Beethoven war für den Musikverlag Schott ein Glücksfall, Wagner hat Nerven und Geld gekostet. Bis heute pflegt Schott Music seine zeitgenössischen Komponisten, die immer öfter aus dem Ausland kommen.
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Zeitgeschichte in Noten: 250 Jahre Schott-Verlag
Die ältesten Musikverlage kommen aus Deutschland. Schott Music feiert in diesem Jahr sein 250-jähriges Bestehen. Bei dem Marktriesen treffen Tradition und Moderne aufeinander.
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Aus "B. Schott's Söhne" wurde "Schott Music"
Seit 2006 heißt der Schott-Musikverlag international "Schott Music Group". Schott gehört zu den weltweit führenden Musik- und Medienverlagen. Gegründet wurde der Verlag 1770 von dem Notenstecher Bernhard Schott in Mainz, wo sich noch heute die Firmenzentrale in einem denkmalgeschützten Gebäude von 1792 befindet. Gefeiert wird das 250. Firmenjubiläum allerdings wegen Corona nicht öffentlich.
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Beethovens "Neunte Sinfonie"
Bernhard Schott betrieb mit seinen Söhnen zunächst eine kleine Notenstecherei und Druckerei. Seine schnelle und gute Arbeit wurde von Komponisten geschätzt. Ludwig van Beethoven war für den Verlag ein Glücksfall. Für eine Musikzeitschrift suchte Schott Autoren, die über das Musikleben schrieben. Beethoven bot zwar keinen Text an, dafür aber seine "Missa Solemnis" und später seine "Neunte".
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Noten und der gute Wein
Beethoven trank gerne ein Glas Wein. Man sagt, dass sich die letzten Worte des Komponisten auf eine Weinlieferung aus dem Hause Schott bezogen haben sollen. Beethoven bekam regelmäßig Wein von Schott aus der guten Weingegend um Mainz. Kurz vor seinem Tod soll er eine Lieferung erwartet haben. Als die endlich kam, lag Beethoven im Sterben und soll gesagt haben: "Schade, schade, zu spät."
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Das "Wagner House" in London
Der zweite lukrative Komponist in der Verlagsgeschichte war Richard Wagner. Er kam mit seiner Oper "Der Ring der Nibelungen" zum Schott-Verlag. Aus seinem Umfeld folgten bedeutende Komponisten. Im "Wagner House" in der Regent Street war die Londoner Schott-Niederlassung. Sie wurde offiziell die Musikalienhandlung ihrer Majestät Königin Victoria und der britischen Königsfamilie.
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Wagner kostete Geld und Nerven
Wagner war allerdings ständig in Geldnot. Er forderte Unsummen im Voraus für seine Opern-Werke. Der Karikaturist in der Verlegerfamilie, der junge Willy Strecker, hielt das in einer Karikatur fest unter dem Titel "Je dicker die Werke, desto dünner wird der Strecker". Die Komponisten und Werke werden dicker, während Ludwig Strecker sich - nomen est omen - für das Geld lang strecken muss.
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Schott wird international
"Per mare et terras" (dt. Zu Meer und zu Lande) war der Wahlspruch Schotts, der 1885 auf die Internationalität des Verlags anspielte und sie zum Programm erhob. Schott brachte später in den 1980ern nicht nur die Musik deutscher Komponisten ins Ausland, sondern brannte auch außereuropäische Raritäten, Musik, die traditionell nicht in Noten erfasst wurde, auf CD.
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Der Wurnuga-Walzer
Schon 1840 hatte Schott Büros in Sydney und Melbourne eröffnet. Eine der wenigen Schott-Sydney-Publikationen ist der Wurnuga-Walzer. Wurnuga heißt in der Sprache der Aborigines "Pardon". Auch heute noch holt der Verlag traditionelle Kunstmusik aus anderen Kulturen nach Deutschland. Etwa die Kunstmusik asiatischer Komponisten, die kaum auf den Konzertprogrammen westlicher Länder zu finden ist.
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Ein Soldatenliederbuch für die Nazis
Der Schott-Verlag hat sich immer um seine zeitgenössischen Komponisten gekümmert. Im Nationalsozialismus war das schwierig. Man hat zwar versucht Komponisten, die verboten wurden und ins Exil gingen, zu unterstützen, gleichzeitig brachte der Verlag aber für die Nazis ein Soldatenliederbuch heraus. "Ein Tiefpunkt in der Verlagsgeschichte", heißt es in der Verlagschronik.
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Zerstörung im Zweiten Weltkrieg
Große Einbrüche gab es in Verlagsgeschichte immer dann, wenn Wirtschaftskrisen oder Kriege das Geschäft zum Erliegen brachten. In Krisenzeiten, wie auch jetzt in der Coronakrise, haben die Menschen andere Sorgen, als Noten zu kaufen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Verlagsgebäude in Mainz bis auf den ersten Stock zerstört. Noch heute kann man die Spuren der Brandbomben auf den Bodendielen sehen.
