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Mit Achterbahnen gegen Nierensteine

Brigitte Osterath Boston
20. September 2018

Nierensteine sind richtig unangenehm. Je schneller man sie los wird, umso besser. Und manchmal braucht es dafür gar keinen medizinischen Eingriff: Zwei US-Mediziner fanden eine andere - eher ungewöhnliche - Methode.

Die Minenachterbahn "Big Thunder Mountain Railroad" in Disney World sieht aus wie ein kleiner Zug.
Nicht unbedingt spektakulär, aber schön holprig - die Big Thunder Mountain Railroad in Disney World erwies sich als äußerst wirksam gegen NierensteineBild: Getty Images/Disney Parks/P. Hiffmeyer

Die Idee stamme ursprünglich gar nicht von ihm, gibt Urologe David Wartinger offen zu. Ein Patient von ihm sei darauf gekommen: "Er erzählte mir, dass er in Disney World Achterbahn gefahren sei – und wenige Minuten nach Beendigung der Fahrt hat er einen Nierenstein ausgeschieden." Offensichtlich hat das Gewackele und Gerüttele auf der Bahn die Ablagerung in der Niere des Mannes losgeschüttelt. Er habe den Stein dann ausgepinkelt.

Allerdings: Dieser Patient hatte insgesamt drei Nierensteine, erzählt David Wartinger. Also habe der Mann sich erneut an der gleichen Achterbahn angestellt und - man glaubt es kaum! - nach der zweiten Fahrt kam auch der zweite Stein zum Vorschein. Nach der dritten Fahrt war seine Niere wieder völlig frei.

Die meisten Ärzte hätten so eine Geschichte wohl nur schmunzelnd zur Kenntnis genommen, beim Abendessen ihrer Familie erzählt und sie dann wieder vergessen. Nicht so David Wartinger und Marc Mitchell. Die beiden US-Amerikaner wollten wissen, ob eine Achterbahn tatsächlich Nierensteine lösen kann - und gingen der Frage wissenschaftlich nach.

Es muss die richtige Achterbahn sein

Die beiden Ärzte erstellten ein Modell der Niere des Patienten aus Silikon, verstopften sie mit nierensteinartigen Krümeln und füllten sie mit Urin. Dann fuhren sie mit ihrem Modell Achterbahn in Disney World in Orlando. "Die ersten zehn Fahrten haben noch Spaß gemacht", erzählt Wartinger und lacht. "Die nächsten 20 fühlten sich eher an, als wären wir in einem Autounfall gewesen." Insgesamt absolvierten die beiden Ärzte mit ihrem Modell 360 Achterbahnfahrten - wenn das mal kein Forscher-Einsatz ist!

David Wartinger hat deutlich Spaß daran, die Geschichte zu erzählen. Er bekam für seine Forschung Mitte September (13.09.2018) den Ig-Nobelpreis für Medizin, einen Spaß-Preis, der Forschungserkenntnisse auszeichnet, die einen "erst lachen und dann nachdenken lassen". Daraufhin präsentierte Wartinger seine Forschungsergebnisse am Massachusetts Institute of Technology (MIT) im US-amerikanischen Cambridge. Und enthüllte: Ja, Achterbahnen helfen wirklich gegen Nierensteine.

Dieses Modell einer Niere samt Nierensteine nahm Wartinger mit auf diverse wilde AchterbahnfahrtenBild: Rainer Dückerhoff

Allerdings: Es muss die richtige Bahn sein. So eine wie die Big Thunder Mountain Railroad in Disney World. "Auf der Achterbahnskala bekommt sie gerade mal 3 von 5 Punkten, sie ist also nicht wirklich aufregend", erzählt er. Aber es geht oft hoch und runter, wackelt viel nach links und rechts – und das ist das, was zählt. "Es muss richtig schön holprig sein", verrät Wartinger im DW-Interview. Im Tower of Terror und anderen Fahrgeschäften in Disney World hingegen "hat sich überhaupt nichts bewegt".

Wartinger hat noch einen weiteren Tipp für alle Nierenstein-Geplagten: "Je weiter hinten in der Achterbahn man sitzt, desto wirksamer gegen Nierensteine." Es lohnt sich also durchaus, etwas länger auf den richtigen Platz zu warten.

Große Pläne gescheitert

Ein Mann aus dem Publikum fragt bei der Preisverleihung, ob es Achterbahnfahrten bald auf Rezept gebe. David Wartinger bedauert aber, dass die Kosten dafür keine Versicherung trage.

Inzwischen ist David Wartinger im Ruhestand – "was aber nichts mit dieser Studie zu tun hat", versichert er dem Publikum. Noch immer bedauert er offensichtlich, dass es ihm nicht gelungen ist, eine klinische Studie auf die Beine zu stellen. Es scheiterte am Nicht-Einverständnis der Freizeitparks. "Ich habe alle möglichen Freizeitparks kontaktiert, aber sie alle haben sehr freundlich abgelehnt", erzählt Wartinger der DW. Kein Park wollte die Forscher mit ihrem Ultraschallgerät und ihren Probanden im Park haben.

Es muss also jeder Nierensteinpatient für sich selbst ausprobieren, ob eine Achterbahnfahrt ihm hilft, oder zwei oder drei. "Wenn ich einen Nierenstein hätte, würde ich es zumindest versuchen", verrät Wartinger im DW-Interview. Gerade kleine Nierensteine lassen sich noch relativ leicht ausscheiden. Sind sie erst mal größer, müssen sie endoskopisch zertrümmert und entfernt werden.

 

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