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Mit Hundenasen gegen Bettwanzen

Sonja Jordans
22. Juli 2018

Seit 2018 gehen am Flughafen Frankfurt Spürhunde auf die Suche nach Parasiten in Koffern und Taschen. Deutschlands größter Airport ist der weltweit einzige, der diesen Service für Privatreisende anbietet.

Bettwanze
Bild: picture-alliance/dpa

Die Reise des Trekkingrucksacks endet in einem schwarzen Plastiksack. Und noch einem. Und einem dritten. "Sicher ist sicher", sagt Larry Hansen und verzurrt das Bündel mit einem festen Knoten. Nach vielen Jahren und tausenden Kilometern trennen sich in der Ankunftshalle des Frankfurter Flughafens abrupt die Wege des Rucksacks und seiner Besitzerin. "Aber besser so, als dass man später zu Hause den Ärger hat", sagt die junge Frau und wirkt ein wenig mitgenommen.

Der "Ärger" sitzt in ihrem Gepäck, ist wenige Millimeter groß, braun, reisefreudig und fast unverwüstlich: Cimex lectularius - die Bettwanze. Wer sie einmal zu Hause hat, wird sie so schnell nicht wieder los. "Die kriechen in kleinste Ritzen", weiß Larry Hansen. "Und wenn man aus seinem befallenen Schlafzimmer nach nebenan flüchtet, vergrößert man das Problem." Denn die Wanze, sagt Hansen, folge ihrem Opfer. Da helfe nur noch der Kammerjäger.

Damit es erst gar nicht so weit kommt, gibt es Larry Hansen, Mathias Krekel, Cora und Buddy. Die Vier gehören zum Bed-Bugs-Team des Frankfurter Flughafens - und machen Jagd auf Bettwanzen. Cora und Buddy sind Suchhunde und erschnuppern winzigste Spuren der Parasiten. Dafür wurden sie monatelang ausgebildet und mussten mit ihren Haltern eine Prüfung ablegen. Seit diesem Jahr dürfen sie im Gepäck von ankommenden Passagieren nach Cimex lectularius suchen. Europas viertgrößter Airport ist der einzige weltweit, der eine solche Truppe als Angebot für Privatreisende unterhält.

Dem Bettwanzenspürhund entgeht (fast) keine WanzeBild: DW/S. Jordans

Mehr als 90 Prozent Trefferquote

Fünf Teams, vier Männer und eine Frau plus Hunde, stehen in Diensten des Betreibers Fraport und arbeiten in unterschiedlicher Besetzung von etwa halb sechs Uhr morgens bis 22 Uhr am Abend - so lange, wie am Flughafen gelandet wird. Alle drei bis vier Einsätze, so Hansen, fänden sich Wanzen im Gepäck.

Gezwungen, seine Koffer durchschnüffeln zu lassen, wird allerdings niemand. "Das ist freiwillig", sagt Hansen. Wer seine Koffer untersuchen lassen wolle, müsse sich bloß online anmelden. Drei Gepäckstücke kosten 105, jedes weitere knapp 30 Euro. "Die Hunde haben eine Trefferquote von mehr als 90 Prozent", sagt Hansen stolz. Dazu müsse der Koffer aber geöffnet sein. "Wir schauen nicht auf den Inhalt", beruhigt Mathias Krekel. "Nur darauf, ob der Hund was anzeigt." Sein Labrador Buddy vergräbt unterdessen seine Nase tief in Kleidern und Rucksack der Weltenbummlerin und zeigt bald darauf, was sein Halter meint. Die Kulturtasche ist uninteressant, der Reiseführer auch. Aber ein geblümtes Kleid hat es ihm angetan. Buddy nimmt noch mal eine Nase voll - und legt sich hin. "So zeigt er an", sagt Krekel. Auch im Bodenfach des Rucksacks wird der Hund fündig.

