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Politik

Mit dem Whiskey-Girl in Saudi-Arabien

19. Mai 2017

US-Präsident Donald Trump besucht ein Land, das sich auf die Zukunft nach dem Erdöl vorbereitet. Dafür braucht es auch einen mentalen und kulturellen Wandel. Einer von Trumps Begleitern testet auf seine Art die Stimmung.

Donald Trump Mohammed bin Salman
Bild: picture alliance/dpa/M.Wilson

Vom guten Leben dürfte Toby Keith Vorstellungen haben, die womöglich nicht überall auf der Welt geteilt werden. Wenn der US-amerikanische Country-Sänger nun seinen Präsidenten Donald Trump nach Saudi-Arabien begleitet, wird er Gelegenheit haben, sich von der Popularität seiner Ideen im Land der Gastgeber einen ganz persönlichen Eindruck zu verschaffen. Vorgesehen ist nämlich ein Konzert, in dem er zusammen mit dem saudischen Sänger und Oud-Spieler Rabeh Sager auftreten wird. So könnte er in Riad auch einige seiner größten Hits zum Besten geben: "Whiskey Girl", "Get drunk and be somebody" oder "Drunk Americans".

Keith, die Titel deuten es an, ist einer der Hohepriester der amerikanischen Kultur in deren etwas handfesterer Variante. Zusammen mit Rabeh Sager, einem Meister der rasant gespielten, von leicht eingängigen Popmelodien begleiteten Oud, einer arabischen Laute, soll er dem saudischen Publikum einen schönen Abend bieten, jedenfalls dessen einer Hälfte: der männlichen. Denn die weibliche ist an diesem Abend nicht zugelassen.

Die kleinen Freiheiten der Frauen

So weit, Frauen bei Konzerten zuzulassen, mochte der saudische König Salman doch nicht gehen, als er Mitte April eine Modifikation jenes gesetzlichen Regelwerks verkündete, dem sich die weiblichen Bürger des Königreichs zu unterwerfen haben. Mit einer dieser Regeln war fortan Schluss: Wenn sie sich auf Stellen im Staatsdienst bewerben, brauchen Frauen nun keine Einwilligung eines männlichen Vormunds mehr einzureichen.

In action: Sänger Toby Keith (re., hier mit Willie Nelson)Bild: Picture alliance/AP Photo/A. Wagner/Invision/AP

Der Erlass ist ein kleiner Schritt in Richtung Modernisierung. Andere Schritte sind noch nicht getan. So müssen Frauen, wenn sie einen Reisepass beantragen, ins Ausland reisen oder im Ausland studieren wollen, wenn sie heiraten oder auf eine frühzeitige Haftentlassung drängen, weiterhin eine Einverständniserklärung ihres Vormunds - meist der Vater, Bruder oder Ehemann - vorlegen.

Kulturelle Grundlagen des Wettbewerbs

Mit Beschränkungen haben nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Khilal Kashan vom US-Thinktank Stratfor aber auch die männlichen Bürger des Königreichs zu tun, wenn auch eher mit solchen psychologischer Art. Die "Vision 2030", mit denen sich Saudi-Arabien auf die Zeit nach dem Erdöl vorbereitet, leidet nach Ansicht Hashans an einigen unzutreffenden Prämissen.

So seien viele Bürger des Landes auf eine wettbewerbsorientierte Gesellschaft, wie sie in der petrochemischen und der Gesundheitsindustrie entstehen soll, nicht hinreichend vorbereitet. "Saudi Arabien", so Kashan, "kann realistischerweise nicht darauf hoffen, in arbeitsintensiven Industrien in den globalen Wettbewerb zu treten, wenn seine Bürger sich an die höher dotierten Jobs im Öffentlichen Sektor gewöhnt haben."

Wollte das Königreich seine Wirtschaft ernsthaft modernisieren, so Kashan weitern, dann müsste es auch zu einer Modernisierung der Lebenseinstellungen kommen. Über Jahrzehnte hätten sich die Bürger an einfache und gut dotierte Jobs im öffentlichen Dienst gewöhnt, während die harte Arbeit im Privatsektor von Ausländern geleistet worden sei. Mit dieser Mentalität sei das Land nicht wettbewerbsfähig.

"Der Prinz und seine Vorgänger haben bislang immer wieder verkannt, dass die Schaffung einer Volkswirtschaft nach westlichem Muster Veränderungen verlangt, die über die Wirtschaft selbst hinausreichen", so Kashan. Darum müsse die Königsfamilie Sorge für eine entsprechende Bildung und Kultur der Bürger tragen und in diese entsprechend investieren.

Die Macht der Religion

Angemessene Kleidung, bitte: Hinweisschild in RiadBild: picture-alliance/AP Photo

Darum bleibe neben dem Erdöl der religiöse Tourismus einer der meistversprechenden Wirtschaftssektoren. Die darauf basierenden Einkünfte werden aller Voraussicht nach weiter steigen. Beliefen sich die Einkünfte aus den Pilgerfahrten des Jahres 2015 noch auf 22,6 Milliarden US-Dollar, könnten sie bis zum Jahr 2021 um weitere 10 Milliarden Dollar steigen.

Das Geschäft mit dem Glauben spiegelt nicht nur das offizielle Staatsverständnis, dem zufolge sich der König auch als "Diener der zwei Heiligtümer" - der Gründungsstätten des Islam in Mekka und Medina - sieht. Ebenso pflegen viele Bürger des Königreichs ein ausgeprägtes religiöses Sendungsbewusstsein. Ihr Anliegen ist es, den Wahhabismus - eine besonders konservative Variante des sunnitischen Islam - in andere islamische Länder zu exportieren. Das Anliegen gründet sich zwar auf das Engagement privater Akteure, wird vom Staat aber geduldet und nicht unterbunden.

"Diese Politik führte dazu, dass sich ein enges Netzwerk von Stiftungen, Moscheen, Religionsschulen und Predigern entwickelt hat, welches im Sinne der wahhabitischen Lehre überall auf der Welt tätig wird", schreibt der Islamwissenschaftler und Politologe Sebastians Sons in seinem Buch "Auf Sand gebaut. Saudi-Arabien - ein problematischer Verbündeter". "Mit staatlichen und privaten Geldern wurden vor allem auf dem Balkan, in Südasien und Afrika, aber auch in europäischen Ländern pro-wahhabitische Institutionen subventioniert und die Zielländer mit kostenlosen Koranexemplaren, Lehrmaterialien und Broschüren überschwemmt."

In Erwartung des hohen Besuchs: Straßenszene in RiadBild: Getty Images/AFP/F. Nureldine

Wein, Weib und Gesang

Zwar gibt es derzeit, anders als im Protestjahr 2011, keine explizit politischen Protestbewegungen. Stattdessen pflegt das Königreich eine Reform von oben - in dem Bewusstsein, dass abrupter Wandel die Fundamente von Staat und Gesellschaft gefährden kann. In Zeiten akuter dschihadistischer Bedrohung kann sich der Staat - und mit ihm die Königsfamilie - Schwäche nicht leisten. Menschenrechtsverletzungen nimmt es zu diesem Zweck in Kauf.

Wie weit die über die digitalen Kanäle in das Königreich eindringende westliche Subkultur mit ihren Hoheliedern auf Wein, Weib und Gesang inzwischen zumindest die männlichen Bürger des Landes erreicht hat, davon kann sich Country-Sänger Toby Keith jetzt selbst ein Bild machen. Er ist der kulturelle Botschafter, den Trump anlässlich seines Besuches in dem Golfstaat für geeignet hält.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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