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Mit Ivermectin gegen Corona?

Gudrun Heise
18. November 2021

Ivermectin ist ein Entwurmungspräparat aus der Tiermedizin. Dass es bei COVID-19 wirken könnte, ist mittlerweile widerlegt. Dennoch wird es weiter als Wundermittel angepriesen. Experten aber warnen vor Vergiftungen.

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Ivermectin ist ein Mittel zur Wurmbehandlung bei Tieren, zum Beispiel bei KühenBild: HR

Bei Vierbeinern hilft Ivermectin gegen verschiedene Parasiten und gegen Fadenwürmer. Es wird vor allem für die Behandlung von Pferden und Schafen eingesetzt. Aber gegen das Coronavirus? Experten des Robert Koch-Instituts warnen ausdrücklich vor der Einnahme des Entwurmungsmittels, da dies laut Robert Koch-Institut (RKI) zu schweren Vergiftungen führen kann.

Immer mehr Menschen landen in der Notaufnahme

Bei einigen scheinen Verzweiflung und Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus so groß, dass sie sogar eine solche Wurmkur mit Ivermectin machen. Impfgegnern spielt das in die Hände und das trotz vieler schlechter Nachrichten. In den USA rufen immer häufiger Menschen in der Notaufnahme wegen Vergiftungserscheinungen an. Sie hatten Ivermectin eingenommen, um sich entweder vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 zu schützen oder als COVID-Therapie.

Ivermectin setzen Tierärzte bei Vierbeinern gegen einen Befall mit Fadenwürmern einBild: F. Hecker/blickwinkel/picture alliance

Viele Experten warnen vor Ivermectin

Einige Studien wurden durchgeführt, um die Wirksamkeit von Ivermectin bei COVID-19 zu untersuchen. Aber solch eine Wirkung konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Laborstudien der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA beispielsweise zeigten, dass Ivermectin das Virus blockieren kann. Allerdings muss die Arznei dazu in einer sehr hohen Dosierung eingenommen werden, nach dem Motto "viel hilft viel".

Dieses "viel" kann sehr leicht aber ein "viel zu viel" sein und eben auch großen Schaden anrichten. Ein Pferd von rund 700 Kilogramm Gewicht braucht eine hohe Dosis des Arzneimittels, bei einem Menschen von etwa 70 Kilogramm könne es zu "schwerwiegender Toxizität bei unkontrollierter Anwendung“, führen, so das RKI. Weiterhin stuft das Institut das Wurmmittel als Substanz "ohne nachgewiesenen Nutzen in der Behandlung von COVID-19" ein.

Paracelsus wusste es schon im 16. Jahrhundert: "Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist."

Ursprünglich ist Ivermectin zur Wurmbehandlung bei Tieren gedachtBild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Ivermectin ist verschreibungspflichtig

Für Mensch und Tier gilt, dass einige Medikamente nur auf Rezept zu haben sind. Dazu gehört auch Ivermectin. Ein Apotheker darf auch in der Tiermedizin nicht einfach mal Arzneien über die Theke reichen. Aber es ist einfacher, an ein Entwurmungsmittel für Pferde, Kühe und Schafe zu kommen als an Arzneimittel für Menschen.

Auf das Parasitenmedikament Ivermectin gibt es seit geraumer Zeit in verschiedenen Ländern einen regelrechten Ansturm, zum Beispiel in Lateinamerika. 

Ivermectin ist ein verschreibungspflichtiges Medikament aus der TiermedizinBild: Almeida Aveledo/ZUMA Wire/picture alliance

Aber auch in Österreich ist die Tierarznei in vielen Apotheken ausverkauft. Die Warnungen scheinen von vielen noch immer ungehört. So hatte etwa der impfskeptische Chef der österreichischen rechten FPÖ, Herbert Kickl, der selbst an COVID-19 erkrankt ist, Ivermectin als Heilmittel gegen Corona angepriesen. 

In den USA, wo das Tiermedikament bei Impfgegnern sehr angesagt ist, warnte die FDA, die Food und Drug Agency, eindrucksvoll vor der Einnahme von Ivermectin. "Du bist kein Pferd, du bist keine Kuh. Ernsthaft. Hör auf."

Die Unterschiede zwischen Mensch und Pferd sind eben doch größer als beispielsweise Impfgegner glauben wollen. Das gilt nicht nur für die Dosierung von Medikamenten. Aber diese Warnung setzte die FDA schon im April über Twitter ab, offenbar ohne durchschlagenden Erfolg.

Pfizer beantragt Notfallzulassung

Unterdessen hat der US-amerikanische Pharmakonzern Pfizer in den USA eine Notfallzulassung für ein neues Corona-Medikament beantragt. Der Name: Paxlovid. Das Mittel zeigt laut Pfizer eine hohe Wirksamkeit. Es soll die Einweisung in ein Krankenhaus und die Gefahr eines schweren Verlaufs mit Todesfolge um bis zu 89 Prozent senken.

Mit solch konkreten Zahlen kann Ivermectin nicht aufwarten. So waren Wissenschaftler der Uniklinik Würzburg Anfang des Jahres zu dem Schluss gekommen, dass die aktuelle Studienlage die Verwendung des Wurmmittels Ivermectin zur Behandlung von Menschen mit COVID-19 nicht zulasse.

Die Pharmaindustrie wartet auf grünes Licht

Nicht nur Pfizer hat ein Medikament entwickelt, das vor der Zulassung steht. Auch das vom US-Pharmakonzern Merck & Co, entwickelte Molnupiravir soll bei leichten bis mittelschweren Verläufen eingesetzt werden. In Großbritannien ist dieses Mittel bereits zugelassen. Beide Arzneimittel werden vermutlich recht teuer sein. Das wesentliche billigere Ivermectin dürfte davon aber nicht profitieren. Im Februar 2021 hat der Hersteller von Ivermectin (MSD) angegeben, dass weder ein plausibler Wirkmechanismus für die Anwendung bei COVID-19 existiere, noch dass Sicherheitsdaten bei einer Anwendung vorlägen.

Viele bleiben unbeeindruckt von Warnungen

Die Debatte um Ivermectin lässt an die Idee des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump denken, der im April letzten Jahres vorgeschlagen hatte, Menschen Desinfektionsmittel gegen Corona zu spritzen.

Ein Halloween-Skelett mit einem Kanister Desinfektionsmittel in einem Vorgarten in ChicagoBild: Uwe Kraft/Imago Images

Die Absurdität dieser Idee war schnell klar. Es mag zwar Oberflächen gründlich reinigen, den menschlichen Körper von einem Virus befreien aber wohl eher nicht. Selbst die US-Gesundheitsbehörde CDC sah sich zu einer Klarstellung genötigt: "Reinigungsmittel und Desinfektionsmittel für den Haushalt können Gesundheitsprobleme verursachen, wenn sie unsachgemäß verwendet werden", warnte die Behörde. 

Und auch bei Ivermectin sind sich die Experten einig, dass eine Tierarznei gegen Wurmbefall weder als Prophylaxe gegen einen Infektion mit dem Coronavirus noch als Therapie bei einer COVID-19-Erkrankung geeignet ist.

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