet hat: "1,25 Millionen Euro für Vorträge" steht auf der Titelseite, daneben ein Bild des designierten Kanzlerkandidaten mit heruntergezogenen Mundwinkeln.

Einige Honorare hat er gespendet

Im Atrium der nach Willy Brandt benannten SPD-Zentrale sieht Steinbrück freundlicher aus als in der Boulevard-Zeitung, die den 64-Jährigen auf ihrer zweiten Seite mit zweifelndem Blick über Akten gebeugt präsentiert. Er habe Verständnis dafür, dass die Medien und viele Bürgerinnen und Bürger "gerne mehr Informationen haben möchten über meine Tätigkeit als Vortragender", sagt Steinbrück. Dann nennt er Details: 89 Vorträge im Zeitraum 2009 bis 2012, für die er durchschnittlich ungefähr 14.000 Euro Brutto erhalten habe. Die Vorträge seien mit 48 Prozent versteuert worden, so dass er netto durchschnittlich pro Vortrag ein Einkommen von ungefähr 7300 Euro gehabt habe.

Anschließend spricht Steinbrück von 237 Vorträgen, die er im gleichen Zeitraum unentgeltlich gehalten habe, "bei Schulen, bei Universitäten, bei ehrenamtlichen Organisationen, bei Vereinen". In mehreren Fällen habe er auf ein Honorar verzichtet und die Veranstalter gebeten, das Geld direkt an karikative und gemeinnützige Einrichtungen zu spenden. Auf Nachfrage beziffert er die Spendensumme später auf etwa 60.000 Euro.

Der Kandidat bestreitet jegliche Abhängigkeit



Er habe sich zur Offenlegung seiner Nebeneinkünfte entschlossen, um deutlich zu machen, dass er "weder in einer Abhängigkeit zu irgendeinem der Veranstalter gestanden habe noch eine Abhängigkeit bedient habe", betont der SPD-Politiker. Er räumt ein, in zwei Fällen die Nebeneinkünfte nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, bei der Bundestagsveraltung angezeigt zu haben. Auf dieses Versäumnis weisen die von Steinbrück beauftragten Wirtschaftsprüfer einer Düsseldorfer Kanzlei in ihrem 18-seitigen Bericht ausdrücklich hin. "Wir empfehlen die Anzeigen nachzuholen", heißt es in dem Text. Das habe er bereits getan, lässt Steinbrück die Journalisten wissen. Seine Nachlässigkeit kommentiert der ehemalige Bundesfinanzminister mit den Worten: "Ich hab's einfach verschwitzt".

Dass angesichts seiner Millionen-Einkünfte durch Honorartätigkeit seine Glaubwürdigkeit gerade in den Augen von SPD-Wählern leiden könne, glaubt Steinbrück nicht. Warum sollten gegenüber Sozialdemokraten andere Regeln gelten als gegenüber Politikern anderer Parteien oder Vertretern aus dem Sport oder der Unterhaltungsbranche?", fragt Steinbrück die Pressevertreter. Einige der Vortragsveranstaltungen mit ihm seien übrigens von Journalisten moderiert worden, erwähnt Steinbrück beiläufig. Und er könne sich vorstellen, dass es dafür auch Honorare gegeben habe.

"Abwesenheit sagt nichts über politische Präsenz"

Auch die Vermutung, seine Arbeit als Bundestagsabgeordneter habe unter den vielen Vortragsreisen gelitten, weist Steinbrück zurück. In den Jahren 2009/2010 habe er sieben Parlamentssitzungen mit namentlichen Abstimmungen verpasst, darüber hinaus zwei weitere. Zum Vergleich: pro Jahr gibt es rund 20 Plenarwochen des Deutschen Bundestages. Im Übrigen wolle er gerne hinzufügen, "dass Abwesenheit nichts über politische Präsenz sagt", meint der designierte SPD-Kanzlerkandidat.

Steinbrück setzt auf Transparenz

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Seine Transparenz-Offensive in eigener Sache will Steinbrück nicht in dem Sinne verstanden wissen, dass andere Kanzlerkandidaten seinem Beispiel zwingend folgen müssten. Zugleich lässt er eine gewisse Genugtuung durchblicken. Denn andere hätten versucht, ihm in Sachen Transparenz einen Stein an den Kopf zu werfen", sagt Steinbrück mit Blick auf Politiker der Regierungskoalition aus Konservativen (CDU/CSU) und Freien Demokraten (FDP). Nun trage er gerne dazu bei, "dass aus diesem Stein ein Bumerang wird, der an ihren eigenen Kopf zurückfliegt".

Im Bundestag zeichnen sich schärfere Regeln ab

In der vergangenen Woche hatte die Rechtsstellungskommission des Bundestages mit den Stimmen der CDU/CSU und der FDP eine Verschärfung der Transparenzregeln vereinbart, die allerdings noch vom Parlament bestätigt werden muss. Demnach sollen Abgeordnete künftig Nebeneinkünfte in zehn Stufen angeben müssen. Die letzte würde alle Einnahmen über 250.000 Euro erfassen. Peer Steinbrück hat laut Bericht der Wirtschaftsprüfer im vergangenen Jahr 460.100 Euro durch Vorträge kassiert, 2010 waren es sogar fast 552.000 Euro.

Bis zur nun erfolgten detailgetreuen Offenlegung musste die interessierte Öffentlichkeit über Steinbrücks Nebeneinkünfte spekulieren. Denn noch gilt die Regel, dass Einnahmen in drei Stufen angezeigt werden müssen. Hinter der letzten verbergen sich alle Einnahmen, die bei 7000 Euro oder darüber liegen. Mit anderen Worten: es kann sich auch um eine Million handeln. Auf diese Summe kam Steinbrück, wie man jetzt auch auf seiner Homepage nachlesen kann, allein im Zeitraum 2010/2011.

Eine Seite aus dem Transparenz-Bericht der Wirtschaftsprüfer.Bild: picture-alliance/dpa
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