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Literatur

Die Buchbranche kämpft für die Meinungsfreiheit

Sabine Peschel
10. Oktober 2017

Kurz vor Eröffnung der Frankfurter Buchmesse vergewissert sich die Buchbranche ihrer stabilisierenden Rolle: Nicht nur am Markt, sondern vor allem in einer immer unsicherer werdenden Welt.

Deutschland Eröffnungs-PK Frankfurter Buchmesse 2017
Markus Dohle, Vorstandsvorsitzender von Penguin Random House, während der EröffnungspressekonferenzBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Es sind keine neuen, aber immer wieder aktuelle Themen, die die weltgrößte Buchmesse in den nächsten Tagen beschäftigen werden. Die Frankfurter Messe ist ein Kind des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, und natürlich steht der Handel mit Büchern und Lizenzen im Vordergrund. Diese Verkäufe finden oft schon im Vorfeld der Messe statt und werden wenig zum Thema gemacht. Warum auch? Läuft, könnte man die Lage der Branche salopp zusammenfassen.

Wenige Stunden ehe Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron gemeinsam die 69. Frankfurter Buchmesse eröffnen werden, zeichnete Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, ein dynamisches Bild sowohl des traditionellen Buchmarkts wie auch der neuen Handelsformen. Der Buchverkauf ist stabil, gleichbleibend auf hohem Niveau. Neue Formate wie Audio-Streamingdienste und Verfilmungen erweitern die Absatzmöglichkeiten. Der Anteil der nicht mehr ganz so neuen E-Books hat sich bei 4,5 Prozent eingependelt. Die Buchbranche hat sich schon seit Jahren innovationsfreudig auf die Digitalisierung eingestellt und nutzt sie, um ihren Absatz zu steigern. Starke Bestseller bereichern das Geschäft, egal ob online oder im Buchladen um die Ecke. "Das Buch ist fest in der Gesellschaft verankert", konstatierte Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins, kurz vor der Eröffnung. "Es herrscht keine Spur von Untergangsstimmung."

Heinrich Riethmüller, Markus Dohle und Juergen Boos während der AuftaktpressekonferenzBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Klare Forderungen an die Politik gegen die Aushebelung des Urheberrechts

Sorgen machen Riethmüller und den Verlagen allenfalls die jüngsten Entwicklungen im Urheberrecht. "Alle Änderungen der letzten Monate gehen zulasten der Verlage und damit von Qualität und Vielfalt." Vor allem das Wissenschaftsurheberrecht habe einen schweren Schlag erlitten. Seitdem schon in Kindergärten, für Schulen oder Universitäten Bildungs- und wissenschaftliche Materialien portionsweise frei zugänglich kopiert werden dürften, sei der wissenschaftliche Publikationsmarkt und das Lizenzgeschäft der Verlage auf Dauer unrentabel geworden. Der Börsenverein richtet klare Forderungen an die zukünftige Regierung, dringend andere Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine "lebendige und vielfältige Verlagslandschaft" zu erhalten. Einer der Vorschläge dafür ist eine zentrale Online-Lizenzierungs-Plattform.

Gefahr droht der Buchbranche und ihrem gesellschaftlichen Auftrag durch die Einschränkung der Meinungsfreiheit in vielen Teilen der Welt. "Die Menschenrechte werden an so vielen Orten mit Füßen getreten. Die Politik darf sie nicht zum Verhandlungsgegenstand machen", sagte Riethmüller. Die Frankfurter Buchmesse versteht sich mehr denn je als ein Forum, auf dem das Weltgeschehen reflektiert wird und Autoren und politische Aktivisten eine Bühne für ihr Anliegen finden.

Diskutieren gegen Hetze und Angst, für mehr Vertiefung und Leidenschaft

Buchmessendirektor Juergen Boos plädiert für eine Versachlichung der Diskussion, für weniger Hektik und mehr Vertiefung, fordert gleichzeitig aber auch mehr Leidenschaft und Engagement. "Wir liberal-demokratisch gesinnten Büchermenschen müssen in Zeiten, in denen giftige Narrative Hochkonjunktur haben und die Verbreitung von Angst und Hass wieder gesellschaftsfähig wird, mit attraktiveren Gegenentwürfen antworten," sagte er auf der Eröffnungspressekonferenz. "Die Frankfurter Buchmesse bringt Menschen zusammen, die eine Vielzahl von unterschiedlichen Meinungen vertreten. Sie ist deshalb bestens dazu geeignet, leidenschaftliche Diskussionen und Auseinandersetzungen zu beherbergen."