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Hindemith war langjähriger Schott-Komponist
Paul Hindemith hatte Deutschland wegen der Nationalsozialisten verlassen. Ebenso mussten jüdische Komponisten vor den Nazis fliehen. Mit Hilfe der Gelder aus der Stiftung seiner Großmutter, Maria Strecker-Daelen, konnte Verlagsleiter Peter Hanser-Strecker Partituren von diesen Komponisten neu herausbringen. "Das war ein Versuch, dieses schreckliche Unrecht wieder gut zu machen", sagt er.
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Chancen der Digitalisierung erkannt
Peter Hanser-Strecker hat den Verlag nicht nur musikalisch, sondern auch technisch voran getrieben, vom Offsetdruck bis zum digitalen Notensatz. Mit dem Programm "Score" hält die EDV Ende der 1980er Jahre Einzug in den Notensatz. Später hat Schott als erster Verlag den digitalen Notensatz eingeführt und war nach eigenen Angaben der erste Verlag mit einem Musik-Webshop.
Bild: Schott Söhne
Schwer zu entziffern: Beethovens Notenschrift
Der Druck der Noten ist für einen Verlag kein Problem. Schwieriger ist die Herstellung, die Übertragung der Handschrift des Komponisten in eine digitale Datei. 90 Prozent der Komponisten bei Schott schreiben ihre Werke immer noch mit der Hand. Selbst großformatige Opern werden auf diese Weise notiert. Dieser große, auch finanzielle Aufwand, hat sich nicht geändert und wird immer noch betrieben.
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Komponist und Familienfreund Carl Orff
Carl Orff verlegte bei Schott nicht nur sein musikpädagogisches Schulwerk, sondern auch seine berühmte "Carmina Burana". Verlagsleiter Peter Hanser-Strecker war ein guter Freund: "Es war meistens so, dass Orff morgens gegen halb sieben anrief und da hat er immer gefragt, 'schläfst du noch', und dann ging es los. Morgens eine Stunde Kolloquium mit ihm, das war faszinierend."
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Das Schott-Archiv ist geschütztes Kulturgut
Bis 2014 lagerten die Notenschätze vergangener Zeiten im Keller des Verlagsgebäudes in Mainz. Als Schott anfing, wertvolle Werke in London zu versteigern, deklarierte die Bundesregierung die Noten als "unveräußerbares deutsches Kulturgut". Letztendlich verkaufte der Verlag die Noten an die Kulturstiftungen der Länder. Mit dem Geld fördert die Strecker-Stiftung heute die Musikausbildung.
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"Der Verlag der Verlage", so wird "Schott Music" auch genannt, und darauf ist Verlagsleiter Peter Hanser-Strecker stolz. "Im Jubiläumsjahr freuen wir uns darüber, dass mittlerweile 50 - teils schon im 19. Jahrhundert gegründete - Verlage zur Schott-Gruppe gehören und hier mit ihren Werken eine neue verlegerische Heimat gefunden haben." Schott Music ist der führende Musik- und Musikbuchverlag in Deutschland mit internationalen Tochterfirmen weltweit.
Über 400 Musikverlage gehören zum Deutschen Musikverleger-Verband (DMV), rund 130 widmen sich der sogenannten klassischen oder "ernsten" Musik. Darunter ist auch der älteste Musikverlag der Welt, Breitkopf & Härtel, der schon Johann Sebastian Bach unter Vertrag hatte. "Von daher verfügt Deutschland international gesehen über die traditionsreichste Musikverlagskultur", sagt Birgit Böcher, Geschäftsführerin des DMV. "Auch heute zählen deutsche Musikverlage zu den international anerkanntesten, wenn es um das Papiergeschäft geht".
Beethoven, ein Glücksfall
Der Schott-Verlag, der 1770 von dem Notenstecher und Klarinettisten Bernhard Schott gegründet wurde, gehört zu den traditionsreichen Verlagen der Branche und ist in sechster Generation in Familienbesitz. Seinen großen Durchbruch Anfang des 19. Jahrhunderts verdankt der Verlag Ludwig van Beethoven, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr ebenfalls gefeiert wird. Bei Schott ließ der weltberühmte Komponist seine "Missa Solemnis" und vor allen Dingen seine "Neunte Sinfonie" verlegen.
"Wir waren der 32. und letzte Verleger von Beethoven", erzählt Unternehmenssprecherin Christiane Albiez im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Er war ein schwieriger Verhandlungspartner. Und ein Stück wie die 'Neunte Sinfonie' - in einem solchen sinfonischen Ausmaß und dann auch noch gesungen - zu verlegen war sicher auch ein Risiko." Damals habe man noch nicht absehen können, welch ein Quantensprung diese Sinfonie gewesen sei.
Internationalität ist Programm
Schon früh ließ sich der Schott-Verlag auch im Ausland nieder. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es Filialen in Brüssel, Paris und London, 1840 öffnete der Verlag Büros in Sydney und Melbourne. Heute agiert Schott auf den wichtigsten internationalen Märkten mit Niederlassungen, etwa in London, Madrid, New York, Tokio und Peking. "Die Internationalisierung, das war für mich eines der wichtigsten Themen", erzählt Peter Hanser-Strecker, der seit über 45 Jahren in der Geschäftsleitung des Verlags ist. "Als ich im Verlag in leitender Position war, habe ich als erstes in New York und in Tokio zwei Niederlassungen aufgemacht."
