Mit Antiken-Pass gegen Kunstmafia
3. Juni 2003Ende Mai einigten sich rund 260 Archäologen, Museumsdirektoren und Vertreter von Antikenbehörden in einer "Berliner Resolution 2003" auf den "Antiken-Pass". Er soll über den Ort und den Zeitpunkt von Grabungen informieren, eine Exporterlaubnis enthalten sowie Angaben über frühere und gegenwärtige Besitzer des Kunstobjekts geben.
Die Zeit drängt. Der kriminelle Alltag im Geschäft mit antiken Kunstwerken ist dramatisch genug. Und das nicht erst seit dem gerade beendeten Golfkrieg. Seit 1991 schon wird im Irak heftig geplündert, ohne dass dies große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden hätte. Archäologen in Afrika, Südamerika, im Vorderen Orient oder in Mittelasien graben oft unter Lebensgefahr, müssen sich gegen bewaffnete Banden zur Wehr setzen, die die Kunstschätze zu Geld machen wollen.
Platz drei der organisierten Kriminalität
Aber auch in europäischen Ländern wird geplündert und verkauft, was das Zeug hält. Ganze Scharen von selbst ernannten Schatzsuchern stehlen ungeniert und massenhaft, was in Boden und Wasser zu finden ist, um es profitabel zu versetzen. Den Schaden haben alle, die sich für die Vergangenheit und für andere Kulturen interessieren, nicht nur Wissenschaftler. Denn eine Statue mit der Beschriftung "Herkunftsort unbekannt" bleibt möglicherweise ein schönes, doch eben auch ein stummes Zeugnis. Und es ist noch nicht allzu lange her, dass sich auch Museen zu Komplizen des Diebstahls und des Raubbaus machten, indem sie Fundstücke kauften, ohne nach der Herkunft zu fragen.
Deshalb suchen Archäologen und Museumsdirektoren nach Strategien, um dem illegalen Antikentransfer ein Ende zu setzen. Ein mühseliges, heikles, langwieriges Unterfangen. Der Antikenhandel liegt, was das Umsatzvolumen betrifft, auf Platz drei der weltweiten organisierten Kriminalität - nach dem Waffen- und dem Drogengeschäft, und vor der internationalen Prostitution. Was also tun?
Der Handel sträubt sich
Wichtig sei, dass die Bevölkerung und auch die Kunstsammler wissen, dass sie einen kompletten Herkunftsnachweis brauchen, wenn sie in einen Laden gehen und eine Antike erwerben möchten, meint Wolf-Dieter Heilmeyer, Direktor der Antikensammlung der Staatlichen Museen in Berlin. Irgendwann, so die Hoffnung, werde dieser Sog von den antikenreichen, aber oft ökonomisch sehr armen Länder in die Sammlerländer dann sehr viel geringer werden.
Ein Herkunftsnachweis, gleich dem Fahrzeugbrief, ohne den ein Automobil den Besitzer nicht wechseln kann - das war ganz und gar nicht nach dem Geschmack von Antiquitäten- und Kunsthändlern. Ist das verwunderlich? Eigentlich nicht, wenn man beispielsweise daran denkt, dass das renommierte Londoner Auktionshaus Christie's erst vor wenigen Tagen über 100 Stücke mesopotamischer, also irakischer Herkunft unter den Hammer gebracht hat, ohne sich daran zu stören, dass es für die Stücke keinerlei Herkunftsnachweis gab.
Schutz des Kulturerbes
Um den Antikentransfer zu stoppen stehen aber alle in der Pflicht. Für den Ethiker Wolfgang Frühwald ist ein gemeinsam aufzustellender Ehrenkodex für Archäologen ein Muss, um einen Selbstreinigungsprozess einzuleiten. Zum anderen soll an die Stelle mörderischer Konkurrenz zwischen den großen Museen mehr Kooperation entstehen. Einige Einrichtungen in Italien und Deutschland haben bereits erfreuliche, feste Bande geknüpft. So sind inzwischen gegenseitige langfristige Leihgaben und spektakuläre Dauerausstellungen von Antikensammlungen möglich.
In der nun verabschiedeten "Berliner Resolution" werden alle Länder aufgefordert, die UNESCO-Resolution der Vereinten Nationen zum Schutz des Kulturerbes von 1970 zu ratifizieren. Ein Erfolg freut Heilmeyer von der Berliner Antikensammlung, der auf die Politik der kleinen Schritte setzt, ganz besonders: Mitte Mai hat Kulturstaatsministerin Christina Weiß zugesagt, ihre Unterschrift unter das über 30 Jahre alte, nach wie vor aktuelle Schriftstück von Rom zu setzen.