Alle Sachen raus: Bettwanzenspürhund im Einsatz am FlughafenBild: DW/S. Jordans

Wanzen gibt es überall, und sie sind kein Hygieneproblem

Nach etwa 20 Minuten Suche braucht Buddy eine Pause - die konzentrierte Schnüffelei ist Hochleistungssport für das Tier. Auch wenn er in ihrem Gepäck fündig wurde, ist die Reisende erleichtert. "Ich weiß jetzt wenigstens Bescheid", sagt sie. Zu Hause haben wolle sie die Wanzen schließlich nicht. Drei Monate war die junge Frau in Nepal, Indien, Sri Lanka, Malaysia, Singapur und Japan unterwegs - und hat sich irgendwo die unliebsamen Mitreisenden eingefangen. "Ich habe mal in einem Hostel mit 16 Betten pro Zimmer und vielen Menschen übernachtet", erzählt sie. Seit dieser Zeit habe sie auch Stiche und Juckreiz.

Dass Bettwanzen nur ein Problem in Gemeinschaftsunterkünften oder auf Fernreisen seien, verneint Hansen jedoch. "Die Welt ist ein Dorf, die sind überall." Deswegen könne sich jeder auch überall welche holen. "Von Bus- und Flugzeugsitzen, Kinosesseln, Jugendherbergen, Luxushotels oder in Geschäften." Mit mangelnder Hygiene haben Bettwanzen nichts zu tun. "Die brauchen Blut, also gehen sie dahin, wo Menschen sind", weiß der Experte. Besonders gern krabbelten sie in getragene Wäsche und Koffer. Einige Hotels und Fluglinien beschäftigen die Frankfurter Einsatztruppe deswegen schon seit sechs Jahren. "Nur spricht hier niemand darüber", sagt Hansen. In Schweden dagegen übernehme die Hausratsversicherung die Kosten für eine Bekämpfung. "Und in der Schweiz gibt es Hotels, die werben sogar damit, dass sie ihre Zimmer absuchen lassen." In Frankreich ließen Kinos ihre Sitze beschnuppern.

Mit bloßem Auge (im Bett) schwer zu erkennen: Bettwanzen in einem GlasBild: Getty Images/B. Kersey

Der Backofen ist tabu

Die Studentin aus der Ankunftshalle wünscht sich, dass viele Reisende den Service nutzen. "Man trägt die Wanzen sonst nur weiter." Die Hundetruppe vom Flughafen ist allerdings nur für das Finden von Bettwanzen zuständig. Um ihnen den Garaus zu machen, müssen andere ran. "Wir haben hier zwei Schädlingsbekämpfer, die sich bei Bedarf darum kümmern", erläutert Flughafensprecherin Sandy Chen. Larry Hansen empfiehlt Betroffenen, ihr Gepäck dort abzugeben. "Dann wird es entweder mit Hitze behandelt oder mit Insektiziden." Nach einem Tag könne es abgeholt werden oder werde nachgeschickt. Normales Insektenspray aus der Drogerie helfe ebenso wenig wie mancher Tipp aus dem Internet. "Es kann zu Bränden kommen, wenn Leute ihr Zeug im Backofen erhitzen, um Wanzen loszuwerden", sagt Hansen. Zudem halte ein Ofen selten konstant die Temperatur. Die Wanze merke, wenn es zu warm werde, und krieche davon. "Und dann hat man die in irgendeiner Ritze vom Backofen sitzen."

Waschen bei 60 Grad sei auch nicht risikolos. "Da ist die Temperatur ja nicht von Anfang an so hoch", sagt Hansen. Die Wanze mache sich auch dort rechtzeitig aus dem Staub. "Wir haben schon lebende Exemplare in der Elektronik von Waschmaschinen gefunden", mahnt der Fachmann. Wer unbedingt selbst den Wanzen an den Panzer wolle, wovon Hansen abrät, könne es mit der Tiefkühltruhe versuchen: "Wanzengepäck rein, Deckel zu und mindestens zwölf Tage drin lassen."

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