Wie in Japan, so wird auch in China klassische Musik westlicher Prägung sehr geschätzt. Für das Büro in Peking ebnete Beethoven den Weg. "Da wir die 'Neunte Sinfonie' neu verlegt haben und die Komponisten in China das erfahren haben, haben sie gesagt: 'In dem Verlag wollen wir auch verlegt werden.' Das hat es uns leichter gemacht, und insofern sind wir da sehr glücklich", sagt Hanser-Strecker.
Weltweit beschäftigt Schott Music rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 30 in den internationalen Büros. "Mit unseren verschiedenen Büros im Ausland versuchen wir die musikalischen Stimmen anderer Gesellschaften und Kulturen kennenzulernen und in unser Portfolio zu integrieren. Das spielt auch heute noch in unserer Firmenphilosophie eine wichtige Rolle", sagt Christiane Albiez, die in der Geschäftsleitung unter anderem für Aufführungsrecht und Lizenzen zuständig ist.
Kein Verlag ohne seine Komponisten
Seit seiner Gründung hat der Schott-Verlag mit zeitgenössischen Komponisten gearbeitet, auch das ist bis heute so geblieben. "Die Erfolgsgeschichte eines Verlages bemisst sich immer an den Erfolgen seiner Komponisten", sagt Chistiane Albiez. Ohne die Komponisten, für die wir arbeiten durften, wäre eine solche Erfolgsgeschichte über 250 Jahre überhaupt nicht denkbar gewesen."
Einer, der am meisten zum Erfolg von Schott beigetragen hat, war Richard Wagner. "Wagner hat den Schott-Verlag vor bis dahin unbekannte Herausforderungen gestellt. Er wollte einen Vorschuss auf noch nicht geschriebene und nicht einmal konzipierte Werke für ein noch nicht gebautes Opernhaus, nämlich Bayreuth", sagt Albiez. Vom Verlag habe er Geldsummen verlangt, die bis dahin völlig unvorstellbar gewesen seien. Doch der Erfolg gab ihm Recht und ließ auch beim Schott-Verlag die Kassen klingeln. Wagner blieb dem Verlag sein Leben lang treu und ließ sein gesamtes kompositorisches Werk bei Schott verlegen.
Unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts waren unter anderen Paul Hindemith und Carl Orff prägend. Schott hat Orffs gesamtes Schulwerk verlegt. Mittlerweile ist seine Anleitung zu einem spielerischen Umgang mit Instrumenten weltweit in 36 Sprachen übersetzt. "Das ist eine der wichtigsten Schülerpädagogiken, die wir haben und auch weiter betreiben", sagt Hanser-Strecker. Gerade gäbe es Gespräche, diese Pädagogik auch an den Schulen in China einzuführen. "Viele Institutionen haben dort bereits im Sinne von Orff etwas aufgebaut, ohne dass es eigentlich Orff ist."
Jubiläum in Corona-Zeiten
Neben Spiel- und Unterrichtsliteratur, Urtextausgaben, Konzert- und Opernliteratur vertreibt der Verlag auch Musikbücher, Fachzeitschriften und Tonträger und deckt mit E-Books und Apps alle Bereiche des Musiklebens ab.
Die Musikerziehung liegt Verlagsleiter Peter Hanser-Strecker dabei besonders am Herzen. "Das war für mich mein ganzes Leben lang ein wichtiges Thema, dass wir an der Quelle anfangen müssen, das Publikum, die zukünftigen Hörer und die Musiker gut ausbilden."
Die hauseigene Strecker-Stiftung macht sich besonders für die Musikerziehung stark und will gerade Kindern aus sozial schwächeren Familien im wahrsten Sinne des Wortes eine Stimme geben. "Das Singen ist gerade für Kinder aus Migrationsfamilien eine wunderbare Möglichkeit, ihre eigenen Lieder mitzubringen und ihre eigene Identität zu zeigen. Das fördert das gegenseitige Verständnis und den Zusammenhalt in der Klasse", ist Peter Hanser-Strecker überzeugt. Das entsprechende Projekt "Singen ist Klasse" will der Verlag im Jubiläumsjahr mit 250.000 Euro unterstützen.
Doch auch Schott wurde von der Corona-Krise hart getroffen. "Bei uns, wie auch bei anderen Musikverlagen, gab es durch Corona einen niemals vorhersehbaren Einbruch der Einnahmen. Wir können uns im Moment noch nicht vorstellen, wie wir das auffangen sollen", sagt Christiane Albiez. Anlässlich des Jubiläums hat der Verlag immerhin Entdeckungen aus dem Notenarchiv neu editiert, in der Reihe "Joy of Music". Außerdem erscheint in Kürze das Buch "Die Schott Music Group: 250 Jahre Verlagsgeschichte". Die Feierlichkeiten sind allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben oder müssen sogar ganz ausfallen, sagt Christiane Albiez. "Für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist das eine herbe Enttäuschung."