1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikEuropa

Mit dem Drogenkonsum in der EU wächst die Drogenkriminalität

Priyanka Shankar
16. Juni 2023

Das Rauschgiftangebot wird in der EU größer und vielfältiger. Damit steigen auch die Gesundheitsrisiken. Und im Zusammenhang mit der Drogenkriminalität gibt es immer mehr Gewalt.

Symbolbild | Drogenkonsum
Bild: Esben Hansen/PantherMedia/IMAGO

Die Verfügbarkeit illegaler Drogen ist in der EU nach wie vor hoch, wie die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) feststellt. Für die Drogenbekämpfungs- und Gesundheitspolitik der Europäischen Union (EU) ist das eine Herausforderung.

In einem ausführlichen Bericht legt die in Portugal ansässige EBDD dar, dass Menschen innerhalb der EU einem breiter werdenden Angebot psychoaktiver Substanzen ausgesetzt sind. Demnach stieg die Menge der in der EU beschlagnahmten Drogen von 2011 bis 2021 deutlich, insbesondere bei Kokain (416 %), Cannabiskraut (260 %), Methamphetamin (135 %), Heroin (126 %), MDMA (Ecstasy) (123 %), Cannabisharz (77 %) und Amphetaminen (42 %).

Obgleich innerhalb der EU eine Nachfrage nach diesen Rauschgiften bestehe, stellt der Bericht fest, sei es "wahrscheinlich, dass der Anstieg der beschlagnahmten Mengen, zumindest in Teilen, darauf zurückzuführen ist, dass Europa eine größere Rolle bei der Produktion, dem Export und dem Transit dieser Rauschgifte spielt".

"Nahezu alles, was über psychoaktive Eigenschaften verfügt, kann auf dem Drogenmarkt auftauchen, oft mit falschem Etikett oder in Gemischen. Illegale Drogen können deshalb Auswirkungen auf jeden haben, sei es direkt durch den Konsum oder indirekt, durch ihre Auswirkungen auf Familien, Gemeinschaften, Institutionen und Unternehmen", sagt EBDD-Direktor Alexis Goosdeel.

Kisten mit Kokain schwimmen in der sizilianischen Meerenge vor CataniaBild: Italian Financial Police/AP Photo/picture alliance

Die Drogensituation sei sehr komplex und entwickle sich ständig weiter, erklären Teodora Groshkova, leitende wissenschaftliche Analystin bei der EBDD, und Gregorio Planchuelo, Verantwortlicher für die Entwicklung des Datenbankmanagements bei der EBDD, in einer gemeinsamen schriftlichen Antwort auf eine Anfrage der DW. "Während West- und Südeuropa die Hauptmärkte für Kokain bleiben, gibt es Anzeichen, dass es immer häufiger auch in osteuropäischen Städten konsumiert wird. Dies weist darauf hin, dass sich der Absatzmarkt für Kokain auch in anderen Regionen entwickelt. Was den Hochrisikokonsum von Opioiden betrifft, so handelt es sich bei den Ländern mit der höchsten Konsumentenzahl pro 1000 Einwohnern um Italien, Österreich, Frankreich, Griechenland, Spanien und Deutschland", schreiben sie.

"Ernstzunehmende Bedrohung"

Der EBDD-Bericht legt auch dar, wie die gestiegene Einfuhr von Drogen in die Europäische Union zu mehr drogenbedingter Gewalt führt. Am 10. Januar starb in der belgischen Hafenstadt Antwerpen ein elfjähriges Mädchen bei einer Schießerei, die vermutlich im Zusammenhang mit dem Drogenhandel stand. Am selben Tag gaben die belgischen Behörden bekannt, dass sie im Jahr 2022 eine Rekordmenge von 110 Tonnen Kokain beschlagnahmt hatten. Im Jahr zuvor waren es lediglich 91 Tonnen. Antwerpen wird auch als Kokainhauptstadt Europas bezeichnet.

Auf der anderen Seite der Grenze, in der niederländischen Hafenstadt Rotterdam, ist die Menge des abgefangenen Kokains dagegen gesunken, von 77 Tonnen im Jahr 2021 auf 52,5 Tonnen im Jahr 2022.

Den Angaben der EBDD zufolge steigt auch die Produktion von Kokain innerhalb der Europäischen Union. Im Jahr 2021 wurden 34 Kokainlabore zerstört, 2020 waren es dagegen nur 23. Kriminelle Organisationen nehmen zudem immer häufiger kleinere Häfen in anderen EU-Ländern oder in EU-Nachbarländern ins Visier, wie es weiter heißt.

"Die organisierte Drogenkriminalität stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Gesellschaft dar und ich bin zutiefst besorgt, dass die Substanzen, die heute in Europa konsumiert werden, für die Gesundheit möglicherweise noch schädlicher sind als in der Vergangenheit", sagte Ylva Johansson, Kommissarin für Inneres der Europäischen Kommission. Sie verweist auf ihre jüngsten Besuche in EU-Häfen und in Lateinamerika, die deutlich gemacht hätten, dass Menschenhändler "weiterhin Lieferketten unterwandern, Arbeiter ausbeuten und durch Gewalt und Korruption negativen Einfluss auf Gemeinden ausüben". Johansson fügte hinzu, es sei "von entscheidender Bedeutung, dass die EU bei der weltweiten Bekämpfung des Drogenhandels mit Drittländern zusammenarbeitet".

