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Politik

Mit gefälschten Diplomen in deutsche Krankenhäuser

Zoran Arbutina | Zdravko Ljubas | Rebecca Staudenmaier | Mehmed Smajic
4. Februar 2019

In Deutschland herrscht Personalmangel im Pflegebereich. Auf dem Balkan sind Hundertausende bereit, das Land zu verlassen, um einen Job zu finden. Wenn nötig auch mit gefälschten Diplomen.

Altenpflege Pflegekraft
Deutschland ist für viele Menschen vom Balkan das gelobte LandBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Der Bedarf nach Arbeitskräften im Pflege- und Medizinbereich ist in Deutschland sehr groß, zehntausende offene Stellen können nicht besetzt werden. "Wir erleben immer wieder Arbeitgeber in Pflegeheimen und Krankenhäusern, die froh sind, wenn auch nur irgendjemand zur Verfügung steht. Manche achten dann nicht so sehr darauf, über welche Qualifikation die Arbeitssuchenden verfügen, wichtig ist vor allem, dass die Leute ausreichend Deutsch können. Da können dann auch Automechaniker kommen, um in Krankenhäusern zu arbeiten", sagt Nikola Petrovic von der Bonner Agentur für Personalvermittlung Vispero im DW-Gespräch.

"Das erschafft einen Sog, insbesondere auf dem Balkan, denn diese Länder sind geografisch nah an Deutschland". Und wo Bedarf ist, da reagiert der Markt mit Angeboten. Allein aus Bosnien und Herzegowina sind in den letzten zehn Jahren rund 250.000 Menschen auf der Suche nach Arbeit ausgewandert, viele von ihnen nach Deutschland.

Ein Diplom ohne Ausbildung

Dass dabei die Qualität der Ausbildung eine eher untergeordnete Rolle spielt hat die investigative Journalistin Azra Omerovic vom unabhängigen bosnisch-herzegowinischen Web-Potral Žurnal.info erfahren. Sie machte den Selbstversuch. Und alles ging ganz schnell. sie brauchte rund 1.250 Euro und einen kurzen Telefonanruf um Krankenschwester zu werden.

Bosnische Pflegekräfte in Deutschland

05:07

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"Ich brauche ein Diplom, habe aus Deutschland ein Stellenangebot bekommen", sagt Omerovic in einem Video, das ihr Telefongespräch mit einem Mittelsmann zeigt. "Ich würde es Mitte Januar brauchen."

Nur 17 Tage später erhielt sie dann auch das Diplom einer technischen Schule. Damit wurde ihr eine zweijährige Krankenpflegeausbildung zertifiziert, mit guten Noten und mit allen offiziellen Siegeln. Und dabei hat sie an einem entsprechenden Unterricht nie teilgenommen - nicht eine Schulstunde.

Der Bericht von Azra Omerovic und ihrem Kollegen Avdo Avdic hat in Bosnien-Herzegowina - und auch in Westeuropa - für Aufsehen gesorgt. Insbesondere in Deutschland verursacht er Unruhe, denn vor allem hier suchen viele aus den verarmten Westbalkanländern nach Arbeit. Laut kürzlich veröffentlichten Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind allein 2016 und 2017 über 50.000 Menschen aus Bosnien-Herzegowina nach Deutschland ausgewandert.

Journalist Avdo Avdic: Man hätte auch ein Jura-Diplom kaufen könnenBild: Zurnal.info

Akuter Personalmangel

Viele in Deutschland lebende BosnierInnen haben Arbeit in Branchen gefunden, in denen ein starker Personalmangel herrscht, beispielsweise als Pfleger in Altersheimen und Krankenhäusern.

