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Glaube

Allein der Glaube reicht nicht

Maximiliane Koschyk
24. Februar 2019

Vier Tage lang hatten ranghohe Glaubensvertreter im Vatikan über den jahrelangen Missbrauch in der Katholischen Kirche gesprochen. Die Einsichten der Kleriker reichen den Opfern nicht. Von Maximiliane Koschyk, Rom.

Vatikan: Missbrauchsgipfel in der Sala Regia im Apostolischen Palast
Bild: picture-alliance/AP Photo/G. Lami

"Die weltweite Verbreitung dieses Übels schmälert nicht seine Abscheulichkeit innerhalb der Kirche" - Erkenntnis ist der erste Schritt, machte Papst Franziskus deutlich, als er nach vier Tagen intensiver Diskussionen abschließend ans Rednerpult trat. Das Oberhaupt der Katholischen Kirche zog Bilanz der Gespräche im Vatikan über einen globalen Missbrauchsskandal, der nicht nur seine Glaubensgemeinschaft erschüttert hat.

Gemeinsam mit den Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen weltweit sowie Verantwortlichen der Ordensgemeinschaften und rund 70 Fachleute hatte Franziskus beraten.

"Es gab Zeiten, da haben wir die Opfer als unsere Feinde betrachtet", sagte der australische Bischof Mark Coleridge in seiner Predigt im Abschlussgottesdienst. "Wir werden dafür nicht ungestraft bleiben."

Papst Franziskus: "Abscheulichkeit innerhalb der Kirche"Bild: picture-alliance /Catholic Press Photo

Franziskus selbst war im vergangenen Jahr selbst in die Kritik geraten, als er die Missbrauchsvorwürfe gegen Kirchenleute in Chile zunächst ignorierte, die seinen Besuch in dem südamerikanischen Land Anfang 2018 überschatteten.

Machtmissbrauch der Kirche

Der Skandal legte einen strukturellen Machtmissbrauch offen, erkannte Franziskus in seiner Rede in Rom an: Eine "Ausbeutung der schwächeren Position der wehrlosen missbrauchten Person", nannte der Papst den sexuellen Missbrauch in der Kirche - und relativierte zugleich, dass es auch außerhalb der Kirche zu Übergriffen auf Kinder komme.

Das Treffen im Vatikan sollte erstmals die strukturelle Dimension der Vertuschung von Missbrauchsfällen offenlegen und Wege der Aufarbeitung und Prävention aufzeigen.

Ordensschwester Openibo: "Wir wurden Zeugen"Bild: Reuters/CTV

Zumal vielen Kirchenvertretern das Ausmaß des Problems nicht bewusst sei. "Ist es nicht besser, nicht über diese Dinge zu reden, damit es kein Misstrauen gegenüber der Kirche gibt?", habe ein Kirchenvertreter gefragt.

Es habe geholfen, dass man den Teilnehmern täglich Videos von Opfern gezeigt habe, die ihren Missbrauch schilderten, sagte die nigerianische Ordensschwester Veronica Openibo. "Wir wurden Zeugen ihrer Erfahrungen", beschrieb sie ihre Eindrücke von einem Video, in der eine Frau vom jahrelangen Missbrauch durch einen Priester und drei Zwangsabtreibungen berichtet. Das habe sie und die Anwesenden im Saal tief bewegt.

Vatikan will Straftäter-Datenbank

Der Erkenntnis sollen nun Taten folgen: Die Kirchenrechtsexpertin Linda Ghisoni plädierte vor den Kardinälen, mehr Laien einzubeziehen, wenn es darum ginge, den Klerus zur Verantwortung zu ziehen. Die Vorstellung, "nur ein Bischof kann wissen, was gut für einen Bischof ist", sei falsch, sagte die Theologin.

Der päpstliche Chefermittler für Sexualstraftaten, Erzbischof Charles Scicluna, kündigte an, dass der Vatikan künftig eine Datenbank veröffentlichen wolle. Darin sollen alle Geistlichen geführt werden, die nach Kirchenrecht für sexuellen Missbrauch an Minderjährigen bestraft wurden. Auch die Absetzung von Bischöfen soll verschärft werden, wenn diese Missbrauch vertuschen oder nicht transparent aufarbeiten.

Kardinal Marx: "Akten, die die furchtbaren Taten dokumentieren, wurden vernichtet"Bild: picture-alliance/Catholic Press

Die Erwartungen an das Treffen hätten innerhalb und außerhalb des Vatikans dennoch nicht unterschiedlicher seien können. Als spektakulär galten Eingeständnisse wie die des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx: "Akten, die die furchtbaren Taten dokumentieren und Verantwortliche hätten nennen können, wurden vernichtet oder gar nicht erst erstellt", hatte der Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz am Samstag den Konferenzteilnehmern mitgeteilt.

Kritik ernteten die vatikanischen Organisatoren dafür, dass nur die Reden, nicht aber die Diskussionen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Die Tatsache, dass drei Frauen zu den zwölf Rednern bei der Konferenz gehörten, wollte der Papst nicht als feministisch bewerten.

Eine von Opfern geforderte Null-Toleranz-Politik, die überführte Täter aus dem Klerus ausschließt, wollte die Konferenz auch nicht versprechen. "Warum ist das so schwer?", fragte Denise Buchanan aus Jamaika. Sie engagiert sich in einer internationalen Organisation, die den Missbrauch durch Kirchenvertreter beenden will: "End Clerical Abuse", kurz ECA. Verbände wie ECA hatten sich bereits zu Beginn beschwert, nicht genügend in die Veranstaltung einbezogen worden zu sein.

Proteste von Missbrauchsopfern vor dem Vatikan: Forderungen nach einer Null-Toleranz-PolitikBild: Getty Images/AFP/V. Pinto

Das Treffen in Rom habe die Chance gehabt, die Katholische Kirche nachhaltig zu verändern, darin waren sich Kirchenvertreter und Außenstehende einig. "Wir sind nicht am Ende", so Kardinal Marx unmittelbar nach dem Abschluss der Beratungen in Rom.

"So bedeutend wie die Reformation"

"Das Wichtigste ist, was jetzt passiert", sagt der Kirchenhistoriker Massimo Faggioli. Aus seiner Sicht ist der Missbrauchsskandal so bedeutend wie die Reformation: Wie damals gehe es um Korruption im Klerus, theologische Auslegungen und geopolitische Spannungen innerhalb der Weltkirche. Kurzfristig werde es neue Richtlinien, mittelfristig ein neues Verständnis von Verantwortung unter den Bischöfen geben. "Aber langfristig wird es einen tiefgehenden Kulturwandel in der Kirche geben", so Faggioli, "vor allem da, wo der Skandal noch nicht öffentlich ist."

Weitere Skandale dürfe es aber nicht geben, mahnte der Papst in seiner Abschlussrede. Jeder Missbrauch müsse aufgedeckt werden. Franziskus weiß: Ein neuer Skandal könnte dunkle Schatten auf sein Pontifikat werfen.

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