Missbrauchsskandal erreicht den Papst
13. März 2010Papst Benedikt XVI. hat in seiner Amtszeit als Erzbischof von München und Freising in einem Missbrauchsfall der Kirche eine folgenschwere Entscheidung mitgetragen. Wie die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) in ihrer Samstagsausgabe (13.03.2010) berichtet, wurde ein vorbelasteter katholischer Priester 1980 nach Bayern versetzt und wieder in eine Gemeinde geschickt. Dort verging er sich erneut an Jugendlichen. 1986 wurde der Kaplan laut Bistum wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und 4000 Mark Geldstrafe verurteilt.
Laut SZ-Bericht saß Benedikt XVI. als Erzbischof im Ordinariatsrat des Bistums, der dem Umzug des Priesters zustimmte. Der damalige Erzbischof Joseph Ratzinger habe allerdings nicht gewusst, dass der Mann wieder in eine Gemeinde gesandt wurde. 1982 wurde Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation, der höchsten und zentralen Instanz für die Interpretation und Verteidigung der katholischen Glaubenslehre, in den Vatikan abberufen.
Die Erzdiözese bestätigte den Zeitungsbericht und räumte schwere Fehler ein. Das Bistum München und Freising teilte mit, dass der frühere Generalvikar Gerhard Gruber die "volle Verantwortung" übernehme. Vatikansprecher Federico Lombardi schloss sich der Darstellung an und betonte, der heutige Papst selbst "habe mit der Sache nichts zu tun".
Am Freitag (12.03.2010) hatte sich Benedikt XVI. im Vatikan "erschüttert" über den Bericht der deutschen Bischöfe über den Missbrauchsskandal in Deutschlands Kirche gezeigt. Nach der 45-Minuten-Audienz sagte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, in Rom, Ziel müsse jetzt sein, "die Wunden der Vergangenheit zu heilen und mögliche neue Wunden zu vermeiden". Er bat die Opfer um Vergebung. Der Papst unterstütze die Bischöfe in ihrem Vorgehen. Zur Wiedergutmachung erklärte Zollitsch, die Bischöfe würden beraten, ob weitere Hilfen möglich seien. In der Aufarbeitung habe man das Vertrauen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Man sei auch dabei, mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein Gespräch zu vereinbaren. Die FDP-Politikerin hatte die Kirche scharf kritisiert.
ZdK-Präsident für Aufhebung des Zölibats
Angesichts der sich häufenden Meldungen über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche plädiert der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, für eine Aufhebung des Zölibats für Priester. Die Kirche müsse Konsequenzen struktureller Art ziehen und dabei auch überlegen, ob es kirchenspezifische Bedingungen für den Missbrauch gebe, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Dazu gehöre zweifellos eine Auseinandersetzung mit dem ganzen Thema Sexualität, angefangen vom Umgang damit bis hin zur Auswahl des kirchlichen Personals." Die Lockerung des Pflichtzölibats sei ein Weg, sagte der CSU-Politiker. Allerdings sei das Problem damit allein nicht gelöst.
Papst Benedikt XVI. hält dagegen am Zölibat fest. Die Ehelosigkeit der Priester sei ein Geschenk Gottes, das nicht dem Zeitgeist geopfert werden solle, sagte der Papst auf einer Konferenz zum Priesteramt im Vatikan. Für katholische Geistliche gilt der Zölibat seit dem zwölften Jahrhundert. Der Zölibat wird in der Debatte über dem Missbrauch als eine der Ursachen genannt.
Die meisten Deutschen haben derweil das Vertrauen in die Kirche und ihre Jugendarbeit verloren. Das ergab eine Emnid-Umfrage mit 1000 Befragten. Demnach werfen 86 Prozent der Bürger der Kirchenführung mangelnde Aufklärungsbereitschaft vor.
Autor: Manfred Böhm (dpa, rtr)
Redaktion: Marko Langer