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Mali: Mission impossible

Kersten Knipp23. November 2012

Die europäischen Außenminister erörtern eine militärische Intervention gegen Islamisten im Norden des Wüstenstaats Mali. Doch der Extremismus ist nur eines von mehreren Problemen des Landes.

Milizen der islamistischen "Ansar al-dine" in Mali, 18.6. 2012 (Foto: REUTERS)
Bild: REUTERS

Die Sahelzone ist ein riesiges Terrain. Von Senegal im afrikanischen Westen bis zum Horn von Afrika im Osten erstreckt sie sich über eine Länge von 7500 Kilometern; an ihrer schmalsten Stelle misst sie 150, an ihrer breitesten über 800 Kilometer. Die ärmste, von Dürren und Hungersnöten geplagte Region der Erde gilt über weite Teile als rechtsfreier Raum. Zumindest ein staatliches Recht ist dort kaum gültig, die Bewohner haben ihre eigenen Gesetze.

So auch im Norden Malis, der weit in die Sahelzone hineinragt. In dem wenig zugänglichen Gebiet hat sich eine ganze Reihe von Gruppen gebildet, die dem Staat aus unterschiedlichsten Gründen den Kampf ansagen. So kämpfen die Tuareg-Milizen des "Mouvement national de libération de l'Azawad" (MNLA) für die Unabhängigkeit ihrer Region; nicht wenige Angehörige der Tuareg sind im Drogen- und Waffenschmuggel engagiert - für sie die einzige Überlebensmöglichkeit überhaupt.

Land ohne Staat

In Nordmali gebe es nichts, sagte der gestürzte malische Präsident Amadou Toumani Touré der Zeitung "Le Monde diplomatique": keine Straßen, Krankenhäuser, Schulen oder Brunnen, keine Infrastruktur für das tägliche Leben. "Ein junger Mensch aus der Gegend hat keine Chance, zu heiraten oder ein gutes Leben zu führen, es sei denn, er klaut ein Auto und schließt sich den Schmugglern an." Und als wären das nicht schon genug Herausforderungen, haben auch mehrere islamistische Gruppen, allen voran Al Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM), die entlegene Region zum Rückzugsraum ausgewählt.

Auf Erkundungsreise: Außenminister WesterwelleBild: picture-alliance/dpa

Eine militärische Intervention, über die die europäischen Außen- und Verteidigungsminister am Montag (19.11.2012) in Brüssel diskutieren, kann angesichts der vielfältigen Probleme nur begrenzten Erfolg haben. Man müsse das Ziel einer solchen Operation sehr genau definieren, sagt Hans-Ulrich Klose (SPD), stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. "Geht es darum, Al Qaida im Maghreb aus der Gegend zu vertreiben? Und wenn ja: Wohin vertreiben wir sie denn?"

Spielraum für Verhandlungen

Immerhin scheint die bloße Ankündigung einer militärischen Aktion manche Extremisten anzuregen, wenn nicht ihre Ideologie, so doch ihre Strategie zu überdenken. So hat die aus radikalreligiösen Tuaregs sich rekrutierende Gruppe Ansar al-Din erklärt, fortan nicht mehr auf der Einführung der Scharia bestehen zu wollen. Geltung solle sie nur noch im Zentrum der Bewegung, der Stadt Kidal im Nordosten des Landes, haben.

Viele Malier sind für eine Intervention...Bild: Getty Images/AFP

Charlotte Heyl, Westafrika-Expertin beim Hamburger GIGA-Institut, vermutet, dass sich die Gruppe mit dieser Entscheidung wieder auf ihr eigentliches Themenfeld besinne. "Ich habe den Eindruck, die Gruppe versucht sich von der islamistischen Agenda zu trennen und sich stattdessen wieder auf den einheimischen Tuareg-Konflikt zu konzentrieren." Das eröffne Spielraum für politische Verhandlungen.

Nicht auf die USA zählen

Die Bürger des südlichen Mali stünden den einheimischen und ausländischen Islamisten skeptisch gegenüber, erläutert Heyl. Aus Gesprächen habe sie vor allem einen Eindruck mitgenommen: "Die Malier haben mir immer wieder gesagt, dass man mit Islamisten nicht verhandeln könne." Immer wieder hätten ihre Gesprächspartner ihre weltanschauliche Distanz zu den religiösen Extremisten betont. "Insofern ist es schwierig, sich Verhandlungslösungen vorzustellen vor allem mit ausländischen Islamisten."

Käme es aber zu einer Intervention, stellt sich die Frage, ob und wenn ja, in welcher Form sich die europäischen Staaten an ihr beteiligen sollten. Hans-Ulrich Klose sieht die nördlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers aus ganz grundsätzlichen Überlegungen gefordert: "Die Europäer werden sich in Zukunft um die Probleme an der europäischen Peripherie selber kümmern müssen. Oder anders formuliert: Die Amerikaner werden es nicht mehr für uns tun."

Schwer kalkulierbare Mission

Wie aber sollten sich die europäischen Staaten in einem so gewaltigen und unzugänglichen Gebiet engagieren, das sie zudem kaum kennen? Die Erfahrungen in Afghanistan haben gezeigt, wie schwer eine Intervention in einer Region ist, die dem Gegner zahllose Rückzugsmöglichkeiten bietet. Klose hält eine militärische Zurückhaltung der Europäer darum für durchaus angebracht. "Viel spricht dafür, dass es eine regionale afrikanische Aktion ist, mit logistischer Unterstützung aus Europa." Zu bedenken sei aber auch, dass sich Art und Umfang der Unterstützung im Verlauf einer Intervention auch ändern könnten. "Man darf sich aber über die Schwierigkeiten auch nicht hinwegmogeln, indem man sagt, es ist ja nur eine Ausbildungsmission. Ob das wirklich nur auf Ausbildung zu begrenzen ist, weiß ich nicht." Zuletzt hatte Bundesaußenminister Guido Westerwelle europäische Unterstützung bei einer Militärintervention ausgeschlossen und Ausbildungsmaßnahmen in Aussicht gestellt.

... aber manche sind auch dagegen.Bild: dapd

Vorbehalte gegen eigene Armee

Viele Malier, erklärt Charlotte Heyl vom GIGA-Institut, wünschten sich hingegen eine möglichst starke Beteiligung der Europäer. "Und zwar ganz einfach darum, weil sie nicht sehen, wie die malische Armee das Problem lösen sollte. Sie weisen zudem darauf hin, dass die malische Armee derzeit auch innerlich gespalten sei, mit vielen internen Konflikten zu tun habe. Und auch im Hinblick auf den Ausbildungsgrad der Armee sind sie skeptisch."

Europa ist in Mali gefordert - und steht zugleich vor einer undankbaren Aufgabe. Denn lösen lassen sich die Probleme der Sahelzone, und mit ihnen die des nördlichen Malis, immer nur punktuell. Die Region ist unkontrollierbar. Die Probleme mit religiösen Extremisten mögen sich - vielleicht - lösen lassen. Die wirtschaftlichen aber bleiben. Und mit ihnen auch die der Kriminalität.

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