Neben Kokain werden Drogen wie Heroin und synthetische Opioide in die Europäische Union eingeführt. Der größte Teil des in Europa konsumierten Heroins stammt aus Afghanistan, wo die Taliban angekündigt haben, den Anbau von Schlafmohn zu verbieten. Angesichts der entsprechenden Auswirkungen auf das internationale Heroinangebot könnte die Nachfrage nach synthetischen Opioiden in der EU steigen, warnt der Bericht.

Neue Drogen, neue Gesundheitsrisiken

Der russische Einmarsch in die Ukraine hat auch Folgen für die Drogenrouten in die Europäische Union. Es gibt weniger Lieferungen über den Kaukasus und die Schwarzmeerregion. Der Krieg erschwert es den Behörden in den EU-Ländern und der Ukraine, Menschen, die sich einer "Opioid-Agonisten-Behandlung" unterziehen (einer Therapieform, die die langsame Freisetzung von oral verabreichtem Morphin vorsieht), weiter zu behandeln. Auch die Überwachung des Angebots und Aufkommens illegaler Drogen in der Ukraine hat sich verkompliziert, die Gesundheitsrisiken werden so erhöht. Die Zahl der Patienten mit Kokainvergiftung, die sich Kokain oder Kokain in Verbindung mit Heroin gespritzt hatten, hat sich in EU-Krankenhäusern im Jahr 2022 erhöht, so der Bericht.

In Afghanistan versucht die Taliban, den Anbau von Schlafmohn zu unterbindenBild: press office Badghis Province Police

Neue Cannabisprodukte wie Hexahydrocannabinol haben ebenfalls zu erheblichen Gesundheitsrisiken geführt. Auch der Freizeitkonsum von Ketamin, das medizinisch als Schmerzmittel verabreicht wird, hat zugenommen und zu gesundheitlichen Problemen wie Blasenschäden geführt.

Aus MDMA, allgemein bekannt als Ecstasy, hergestellte Pulver und Tabletten sowie psychedelische Drogen bergen ebenfalls Gesundheitsrisiken. Wie der Bericht feststellt, wird auch vermehrt Distickstoffoxid oder Lachgas inhaliert. Das Gas mache junge Menschen anfällig für Lungenverletzungen und in extremen Fällen für Nervenschäden.

Globalisierung und Digitalisierung seien die wichtigsten Faktoren, die das Angebot bestimmen, heißt es in der Antwort auf die DW-Anfrage. "Kriminelle Netzwerke machen sich ohne zu zögern die Ausdehnung des globalen Handels zunutze, denn dieser bietet mehr Möglichkeiten für den Transport und das Verstecken von Drogenlieferungen", schreiben Groshkova und Planchuelo. "So haben sie zum Beispiel neue Methoden für den Drogenhandel übernommen, wie die Nutzung intermodaler Transportnetze und der Luftfahrt ganz allgemein. Auch schnelle Paket- und Postzustelldienste werden für die Drogenlieferung genutzt."

Die Drogenpolitik der EU

Die EU-Länder haben begonnen, ihre Politik neu zu justieren, um die Drogenkriminalität einzudämmen und die Gesundheitsrisiken zu bekämpfen. Luxemburg, die Tschechische Republik, Malta, die Niederlande, Deutschland und die Schweiz streben neue Regelungen für den Verkauf von Cannabis an, das in einigen Ländern für Freizeitzwecke konsumiert werden darf. Die Vorschriften sehen jedoch eine strenge Überwachung der Lieferketten sowie die Verschärfung der Gesetze gegen den Drogenhandel vor.

Anfang der Woche beschloss das EU-Parlament eine Agentur, die als "Warnsystem" der EU fungieren soll. Sie soll zu diesem Zweck die Zunahme des Konsums illegaler Drogen überwachen und Gesundheits- und Sicherheitsbewertungen entwickeln.

"In diesen besonders schwierigen Zeiten, in denen die gesundheitlichen und sozialen Probleme im Zentrum unseres Handelns stehen müssen, reagiert die Europäische Union. Die heutige Abstimmung über die EU-Drogenagentur ist ein Schritt in die richtige Richtung, hin zu einem ausgewogenen, integrierten, multidisziplinärem und evidenzbasierten Ansatz angesichts des Drogenproblems, der verstärkt wird durch die aktive Einbeziehung der Zivilgesellschaft", sagte die portugiesische EU-Parlamentsabgeordnete Isabel Santos vom Block der Sozialisten und Demokraten.

Die EBDD empfahl auch, weiter in "forensische und toxikologische Informationsquellen zu investieren, die für das Verständnis der Entwicklungen auf dem Drogenmarkt und der gesundheitlichen Auswirkungen der sich verändernden Muster des Drogenkonsums unerlässlich geworden sind."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen