Minister Guttenberg startet Gegenoffensive
14. Dezember 2009"Was den Vorwurf der Täuschung und der Lüge in meiner Amtszeit betrifft, kann ich nur sagen, dass sich Herr Gabriel und Herr Trittin hüten müssen, sich nicht selbst dem Vorwurf der Täuschung auszusetzen", sagte Guttenberg am Montag (14.12.2009) in München an die Adresse des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel und des Chefs der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin. Beide Oppositionspolitiker hatten Guttenberg wegen seiner Informationspolitik zu dem Luftangriff von Kundus den Rücktritt nahe gelegt.
"Opposition war informiert"
Nach Angaben des Ministers ist die Opposition schon seit Anfang November über die Details des Luftangriffs informiert, den Bundeswehroberst Georg Klein am 4. September angeordnet hatte. Der Untersuchungsbericht der Afghanistan-Schutztruppe ISAF für die NATO liege seit dem 3. November vor, "sogar in deutscher Übersetzung", erklärte Guttenberg. Die Fraktionen des Bundestages seien am 6. November unterrichtet worden und zwar auch darüber, dass mit dem Luftschlag nicht nur zwei von den Taliban entführte Tanklastwagen zerstört werden sollten, sondern dass auch Aufständische Ziel der Bomben gewesen seien. "Auch die Taliban waren Ziel dieses Bombardements, auch die Taliban, auch die Lastwagen. Darauf wurde die Opposition bereits hingewiesen", sagte der Verteidigungsminister vor einer CSU-Vorstandssitzung.
Damit rückte der Minister explizit von der wochenlang in der Öffentlichkeit vertretenen Linie der Bundesregierung und seines Ressorts ab, dass die beiden mit Treibstoff gefüllten Tanklaster zerstört werden sollten, damit sie nicht als rollende Bomben gegen das Bundeswehr-Lager in Kundus eingesetzt würden. An diesem Punkt setzt die Kritik der Opposition an: Die Regierung habe verschwiegen, dass mit dem Luftangriff gezielt Taliban getötet werden sollten. Bei dem Angriff waren laut dem Untersuchungsbericht der NATO bis zu 142 Menschen getötet worden, unter ihnen auch Zivilisten.
Minister korrigiert sich
Guttenberg hatte das Amt des Verteidigungsministers in der schwarz-gelben Regierung am 28. Oktober angetreten. Am 6. November hatte er den Luftangriff als "militärisch angemessen" bezeichnet. Am 26. November entließ der Minister Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert mit der Begründung, ihm seien wichtige Berichte zu dem Luftangriff vorenthalten worden. Am 3. Dezember schließlich korrigierte Guttenberg seine Bewertung des Luftangriffs. Dieser sei "militärisch unangemessen" gewesen, sagte der CSU-Politiker im Bundestag.
Entlassener General widerspricht Minister
Schneiderhan wies die Vorwürfe Guttenbergs jetzt allerdings zurück. Guttenberg habe alle wesentlichen Informationen zum Angriff von Kundus gekannt, als er diesen als "militärisch angemessen" eingestuft habe, sagte Schneiderhan am Sonntagabend im 1. Deutschen Fernsehen.
Der NATO-Bericht, der Guttenberg am 28. Oktober vorgelegen habe, enthalte diese Informationen. Trittin reagierte darauf am Montag mit den Worten, falls dies stimme, habe Guttenberg "wissentlich die Unwahrheit gesagt" und sei "nicht zu halten". Guttenberg sagte zu den Äußerungen des ehemaligen Generalinspekteurs, Schneiderhan habe sich inzwischen zur Klarstellung genötigt gesehen, dass ihm – Guttenberg - Dokumente über den Angriff vorenthalten worden seien. "Ich habe das schriftlich von ihm, dass mir Dokumente vorenthalten wurden".
SPD erneuert Vorwürfe
SPD-Chef Gabriel bekräftigte seine Vorwürfe gegen Guttenberg. Der Ressortchef verstricke sich in immer neue Widersprüche und täusche die Öffentlichkeit, sagte Gabriel in Berlin. Guttenberg habe über Wochen verschwiegen, was das eigentliche Ziel des von der Bundeswehr angeordneten Angriffs gewesen sei. Gabriel legte Guttenberg erneut den Rücktritt nahe. Für ihn dürfe keine andere Messlatte gelten als für seinen zurückgetretenen Vorgänger Franz-Josef Jung (CDU).
CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder wies die Kritik an Guttenberg als voreilig zurück. Es müsse jetzt darum gehen, sofort nach dem Jahreswechsel alle offenen Fragen zur Kundus-Affäre im neuen Untersuchungsausschuss zu klären. "Wir haben nichts zu verbergen", sagte Kauder am Montag in Berlin. Die CDU/CSU-Fraktion werde zudem für Mittwoch eine Aktuelle Stunde im Bundestag zu dem Thema beantragen.
Union: Unseriöse Opposition
Der CDU-Politiker warf der Opposition Vorverurteilungen vor. "Ich finde es schon eigenartig für eine Opposition, bevor der Untersuchungsausschuss seine erste Sitzung hat, ... schon zu einer Wertung kommen zu wollen. Das ist keine besondere Seriosität", sagte Kauder.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wies Unterstellungen zurück, die Bundeswehr habe in Afghanistan einen fundamentalen Strategiewechsel vorgenommen. Dies sei "abwegig", betonte Wilhelm in Berlin. Die Bundeswehr sei im Rahmen der Mandate der Vereinten Nationen und des Bundestages ermächtigt, zur Abwehr von Gefahren militärische Gewalt anzuwenden. Stets gelte aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beziehungsweise - je nach Rechtsgrundlage - das Übermaßverbot, betonte Wilhelm. Nach Medienberichten vom Wochenende soll der Luftschlag vom 4. September Folge einer verschärften Einsatzstrategie sein, in die das Kanzleramt involviert gewesen sein könnte.
Autor: Michael Wehling (dpa/rtr/afp/ap)
Redaktion: Martin Muno