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Politik

Milosevic ist tot, seine Ideen leben weiter

Thomas Brey
11. Februar 2022

Vor zwei Jahrzehnten begann der Prozess gegen den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Er starb 2006 in seiner Zelle in Den Haag ohne Urteil. Nicht aber seine Ideen, die Jugoslawien in Krieg und Elend stürzten.

Kriegsverbrecher-Prozess gegen Milosevic
Beginn vor 20 Jahren - Kriegsverbrecher-Prozess gegen MilosevicBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Erst vor wenigen Tagen ist Momcilo Babic zum serbischen Botschafter in Russland ernannt worden. Der Mann gehörte in den 1990er Jahren zum engen Freundeskreis der Familie von Slobodan Milosevic. Gegen diesen hatte vor 20 Jahren der Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag begonnen. Die Anklage beschuldigte den langjährigen serbischen Präsidenten, der sich zum nahezu unbeschränkten Herrscher aufgeschwungen hatte, für Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu sein.

Der Angeklagte, dessen Politik maßgeblich zu den Kriegen beim Zerfall des Vielvölkerstaats Jugoslawien beigetragen hatte, bestritt die Legitimität des internationalen Gerichts. Es sei schlicht "illegal". Noch vor einem Urteil starb Milosevic vier Jahre später in seiner Zelle an einem Herzinfarkt.

Revolution ohne Umsturz

Nach seiner Entmachtung im Jahr 2000 durch die sogenannte Oktoberrevolution schöpfte Serbien nach Jahren der Autokratie und der Kriege in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und im Kosovo neue Hoffnung. Der erste demokratisch gewählte Ministerpräsident Zoran Djindjic, der in Deutschland studiert hatte und im Westen bestens vernetzt war, galt als Garant für Reformen und die Entmachtung der alten Eliten von Milosevics Gnaden.

Rote Rosen zum Gedenken an Milosevic - letztes Geleit zu seiner Beerdigung in Pozarevac Bild: Imago/Xinhua

Doch kam sein Programm schon 2003 zu einem jähen Ende, weil ihn die Spitzen der paramilitärischen Milosevic-Spezialpolizei "Rote Barette" ermordeten. Die später zu 40 Jahren Haft verurteilten Mörder sorgen neuerdings wieder für Schlagzeilen. Es läuft eine Petition, die sich für die vorzeitige Freilassung der Verurteilten einsetzt.

Die versuchte Rehabilitierung der Djindjic-Mörder und Milosevic-Getreuen passt in die aktuelle politische Landschaft. Die einstige Milosevic-Idee, alle Serben müssten in einem gemeinsamen Staat leben, hatte einst zu Tod und Zerstörung geführt. Denn in blutigen Kriegen wurde versucht, dieses Ziel eines "Großserbiens" zu erreichen.

Seit dem vergangenen Jahr ist dieses nationalistische Programm unter dem Motto "Serbische Welt" wieder salonfähig geworden. Belgrad müsse sich um seine Landsleute in den Nachbarländern kümmern, damit sie dort nicht benachteiligt werden, lautet das Credo. Das ist die "Rechtfertigung", dass Belgrad in Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Kroatien und Montenegro mitmischen will. Denn überall dort leben große serbische Minderheiten.

Die Alten sind auch die Neuen

Dass die Milosevic-Ideen eine Wiederauferstehung feiern, ist nur logisch. Denn die alten Spitzenpolitiker haben auch heute wieder das Sagen. Allen voran der alles bestimmende serbische Präsident Aleksandar Vucic.

Er arbeitete zu Milosevic-Zeiten für einen Propagandasender der bosnischen Serben und war von 1998 bis 2000 Informationsminister. Sein Name steht seitdem für die Knebelung der Medien. Heute werden die damaligen Rezepte wieder angewendet. Viele Medien stehen Vucic zu Diensten, wann immer er möchte. Das garantieren Medienzampanos aus dem Umfeld des Machthabers wie Zeljko Mitrovic ("Milosevic ist ein Held"), dessen TV-Sender Pink als der Haussender des Präsidenten gilt.

Serbiens Präsident Vucic war Milosevics InformationsministerBild: Darko Vojinovic/AP Photo/picture alliance

Ivica Dacic, der Nachfolger von Milosevic an der Spitze von dessen Sozialistischer Partei, war Außenminister und Regierungschef. Er ist heute Parlamentspräsident.

Milorad Vucelic, früher führender Milosevic-Kader und von 1992 bis 1995 Generaldirektor des staatlichen Propagandasenders RTS, leitet heute das einflussreiche Boulevardblatt Novosti. Die Zeitung bemüht sich wie früher, in unzähligen Artikeln nachzuweisen, dass die Serben seit Jahrhunderten von ihren Nachbarvölkern und vom bösen Ausland unterdrückt würden.

Ins Bild passt, dass verurteilte Kriegsverbrecher wie General Vladimir Lazarevic oder Dragan Vasiljevic ("Captain Dragan") vom Staat hofiert werden. Die heute drangsalierte Opposition sowie führende kritische Historiker sind sich nur nicht einig, ob heute eine Situation wie in den 90er Jahren herrsche oder es schlimmer sei als damals.

Thomas Brey war langjähriger dpa-Korrespondent für Südosteuropa in Belgrad.