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Mit Hoffnung gegen das Elend

Sandra Petersmann7. Dezember 2002

Die afghanische Hauptstadt im Jahr eins nach "Petersberg": Die Taliban sind gestürzt, die ehemalige Geisterstadt ist wieder zum Leben erwacht. Sandra Petersmann hat für DW-WORLD die Stimmung in Kabul eingefangen.

Lebensfreude trotz ArmutBild: AP

Die Menschen in der afghanischen Hauptstadt Kabul trauen sich wieder Musik zu hören, sie gehen wieder ins Kino, und der pulsierende Straßenhandel ist die Lebensader der Millionen-Stadt, deren Rhythmus inzwischen völlig vom chaotischen Verkehr bestimmt wird. Unvorstellbare 50.000 Taxis buhlen mit Eselskarren, Fahrrädern und verstaubten Militär-Fahrzeugen um das Recht auf Vorfahrt.

"Auf uns fällt immer nur Dreck"

Aber die neue Freiheit hat ihren Preis, und immer weniger Menschen sind in der Lage, mit den davon galoppierenden Lebenshaltungskosten Schritt zu halten. Der Unmut wächst. Zum Beispiel in einem Viertel im Südosten der Stadt, in dem die gewaltige Zerstörung sogar im Halbdunkel der beginnenden Dämmerung zu sehen ist. Zerschossene Lehmhäuser, so weit das Auge reicht.

Flüchtlinge in KabulBild: AP

Die Menschen versuchen, sich bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt an offenen Feuern zu wärmen. Frauen und Kinder kauern sich in den Ruinen unter Plastikplanen zusammen. Die unbeschreiblichen Lebensbedingungen geben Grund zu Klagen. Und die Ungeduld in der Bevölkerung wächst. "In Kabul gibt es so viele Hilfsorganisationen. Was machen die eigentlich hier?", fragt sich ein junger Passant. "Ein paar waren auch schon in unserem Viertel. Aber gemacht haben die gar nichts. Die fahren nur in ihren schicken Autos rum und gucken, und alles, was für uns zurückbleibt, ist der Staub, den ihre Reifen aufwirbeln. Auf uns fällt immer nur Dreck."

Nie wieder Krieg

Auch Lakhdar Brahimi, der Sondergesandte der Vereinten Nationen für Afghanistan, weiß, dass die Menschen in Kabul immer unruhiger werden: "Wenn Sie sich anschauen, wo wir noch vor einem Jahr waren, dann haben wir schon sehr viel erreicht. Aber wenn Sie sich anschauen, wo wir noch hin müssen, dann haben wir erst einen winzigen Teil des Weges zurückgelegt, den wir schaffen müssen." Und dabei sind die Erfolge des Wiederaufbaus in Kabul noch am sichtbarsten - jedenfalls verglichen mit den anderen Landesteilen, in denen zum Teil noch heftig gekämpft wird.

ISAF Fahrzeug in KabulBild: AP

Für Brahimi ist klar: "Es hängt jetzt sehr viel davon ab, ob die Weltgemeinschaft endlich zu den Versprechen steht, die sie gemacht hat. Afghanistan braucht nicht nur viel Geld, sondern auch Hilfe beim Aufbau einer demokratischen Zivilgesellschaft. Noch sind die kleinen demokratischen Parteien, die neu entstanden sind, den etablierten bewaffneten Kräften praktisch schutzlos ausgeliefert." Was den UN-Sondergsandten jedoch hoffnungsvoll stimmt, ist die Tatsache, dass "die Völker Afghanistans es ganz offensichtlich nicht noch einmal zulassen wollen, dass ihr Land wieder in Krieg und Gewalt abgleitet".