Es geht so nicht weiter: Minneapolis zieht Konsequenzen aus dem gewaltsamen Tod des schwarzen US-Amerikaners George Floyd und den anhaltenden Protesten. Die Polizeiarbeit soll völlig neu organisiert werden.
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Der Mehrheit des Stadtrats von Minneapolis will die örtliche Polizeibehörde komplett auflösen und eine neue Struktur für die Polizeiarbeit schaffen, wie Mitglieder des Rats mitteilten. In seiner gegenwärtigen Aufstellung sei das Minneapolis Police Department nicht mehr reformierbar, erklärten neun der 13 Stadträte.
Die Stadtratsvorsitzende Lisa Bender sagte im Sender CNN, in Minneapolis solle ein "neues Modell der öffentlichen Sicherheit" geschaffen werden, "das unsere Gemeinschaft tatsächlich sicher hält". Wie die bisherige Polizeibehörde ersetzt werden solle, werde der Stadtrat noch diskutieren. Stadtratsmitglied Jeremiah Ellis schrieb bereits am Donnerstag, wenn die Behörde zerlegt worden sei, würden die einzelnen Teile "nicht einfach wieder zusammengeklebt" werden. Endgültig beschlossen ist die Auflösung allerdings noch nicht.
In der Stadt im Bundesstaat Minnesota war Floyd vor knapp zwei Wochen bei einem brutalen Polizeieinsatz getötet worden. Ein weißer Polizist hatte fast neun Minuten lang auf dem Nacken des unbewaffneten Mannes gekniet, obwohl Floyd wiederholt klagte, er könne nicht mehr atmen.
Der Vorfall löste landesweite Proteste in den USA sowie zahlreiche Demonstrationen auch in anderen Ländern gegen Polizeigewalt und Rassismus aus. Die Proteste in den Vereinigten Staaten gingen am Sonntag weiter. Dort wurden zunehmend tiefgreifende Reformen im Polizei- und Justizsystem gefordert.
Protest gegen Rassismus auf fünf Kontinenten
Das Schicksal von George Floyd aus Minneapolis bewegt Menschen auf der ganzen Welt. Trotz der Corona-Pandemie haben Hunderttausende beschlossen, auf die Straßen zu gehen und gegen systemischen Rassismus zu demonstrieren.
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Paris: Protest auf dem Champ de Mars
Vor ein paar Tagen hatte die französische Polizei Demonstranten mit Tränengas auseinandergetrieben, und auch die für Samstag angekündigten Demos am Eiffelturm und vor der US-Botschaft waren zunächst untersagt worden. Zehntausende gingen trotzdem - auch über Paris hinaus - gegen Rassismus auf die Straße. In den Vorstädten ist Polizeigewalt gegen schwarze Menschen besonders verbreitet.
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Liége: Demonstration trotz Verbot
Belgien hat, wie die meisten europäischen Länder, einen Anteil an der kolonialen Ausbeutung und Unterwerfung anderer Erdteile: Die heutige Demokratische Republik Kongo stand einst im Privatbesitz von König Leopold II, in dessen Namen dort ein rassistisches Unrechtsregime aufgebaut wurde. In Brüssel, Antwerpen und Liége wurde - trotz Corona-bedingten Verboten - gegen Rassismus demonstriert.
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München: Buntes Bayern
Eine der größten Kundgebungen Deutschlands fand in München statt, hier kamen 30.000 Menschen zusammen. Weitere große Demos gab es unter anderem in Köln, Frankfurt und Hamburg. In Berlin musste die Polizei zeitweise die Zufahrten zum Alexanderplatz abriegeln, weil zu viele Menschen zu der Kundgebung strömten.
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Wien: 50.000 gegen Rassismus
In der österreichischen Hauptstadt Wien kamen bereits am Freitag laut Polizei 50.000 Menschen zusammen. Damit war es eine der größten Demonstrationen der vergangenen Jahre, in die immerhin der Ibiza-Skandal und die spektakuläre Implosion der rechten Regierungskoalition 2019 fällt. Auch auf der Schrifttafel eines Polizeiautos stand Reportern zufolge der Schriftzug "Black Lives Matter".
