Mit österreichischem Diplom zurück nach Bosnien
29. Juni 2009In der Mensa der Wiener Universität sitzt Elvira Berberovic. Die 20-jährige Bosnierin hat die ganze Woche über hart gebüffelt, doch die eigentliche Arbeit beginnt für sie erst jetzt: Am Wochenende will sie ein Studententreffen organisieren – mit anderen Bosniern. "Zum einem verlieren diese Menschen so den Bezug zu Bosnien nicht, zum anderen hat auch das Land etwas davon, weil Projekte in Bosnien implementiert werden", erklärt die Elvira.
Eine Portion Idealismus
Seit zwei Jahren studiert Elvira Jura in Wien. Sie will sich besonders für die Menschenrechte einsetzen – vor allem in Bosnien. Denn Bosnien-Herzegowina - das bedeute Korruption, Verfall der Zivilgesellschaft und der politischen Kultur, sagt sie. Elvira möchte ändern, was 15 Jahre lang keinem gelungen ist. "Natürlich ist das ein schwieriger Weg, aber wer soll es denn machen, wenn nicht wir?"
Ganz so idealistisch ist ihr Nachbar Predrag Ilic nicht. Auf dem Mensatisch vor ihm liegen BWL-Bücher. Wie fast 80 Prozent aller Studenten, die aus Bosnien nach Österreich kommen, studiert er Jura und Wirtschaftswissenschaften. Denn: "Es gibt nur Arbeit für Wirtschaftswissenschaftler und Juristen", sagt Predrag. In Bosnien gebe es keine Produktion, alles sei Fremdkapital. "Das ist nicht gut, aber das ist so." Früher sei er auch so idealistisch wie Elvira gewesen, aber jetzt wolle er nur noch einen Job finden. Er habe sich auch bei einer österreichischen Bank beworben und gefragt, ob sie ihn nicht nach Bosnien schicken könnten, erzählt Predrag. Die Bank habe zwar abgesagt, aber der junge Bosnier will es noch einmal versuchen. Denn ein solcher Job wäre ein Jackpot für ihn.
Wenige Chancen in der Krise
Doch mitten in der Finanzkrise wissen auch die österreichischen Banken nicht, wie es mit dem Geschäft in Mittel- und Osteuropa weiter gehen soll. Theoretisch könnten sich bosnische Studenten auch bei österreichischen Firmen bewerben, die keine Geschäfte mit Bosnien machen. Doch Elvira und Predrag sehen ihre Chancen dort beide bei Null. Österreichischen Firmen sei es zu mühsam, sich um Visa und Arbeitsgenehmigungen zu kümmern. Sie würden Österreicher bevorzugen, sagen sie.
Und wenn es nicht klappen sollte, haben beide Bosnier einen weiteren Plan. "Ich gehe dann zu meinem Onkel, er ist im Wirtschaftsministerium und kennt Leute", erklärt Predrag. Auch so bekomme man in Bosnien einen Job. "Auch ich habe einen Onkel in Bosnien", mischt sich Elvira ein, die angehende Menschenrechtlerin. "Aber wollten wir ursprünglich nicht genau das ändern?"
Autor: Emir Numanovic
Redaktion: Julia Kuckelkorn / Mareike Röwekamp