Wegen der Unterbesetzung in Pflegeeinrichtungen können viele Heimbewohner nicht adäquat versorgt werden, zurzeit sind 36.000 Stellen unbesetzt, 15.000 davon in Seniorenheimen. Noch viel größer ist der Bedarf an Pflegekräften im Rahmen der privaten häuslichen Pflege - und wird künftig weiter wachsen: Die Anzahl der Menschen, die solche Dienstleistungen in Anspruch nehmen, soll laut Prognosen bis zum Jahr 2060 von aktuell 2,86 Millionen auf 4,5 Millionen steigen.

Da es für diese Berufe auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht genug Personal gibt, sucht man nach Arbeitskräften im Ausland, vor allem in den Ländern Ost- und Südosteuropas. "Insbesondere in den Universitätskliniken herrscht großer Personalmangel im Pflegebereich", sagt Nikola Petrovic von der Agentur Vispero. Da werde dann oft fast jeder genommen, der sich meldet, auch die Menschen, die über diesen Beruf kaum was wissen. "Es wird sogar von offiziellen Stellen suggeriert, dass jeder kommen könnte." Es müsse dann niemanden wundern, dass die Menschen auch kommen.

"Echte" gefälschte Diplome

Offiziell ist das natürlich ganz anders. Vorschriftsmäßig soll Personal gut ausgebildet sein. Alle Arbeitnehmer in diesen Bereichen müssen ihre Diplome und sonstigen Qualifikationen von der Zentralstelle für ausländische Bildung (ZAB) anerkennen lassen, um in Deutschland arbeiten zu können.

Das Problem ist jedoch, dass die gefälschten Abschlüsse häufig von echten Schulen ausgestellt werden - und von solchen, deren Zeugnisse von deutschen Behörden anerkannt werden.

"Wenn Sie sich beispielsweise das Diplom ansehen, das wir erhalten haben, können Sie sehen, dass es offiziell aussieht", sagte Avdic gegenüber der DW. "Es bestätigt eindeutig, dass meine Kollegin alle Prüfungen für eine Krankenschwester bestanden hat. Darin wird aufgeführt, welche Prüfungen sie bestanden hat und bestätigt, dass sie innerhalb von zwei Jahren an allen Kursen teilgenommen hat." Das Diplom sehe nicht wie eine Fälschung aus, sagt Avdic.

Während des Bosnienkrieges zwischen 1992 und 1995 wurden die persönlichen Dokumente vieler Menschen zerstört oder gingen verloren, einschließlich Abiturzeugnissen und Universitätsdiplomen.

Lukrative Geschäfte mit gefakten Diplomen

Das führte in einer durch Armut, Perspektivlosigkeit und Korruption gezeichneten Gesellschaft zum florierenden Geschäft mit dem Verkauf gefälschter Diplome und Dokumente. Es ist seit langem ein offenes Geheimnis, dass es vielen Menschen gelang, die schulischen Zertifikate einfach zu kaufen.

Viele Patienten, wenig Personal: viele Krankenhäuser nehmen jeden, der sich meldetBild: picture-alliance/ZB/S. Kahnert

Der Bericht hat das Parlament von Bosnien-Herzegowina bereits dazu angeregt, die Diplome seiner parlamentarischen Arbeitnehmer erneut zu prüfen, berichtete der Deutschlandfunk. Das werde aber nicht reichen, meint Avdic, denn die Dokumente seien nicht an sich gefälscht - sie sind echt, bloß steht dahinter nicht die beglaubigte Leistung.

Dabei geht es nicht nur um gefakte Zeugnisse der Pfleger und der Krankenschwestern. "Wenn wir mehr Zeit für unsere Recherche hätten, und über mehr Ressourcen verfügten, hätten wir auch ein Jura-Diplom vorlegen können, ohne dass auch nur ein einziger Tag an der Fakultät verbracht und eine einzige Prüfung bestanden worden wäre", sagt Avdic.

Der Bericht hat laut Avdic auch die Schwächen des Justizsystems des Landes aufgezeigt. Laut Angaben der Journalisten von Žurnal.info gibt es auch Beweise dafür, dass im Justizsystem mehrere Personen mit gefälschten Diplomen beschäftigt sind.

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