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Umstrittener Mindestlohn

15. September 2015

Seit neun Monaten gibt es in Deutschland einen Mindestlohn - und schon hofft die Arbeitsministerin auf eine Anhebung. Die Bilanz von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite könnte unterschiedlicher nicht ausfallen.

8,50 Euro auf einem Arbeitshandschuh, Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Rund ein Dreivierteljahr nach Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde hofft Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) auf eine Erhöhung der Lohnuntergrenze. "Darauf aufbauend können wir darauf hoffen, dass sich das Lohnniveau in Deutschland weiter stabilisiert", sagte Nahles am Dienstag bei einer Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin. Sie hoffe auf eine Anhebung der Lohnuntergrenze zum 1. Januar 2017. Dafür zuständig ist die Mindestlohnkommission aus Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern, die erstmals im kommenden Jahr eine mögliche Anhebung beraten soll.

Ungelernte und Angelernte haben profitiert

Zugleich zog Nahles eine durchweg positive Bilanz. "Besonders profitiert haben Ungelernte und Angelernte." Ihr Verdienst sei im ersten Quartal im Schnitt um vier beziehungsweise 2,8 Prozent gestiegen, so die Ministerin unter Berufung auf das Statistische Bundesamt.

Sämtliche "Horrorstorys", der Mindestlohn koste Jobs, hätten sich nicht bewahrheitet. Stattdessen habe die Lohnuntergrenze Minijobbern zu regulären Jobs verholfen und den Konsum angekurbelt. Aktuell diene der Mindestlohn auch Flüchtlingen als Schutz, sagte Nahles. "Mit diesen Haltelinien dämmen wir auch Risiken ein, dass Flüchtlinge, die zu uns kommen, auf unserem Arbeitsmarkt ausgebeutet werden." Sie plädierte dafür, nun auch auf europäischer Ebene zu einem System unterer Haltelinien gegen Niedriglöhne zu kommen.

Andrea Nahles ist auch nach Einführung des Mindestlohns vom Erfolg überzeugt.Bild: picture-alliance/dpa

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte, Arbeitnehmer würden sich über Umgehungsversuche von Unternehmen beschweren. Die Kontrollen durch den Zoll müssten ausgebaut werden. "Wir werden darüber wachen, dass der Mindestlohn überall ankommt."

Arbeitgebern kritisieren Mindestlohn

Negativ sehen die Arbeitgeber die Auswirkungen des Mindestlohns. Die Beschäftigung sei seit Jahresbeginn nur wenig stärker gewachsen als in den Jahren zuvor, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Seit Inkrafttreten des Mindestlohns habe sich die Zahl der Minijobs um mehr als 120.000 Minijobs verringert, so Kramer. Es lasse sich nicht belegen, dass die entfallenen Minijobs in reguläre Arbeitsplätze umgewandelt worden seien.

Außerdem seien weitere negative Auswirkungen des Mindestlohns auf die Beschäftigung zu erwarten, auch wenn Probleme am Arbeitsmarkt derzeit durch die gute Konjunkturlage überdeckt würden, so Kramer. Zudem würden viele Unternehmen durch Bürokratie belastet.

In der Kritik: Dokumentation der Arbeitszeiten

Beispielsweise muss die Arbeitszeit dokumentiert werden in neun Branchen, die für Schwarzarbeit anfällig sind. Es sei denn die Arbeitnehmer verdienen mehr als 2958 Euro. Bei dieser Regel wurde zwar bereits nachgebessert und die umstrittenen Dokumentationspflichten zur Jahresmitte gelockert, komplett entfiel die Gehaltsschwelle von 2958 Euro nicht, bis zu der in den besagten Branchen die Arbeitszeit aufzuzeichnen ist.

Bei Arbeitsverhältnissen mit längerem Bestand müssen Arbeitgeber die Arbeitszeit aber nicht mehr aufzeichnen, wenn der regelmäßige Lohn 2000 Euro brutto übersteigt und die letzten zwölf Monate auch tatsächlich bezahlt wurde. Trotzdem kritisierte Kramer die Regeln: "Es wäre für alle Beteiligten viel einfacher, die Aufzeichnungspflichten bei einem Stundenverdienst von mehr als zehn Euro enden zu lassen." Bei Minijobs sollte die Aufzeichnung der Dauer der wöchentlichen statt täglichen Arbeitszeit genügen.

Weniger Mindestlohnkontrollen

Linke-Fraktionsvize Klaus Ernst warf der Bundesregierung vor, die Kontrolle des Mindestlohns vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise schleifen zu lassen. "Das ist wie eine Einladung an Lohndrücker, gegen das Gesetz zu verstoßen. Besonders perfide ist es, Benachteiligte am Markt gegeneinander auszuspielen, wie Wolfgang Schäuble dies macht."

Kontrolle zur Einhaltung von Mindestlöhnen wird zugunsten der Flüchtlingshilfe verlangsamt.Bild: picture-alliance/dpa

Für die Kontrolle des Mindestlohns ist der Zoll verantwortlich. Die Bundesregierung hatte dafür 1600 zusätzliche Stellen bewilligt. Bundesfinanzminister Schäuble hatte im Bundestag Anfang des Monats angekündigt, die zusätzlichen Stellen auch kurzfristig zur Bewältigung der Flüchtlingsfrage zu nutzen - und den Ausbau der Mindestlohnkontrollen zu verlangsamen.

iw/ul (dpa)

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