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Missbrauchsprozess in Frankreich: Wer ist Gisèle Pélicot?

25. Oktober 2024

"Kämpfen bis zum Ende": Seit dem Prozess gegen ihren Ex-Mann und Vergewaltiger ist die 71-jährige Französin Gisèle Pelicot zur Ikone im Kampf gegen sexuelle Gewalt geworden. Ein Porträt.

Gisele Pelicot betritt das Gerichtsgebäude in Avignon. Im Hintergrund Sicherheitskräfte. Sie trägt einen weißen Schaal und einen grauen Mantel. Ihre Haare sind rotbraun getönt, ein Pony bedeckt ihre Stirn
Vom Opfer zur Ikone: Gisèle Pelicot betritt das Gerichtsgebäude in Avignon: Mit einem Urteil gegen die Angeklagten wird im Dezember gerechnetBild: Christophe Simon/AFP

Sie trägt die Sonnenbrille nicht mehr. Gisèle Pelicot schaut den Menschen, die ihr applaudieren, in die Augen. Ihr direkter Blick scheint eine unausgesprochene Botschaft auszustrahlen: "Schluss mit der Demütigung. Hier im Gerichtssaal werde ich das letzte Wort haben."

Wer ist diese Frau, die mit den Sätzen "Ich will, dass Frauen keine Schande mehr verspüren. Nicht wir sollten uns schämen, sondern die Vergewaltiger", zur Ikone einer ganzen Bewegung geworden ist?

Wer ist die Frau, die seit Anfang September einen Prozess gegen ihren Ex-Mann führt, weil "dieser Herr", wie sie ihn nennt, sie zehn Jahre lang immer wieder mit Medikamenten betäubt, von fremden Männern vergewaltigen lassen und dies gefilmt hat.

Woher kommt die Kraft?

Die mittlerweile 71-jährige Französin wurde am 7. Dezember 1952 im Südwesten Deutschlands in Villingen als Tochter eines französischen Berufssoldaten geboren. Als sie neun Jahre alt war, starb ihre Mutter mit 35 an Krebs. Auch ihr Bruder Michel wurde nur 43 Jahre alt. Er starb 1971 an einem Herzinfarkt.

Wie Gisèle Pélicot andere Vergewaltigungsopfer inspiriert

03:11

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Mitten in dieser Trauerphase lernte Gisèle Pelicot 1971 ihren zukünftigen Ehemann Dominique Pelicot kennen. Das gleichaltrige Paar heiratete zwei Jahre später, im April 1973, und zog in den Pariser Vorort Villiers-sur-Marne.

Eine ganz "normale" Familie

Dort wuchsen auch ihre drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter auf. Die Eltern arbeiteten beide jahrelang beim französischen Staatskonzern Électricité de France (EDF), einem der größten Energieversorger Frankreichs.

Das Leben der fünfköpfigen Familie schien harmonisch und friedlich zu verlaufen. Gisèle Pelicot sei eine "hingebungsvolle Mutter gewesen, die ihren Mann immer an die erste Stelle setzte", verriet ihr Anwalt Antoine Camus kürzlich der französischen Presse.

Erst als die Verschuldung ihres damaligen Mannes dazu führte, dass sie um ihr eigenes Vermögen bangen musste, ließ sie sich 2004 von ihm scheiden, um sich vor den Gläubigern zu schützen. Drei Jahre später, am 11. Juli 2007, heiratete sie ihn allerdings erneut.

"Ich habe nichts verstanden"

Warum ließ sie sich erneut auf eine Ehe mit diesem Mann ein? Warum klammerte sie sich an diesen Mann, der über seine Verhältnisse lebte und das Geld, das er bei Familie und Freunden lieh, nie zurückzahlte?

Die Söhne Florian Pelicot (r.) und David Pelicot (l.) sowie die Tochter Caroline Darian sagen ebenfalls vor Gericht gegen ihren Vater aus Bild: CHRISTOPHE SIMON/AFP/Getty Images

Alle ihre Freunde hätten ihren Mann gemocht, sie sei mit diesem Mann sehr glücklich gewesen, erklärt sie vor Gericht. Und doch wisse sie heute, dass sie damals nichts verstanden habe. "Nichts".

Es wurde immer schlimmer. 2010 verstieg sich ihr Mann dazu, ihr die Schuld für seine Verbrechen zuzuschieben. Er war in einem Supermarkt festgenommen worden, nachdem er von Sicherheitsbeamten dabei beobachtet worden war, wie er mit seinem Handy heimlich unter die Röcke von drei Kundinnen filmte. Die Begründung: Seine Frau sei seit einem Monat nicht zu Hause gewesen.

"Ich hörte auf, dich Papa zu nennen"

Pelicots Tochter Caroline Darian, heute 45 Jahre alt, nannte ihren Vater im Gerichtssaal "einen der größten Sexualverbrecher der letzten 20 Jahre". In ihrem Buch mit dem Titel "Und ich hörte auf, dich Papa zu nennen", beschreibt sie, wie nicht nur ihre Mutter, sondern eine ganze Familie zerstört wurde.

Der Gang durch die sexuelle Hölle begann für Gisèle Pelicot nach dem Umzug 2013 in die Provence. Ihr Mann holte neun Jahre lang fremde Männer ins Haus im kleinen Ort Mazan. Er schaute zu und filmte, wie sie von ihnen vergewaltigt wurde, nachdem er sie ohne ihr Wissen betäubt hatte.

Der jahrelange sexuelle Missbrauch führte bei ihr zu Schlafstörungen, gynäkologischen Problemen, Gedächtnisverlust und Depressionen - auch Folgen der Medikamente, die ihr Mann ihr verabreichte. Ihr zuvor intensiver Kontakt zu ihren Kindern und Enkelkindern brach ein.

"Innerlich komplett zerstört"

Mittlerweile stehen 50 ihrer mutmaßlichen Vergewaltiger sowie ihr Ex-Mann vor Gericht. Gisèle Pelicot sagt gegen "diesen Herrn" im Gerichtssaal aus, und ihre Aussagen berühren und schockieren eine ganze Nation.

Sie erklärt, sie sei "innerlich komplett zerstört". Und sie zweifelt öffentlich daran, ob sie es schafft, diese innere Zerstörung noch zu Lebzeiten zu überwinden.

Doch der Prozess scheint alles zu ändern. Gisèle Pelicot will mit ihrer Vergangenheit brechen. Sie will über Gefühle sprechen statt still die Last des Lebens zu ertragen und aus Scham Vergewaltiger zu verschonen.

Sie will Opfern sexueller Gewalt eine Stimme geben. Ihre Rolle als Ikone der Bewegung hat sie angenommen. "Dank euch allen habe ich die Kraft, diesen Kampf bis zum Ende zu führen," sagt sie. Schafft sie es?

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