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Sofia: Mehr als zehn Rassismus-Gegner
Wie in vielen anderen europäischen Ländern auch untersagt Bulgarien derzeit Kundgebungen mit mehr als zehn Teilnehmenden. Trotzdem kamen Hunderte in der Hauptstadt Sofia zusammen. Sie riefen George Floyds offenbar letzte Worte "I can't breathe" - machten aber auch aufmerksam auf Rassismus in der bulgarischen Gesellschaft.
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Turin: Protest in Corona-Zeiten
Diese Frau im Turin hat ihr politisches Anliegen kurzerhand auf die wegen Corona immer noch notwendige Atemschutzmaske getackert: "Schwarze Leben zählen auch in Italien". Die Demonstrationen, darunter in Rom und Mailand, dürften die größten Zusammenkünfte seit Beginn der italienischen Corona-Maßnahmen sein. Italien ist in der EU eines der Hauptaufnahmeländer für afrikanische Migranten.
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Lissabon: Handelt jetzt!
"Handelt jetzt", steht auf dem Transparent dieser Demonstranten in Portugals Hauptstadt Lissabon. Die Kundgebung war zwar nicht genehmigt worden, die Polizei ließ die Teilnehmer jedoch gewähren. Auch in Portugal kommt es immer zu Polizeigewalt gegen schwarze Menschen. Als im Januar 2019 nach einem solchen Vorfall spontan Hunderte demonstrierten, schoss die Polizei mit Gummigeschossen auf sie.
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Mexico City: Floyd und Lopez
In Mexiko wühlt nicht nur der Tod George Floyds das Land auf, sondern auch das ähnliche Schicksal des Maurers Giovanni Lopez: Er war im Mai im westlichen Bundesstaat Jalisco festgenommen worden, weil er keine Atemschutzmaske trug - und starb offenbar durch Polizeigewalt. Seit vor wenigen Tagen ein Video von dem Einsatz auftauchte, wächst die Wut mexikanischer Demonstranten.
Bild: picture-alliance/Zumapress
Sydney: Rassismus gegen Aborigines
Die Kundgebung in Sydney begann mit einer traditionellen Rauch-Zeremonie. Hier galt die Solidarität der mindestens 20.000 Teilnehmenden ausdrücklich nicht nur George Floyd, sondern auch den Australiern aus der Bevölkerungsgruppe der Aborigines, die ebenfalls Opfer rassistischer Polizeigewalt geworden sind. Die Demonstranten forderten, dass keiner von ihnen mehr in Polizeigewahrsam sterben darf.
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Pretoria: Mit erhobener Faust
Die in die Luft gereckte Faust ist ein Symbol der #BlackLivesMatter-Bewegung. Doch das Symbol ist weit älter: Als in Südafrika das Apartheidsregime im Februar 1990 den Freiheitskämpfer Nelson Mandela aus der Haft entließ, reckte er auf seinem Weg in die Freiheit die Faust empor, so wie jetzt dieser Demonstrant in Pretoria. Noch immer sind in Südafrika Weiße häufig bevorteilt.
Bild: picture-alliance/AP Photo/T. Hadebe
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Der Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, hatte sich am Samstag bei einer Demonstration gegen eine Abwicklung der örtlichen Polizei ausgesprochen und stattdessen für Reformen geworben. Er wurde dafür prompt ausgebuht und aufgefordert, den Protest zu verlassen.
Budgetkürzungen und das Hoffen auf neue Gesetze
In New York kündigte Bürgermeister Bill de Blasio Reformen bei der Polizei an. Das Budget der Polizeibehörde solle gekürzt und die Gelder stattdessen teilweise in die Jugend- und Sozialarbeit gesteckt werden, sagte das Stadtoberhaupt nach Angaben örtlicher Medien. Auch in Los Angeles soll das Budget der Polizei reduziert werden. Noch im April wollte der Bürgermeister der Westküsten-Metropole den Haushalt für die örtliche Polizei anheben.
In der Hauptstadt Washington wollen afroamerikanische Parlamentarier der Demokraten an diesem Montag eine Gesetzesvorlage in das Repräsentantenhaus einbringen, mit dessen Hilfe Polizeiarbeit stärker kontrolliert werden soll. Vorgesehen ist darin unter anderem, dass Beamte leichter für brutale Einsätze mit tödlichen Folgen juristisch belangt werden können. Auch sollen demnach Festhaltetechniken wie jene, die zu Floyds Tod führten, verboten werden. Ferner soll der Gesetzesinitiative zufolge eine Datenbank zum Fehlverhalten von Polizisten eingerichtet werden.