Flagge für eine offene und tolerante Gesellschaft will die Buchmesse auch in der Diskussion um die Präsenz rechtsextremer Verlage auf der Messe zeigen. Es gebe keine rechtliche Handhabe, Verlage wie Antaios auszuschließen, man habe das juristisch geprüft. Aber noch mehr wolle man das auch nicht, anders als die Buchmesse im schwedischen Göteborg, die rechtsextreme Verlage verbannte und ihnen durch die folgende Diskussion eine enorme Aufmerksamkeit verschaffte. "Eine Idee verschwindet nicht, indem man sie verbietet." Das habe man vor Jahren in Bezug auf die Verfolgung Salman Rushdies gesagt, und das gelte auch in andere Richtungen. "Anthropologische Weite", ein Begriff des Soziologen Heinz Budde, sei die Voraussetzung für eine Gesellschaft mit einer offenen Zukunft.

Neue internationale Herausforderungen

Im Blickpunkt der Messe: die Titel des Gastlands Frankreich - zum Beispiel Virginie Despentes' dreibändiger Roman "Vernon Subutex"Bild: DW/S. Peschel

Der Buchbranche geht es sogar so gut wie nie zuvor, wenn man Markus Dohle glaubt. Der Vorstandsvorsitzende des multinationalen Verlagskonzerns Penguin Random House blickte als Gastredner auf der Eröffnungspressekonferenz vor allem auf die internationalen Entwicklungen in der Branche. Seit dem Start der digitalen Transformation der Medienindustrie vor etwa 15 Jahren seien die Buchmärkte in den meisten Ländern langsam, aber kontinuierlich gewachsen. Die fundamentale Herausforderung der digitalen Transformation bestehe für die Verlagsbranche darin, neue Wege zu Leserinnen und Lesern zu finden. Kommuniziert werden muss nicht mehr nur zwischen Verlag und Buchhandlung, sondern direkt vom Verlag zum Leser. "Die Entwicklung und das Wachstum von E-Commerce für Bücher aller Formate erfordert ein verändertes Buchmarketing und die Fähigkeit, Nachfrage für unsere Bücher direkt und skaliert zu erzeugen", so Dohle.

Penguin Random House investiere jährlich 7,5 Millionen US-Dollar "in das Erzählen von Geschichten". Der Leiter der größten Publikumsverlagsgruppe der Welt mit mehr als 250 Verlagen auf fünf Kontinenten ist optimistisch, dass sich das auch weiterhin lohnen wird. Als seine Zeugin zitiert er Margaret Atwood, die diesjährige Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels: "You're never going to kill storytelling" - Das Geschichtenerzählen kann nicht abgetötet werden, denn wenn die Sprache am Ende ist, droht nur noch Krieg: "War happens when language fails."

Die Stars der Buchbranche kommen zuhauf

Margaret Atwood bekommt den Preis am Sonntag, 15.10., verliehen. Außer ihr haben die Verlage und andere Veranstaltungsforen viele Stars und Blaublüter des Buchgeschehens für die Messe angekündigt: Robert Menasse wird gefragt sein als frisch gekrönter Buchpreisträger, Dan Brown wird seinen neuen Krimi vorstellen, Ken Follet gibt eine eigene Pressekonferenz. Arundhati Roy und Salman Rushdie werden lesen und diskutieren, auch Can Dündar und Asli Erdogan stellen sich der Öffentlichkeit. Das Gastland Frankreich und die Frankophonie ist mit Michel Houellebecq, seiner Nachfolgerin Virginie Despentes und vielen anderen bekannten französischsprachigen Autoren vertreten. Daniel Kehlmann gehört wie Paul Maar und der Bestseller-Philosoph Richard David Precht zu den deutschen Autoren, die ihr Werk präsentieren, Die Liste der angekündigten Buchprominenz wird von Jahr zu Jahr länger.

Beim größten Treffen der internationalen Buch- und Medienbranche werden in diesem Jahr rund 7300 Aussteller aus 106 Ländern erwartet - das ist eine weitere leichte Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Über 4000 Veranstaltungen sind für die erwarteten knapp 280.000 Besucher und rund 10.000 akkreditierten Journalisten geöffnet. Die Messe ist darüber hinaus ein branchenübergreifender Treffpunkt für Player aus der Filmwirtschaft und der Gamesbranche.

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