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Mindestlohn für (fast) alle

Sabine Kinkartz3. Juli 2014

Ab Januar 2015 soll niemand in Deutschland mehr weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienen. Wirklich niemand? Ein paar Ausnahmen gibt es schon und das erzürnt die Kritiker.

Symbolbild Mindestlohn
Bild: picture-alliance/dpa

Mit großer Mehrheit hat der Deutsche Bundestag die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns beschlossen. Die Regierungsfraktionen von CDU, CSU und SPD, aber auch die Grünen stimmten dafür, die Linke enthielt sich der Stimme. Es gab nur fünf Gegenstimmen. Deutschland ist damit das 21. von 28 Mitgliedsländern der EU, die ihre Lohnuntergrenzen per Gesetz geregelt haben. Ab Januar 2015 soll der Stundenlohn mindestens 8,50 Euro betragen. Grundsätzlich ist das Gesetz für alle Branchen bindend. Allerdings sollen Tarifverträge mit einem niedrigeren Brutto-Stundenlohn in einer Übergangsphase bis Ende 2016 gültig bleiben können, so dass der Mindestlohn erst ab 2017 voll greifen wird.

Der flächendeckende Mindestlohn war eines der großen Versprechen, mit dem die Sozialdemokraten in den letzten Bundestagswahlkampf gezogen sind. Entsprechend zufrieden eröffnete Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles die abschließende Debatte im Bundestag, an deren Ende die Neufassung des sogenannten 'Tarifautonomiestärkungsgesetzes' der Bundesregierung beschlossen wurde.

Später Triumph

Der Beschluss sei von herausragender Bedeutung für Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die "endlich einen anständigen Lohn erhalten" würden. Das Gesetz sei "ein Meilenstein" in der Arbeits- und Sozialpolitik der Bundesrepublik Deutschland. "10 Jahre diskutieren wir, 10 Jahre streiten wir über das Für und Wider, 10 Jahre bestimmt das die politische Debatte in diesem Land und jetzt kommt der Mindestlohn und das ist ein Grund zur Freude", so Nahles.

Durch die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns würden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen geschützt. "Er bringt endlich anständige Löhne für Millionen von Menschen, die bisher fleißig arbeiten aber billig abgespeist wurden." Zugleich trage der Mindestlohn dazu bei, dass der Wettbewerb zwischen den Unternehmen nicht durch die Vereinbarung immer niedrigerer Löhne, sondern um die besseren Produkte und Dienstleistungen stattfinde. "Fast vier Millionen Menschen werden ab Januar besser fühlen, dass sich ihr Einsatz auch lohnt."

Spricht von einem Meilenstein: Arbeitsministerin NahlesBild: CLEMENS BILAN/AFP/Getty Images

Kritik von der Linken

Dem Triumpf und der Freude der Sozialdemokraten setzt die Linkspartei herbe Kritik entgegen. 8,50 Euro pro Stunde seien einfach zu wenig. Die Linke setzt sich für einen Mindestlohn von 10 Euro ein. Der Linken- Abgeordnete Klaus Ernst wetterte zudem, nicht die SPD, sondern die Linke habe seit Jahren für die Einführung eines Mindestlohns gekämpft.

Auch die Sozialdemokraten hätten sich im Bundestag jahrelang verweigert, wenn die Linke das Thema auf die Tagesordnung gebracht hätte. "Es war der Kampf und die Kampagne der Gewerkschaften , es war der unermüdliche Kampf auch der Linkspartei und es war der Zeitgeist, gegen den Sie sich nicht länger stellen konnten", rief er in Richtung der Regierungsbank.

10 Euro wären das Mindeste: Klaus Ernst von der LinkenBild: picture-alliance/dpa

Kritik kommt auch von den Gewerkschaften, deren Vorsitzende die Bundestagsdebatte zum Teil von der Besuchertribüne verfolgten. Ver.di-Chef Frank Bsirske spricht von einem "Flickenteppich", der Kontrolle und Transparenz erschwere. Zwar sei die Einführung eines Mindestlohns ein historischer Erfolg auch für die Gewerkschaften. Durch die Ausnahmeregelungen würden aber weiterhin Millionen von Arbeitnehmern Hungerlöhnen ausgeliefert.

Begründete Ausnahmen

Die Bundesarbeitsministerin lässt diese Kritik nicht gelten. Der Mindestlohn gelte grundsätzlich für alle Branchen, die Sonderregelungen seien befristet, die einzige Ausnahme gut begründet. Diese gelte für junge Leute unter 18 Jahren. "Gerade schwache Schulabgänger sollen nicht durch einen ungelernten Job abgehalten werden, eine Ausbildung zu machen. Dazu stehe ich", so Nahles.

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Die übrigen Abweichungen fasst die Ministerin als Sonderregelungen zusammen. So sollen Zeitungszusteller ab dem nächsten Jahr einen Anspruch auf 75 Prozent, ab 2016 auf 85 Prozent und ab 2017 dann auf 8,50 Euro pro Stunde haben. Für alle anderen Branchen sind Übergangslösungen nur aufgrund von Tarifverträgen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz möglich. Grundsätzlich soll der Mindestlohn auch für Erntehelfer und andere Saisonarbeiter gelten. Allerdings können Landwirte und Obstbauern ihren Arbeitnehmern, die meistens auf den Höfen wohnen, Kost und Logis in Rechnung stellen.

Differenziert wird in Zukunft bei der Entlohnung von Praktikanten: Verpflichtende Praktika im Rahmen einer Ausbildung sind weiter grundsätzlich vom Mindestlohn ausgenommen. Bei Orientierungspraktika vor oder während einer Ausbildung gilt jedoch, dass erst nach drei Monaten und nicht wie bisher nach sechs Wochen der Mindestlohn gezahlt werden muss. Wer einen Studien- oder Berufsabschluss vorweisen kann, hat grundsätzlich Anspruch auf den Mindestlohn. "Es gibt kein Fegefeuer mehr, wo man sich von Praktikum zu Praktikum schwitzt, um dann am Ende vielleicht doch noch einen bezahlten Job zu ergattern. Damit ist Schluss", so Bundesarbeitsministerin Nahles. "Die Generation Praktikum gehört der Vergangenheit an."

Verstärkte Kontrollen geplant

Langzeitarbeitslose sollen in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung keinen Anspruch auf einen Mindestlohn haben. Die Kritik an dieser Regelung gehe an der Realität am deutschen Arbeitsmarkt vorbei, so Nahles. "Wir finden kaum genügend Arbeitgeber, die überhaupt bereit sind, Langzeitarbeitslosen eine Chance zu geben." Das sei sehr schwer. Das Arbeitsministerium entwirft derzeit ein Programm, mit dem gezielt bei Unternehmen darum geworben werden soll, Langzeitarbeitslose einzustellen.

Im Rahmen des Gesetzes stellt der Zoll 1600 neue Mitarbeiter ein, um die Umsetzung des Mindestlohns besser kontrollieren zu können. Das könnte auch nötig warden, denn die Caritas warnt bereits vor einem Anstieg der Schwarzarbeit. Schon 2016 soll eine Mindestlohnkommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften über eine Anhebung der Lohnuntergrenze von 8,50 Euro beraten.

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