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Misereor: "Die Welt steht an einem kritischen Punkt"

Greta Hamann12. August 2015

So wie bisher gehe es nicht weiter, sagt der Hauptgeschäftsführer des Hilfswerks Misereor. Vor allem die Industriestaaten müssten ihren Lebensstil ändern. Denn diese lebten noch immer auf Kosten der Armen.

Menschen in Bangladesch betrachten Überschwemmung (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/Str

An seine Reise nach Bangladesch kann sich Pirmin Spiegel noch gut erinnern: "Ich habe dort Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht erlebt." Spiegel leitet das katholische Hilfswerk Misereor und besucht regelmäßig die Projekte, die das Hilfswerk in über 90 Ländern unterstützt. Grund für die Situation in Bangladesch ist unter anderem der voranschreitende Klimawandel. Es ist ein flaches Land und der Meeresspiegel steigt unaufhörlich an: "Viele Menschen sagen, sie haben keine Zukunft mehr in ihrer Heimat."

Bangladesch ist ein gutes Beispiel für ein grundlegendes Problem, das Spiegel bei der Jahrespressekonferenz von Misereor hervorhebt: "Unsere Art zu leben, ist nicht globalisierbar. Wenn alle so leben wie wir, reicht ein Erdball nicht aus." Misereor kümmert sich um die Menschen, die unter den Folgen leiden und oft am wenigsten dafür können. Unterstützt wird das Hilfswerk bei seiner Arbeit von seinen lokalen Projektpartnern. Da Misereor im Jahr 2014 mehr Mittel zur Verfügung standen als im Vorjahr, konnten mehr Projekte bewilligt werden.

Misereor-Chef Pirmin Spiegel in BangladeschBild: MISEREOR/Baumann

Konsum- und Wachstumsvorstellungen anpassen

Karl Jüsten, der Vorsitzende der katholischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe, nennt die genauen Zahlen: So sind die Einnahmen des Hilfswerks 2014 auf insgesamt rund 186 Millionen Euro leicht angestiegen. Neben einem Mehr an Spenden und Kollekten in Gottesdiensten, die rund ein Drittel der Gesamteinnahmen von Misereor ausmachen, freute sich das Hilfswerk über fast vier Millionen Euro zusätzliche Einnahmen aus öffentlichen Mitteln. Karl Jüsten begründet die erhöhten Zuwendungen vom Bund mit dem Anstieg von Krisenherden in der Welt.

Die Krisen, das betont auch Jüsten, stehen im direkten Zusammenhang mit der westlichen Lebensweise: "Je mehr wir verbrauchen, desto geringer sind auch die Chancen der Teilhabe für die Menschen in den Ländern der sogenannten Dritten Welt." Man müsse sich als Weltgemeinschaft begreifen, so Jüsten, und die eigenen Konsum- und Wachstumsvorstellungen anpassen.

Doch wie lässt sich so eine grundlegende Veränderung im westlichen Denken umsetzen? Darüber macht sich Misereor-Geschäftsführer Pirmin Spiegel viele Gedanken: "Mir ist wichtig, dass wir keine Verbote aufstellen und nicht mit dem moralischen Zeigefinger daherkommen. Wir wollen den Menschen zeigen, dass es vielleicht auch eine Befreiung sein kann, anders zu leben, und dass man nicht an Lebensqualität verlieren muss."

Fluchtursachen sind nicht nur Konflikte

Man müsse auf den "Schrei der Natur und der Armen" hören, so Pirmin Spiegel weiter. Mit seinen Ausführungen befindet er sich auf einer Linie mit der Enzyklika "Laudato Si", die Papst Franziskus im Juni 2015 veröffentlichen ließ. Dass der Schutz der Umwelt und die Überwindung von Armut gemeinsam angegangen werden müssten, war eine der Hauptaussagen des Oberhaupts der katholischen Kirche.

Misereor und "Brot für die Welt" fordern, die Fluchtursachen zu bekämpfenBild: Reuters/Y. Behrakis

Neben der Klimaproblematik sprach Spiegel weitere Problemfelder wie Flucht und Armut an. Er erinnerte daran, dass ein Großteil der weltweit 60 Millionen Flüchtlinge nicht nach Europa wolle. Nur rund vier Prozent der Menschen, die auf der Flucht sind, befänden sich derzeit in den 28 Mitgliedsstaaten der EU. "Wir müssen uns davor hüten, die Welt nur aus der europäischen Perspektive zu betrachten."

Auch das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" stellte seine Zahlen am Mittwoch vor. Mit Einnahmen von 254,8 Millionen Euro konnte das Hilfswerk diese im Vergleich zum Vorjahr um 14 Millionen Euro erhöhen. Die Präsidentin des Hilfswerks, Cornelia Füllkrug-Weitzel, forderte ebenfalls eine langfristige Transformation der Politik: "Wer Fluchtursachen bekämpfen will, muss unterlassen, was Menschenrechtsverletzungen und Gewalt befördert, zum Beispiel eine falsche Rüstungspolitik." Nicht nur Kriege und Konflikte seien eine Fluchtursache, sondern auch unfairer Handel und eine mangelnde Ethik der Wirtschaft.

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