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Mit KI Lebensmittel retten

19. Juni 2022

In vielen Industrieländern landen jedes Jahr Millionen Tonnen Essen im Müll. Das soll sich jetzt ändern - teils mit Künstlicher Intelligenz.

Deutschland | Containern
Bild: Ute Grabowsky/photothek/picture alliance

1,36 Millionen Tonnen Lebensmittel - für die Tonne. Das ist traurige Realität in Spanien. Diese schiere Masse an Essen wandert dort jedes Jahr in den Müll.

Genau dem will Madrid jetzt einen Riegel vorschieben. Lebensmittelverschwendung soll durch verschiedene neue Gesetze reguliert und teils unter Strafe gestellt werden. Die Mitte-links- Regierung von Pedro Sanchez hat einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der Supermärkte fürs Wegwerfen von Essen bestraft. Auch Restaurants sollen gezwungen werden, ihren Gästen übriggebliebenes Essen von den Tellern in Gefäßen mit nachhause zu geben. Schon 2023 könnte das Gesetz Realität werden.

Lebensmittel oft länger haltbar als angegeben

Dabei geht es hier beileibe nicht um ein rein spanisches Problem. Während in manchen Teilen der Welt Menschen an Hunger leiden, wird anderswo Essen weggeschmissen. Schon jetzt haben verschiedene Länder Maßnahmen ergriffen, um das Problem zumindest einzudämmen.

In Frankreich dürfen Supermärkte schon jetzt kein nicht verkauftes Essen zerstören oder entsorgen. Sie müssen es stattdessen spenden. Tafeln und gemeinnützige Organisationen sind dankbare Abnehmer. 2016 wurde das Gesetz eingeführt, nachdem Graswurzel-Bewegungen und Aktivisten dies gefordert hatten. Auch Italien hat seit 2016 eine vergleichbare Initiative auf den Weg gebracht, die beispielsweise die Aufhebung einer Regel umfasste, der zufolge Essen nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht mehr gespendet werden durfte.

In französischen Supermärkten wie diesem darf schon länger kein Essen mehr weggeschmissen werdenBild: Mourad Allili/MAXPPP/picture alliance

Genau das würde Simone Welte gerne auch in Deutschland sehen. Sie ist Ernährungsexpertin und arbeitet für die Welthungerhilfe, einer deutschen Hilfsorganisation. "Es muss eine bessere Organisation bei Lebensmittelspenden an die Tafeln geben. Spenden sollten auch erlaubt sein, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, die Lebensmittel sind dann ja nicht automatisch schlecht", so die Expertin.

Lokale Bekämpfung des Wegschmeiß-Wahns

Doch nicht nur Regierungen kümmern sich um das Problem. Auch Nicht-Regierungsorganisationen (NGO), Landkreise und Bundesländer arbeiten mit Einzelhändlern, Lebensmittelproduzenten und dem Gastrogewerbe zusammen, um überschüssiges Essen umzuverteilen statt wegzuwerfen. Eine davon ist das "Felix Projekt" aus London. Seit 2016 sind sie in der britischen Hauptstadt London aktiv. "Dabei geht es vor allem um Logistik", sagt Amy Heritage, die Sprecherin des Projekts, zur DW. Und zwar eine riesige: Vier große Lagerhäuser in verschiedenen Vierteln Londons und eine große Küche nennt die Organisation ihr eigen. Dort wird Essen von mehr als 400 Stellen gesammelt. Zahlreiche Freiwillige registrieren das einkommende Essen und verteilen es an die rund 1000 lokalen Projekte weiter, mit denen "Felix" zusammenarbeitet.

Essen für die Tonne?

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Tafeln, Charity-Organisationen, Schulen - verschiedenste Institutionen gehören dazu. "Viele Leute glauben, das Essen sei Müll - aber weit gefehlt!", so Heritage. Rund 40 Millionen Mahlzeiten, schätzt sie, wird "Felix" bis Ende des Jahres umverteilt und somit vorm Mülleimer bewahrt haben. 2021 waren es 30 Millionen Mahlzeiten. Vor Corona, 2019, waren es gerade Mal sechs Millionen. Um weiter arbeiten zu können, brauchen Organisationen wie diese vor allem zwei Dinge: Geld und Freiwillige. Denn die Unterhaltung von Lagerhäusern, Autos und so weiter kostet Geld. Und die viele Arbeit macht sich auch nicht von allein.

Künstliche Intelligenz als Lösung

In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist man sogar schon weiter: Künstliche Intelligenz hilft hier dabei, das Wegwerfen von Lebensmitteln zu vermeiden. So wie die Firma Winnow. Kunden sind unter anderem Firmen, Hotels, Restaurants und Kreuzfahrtunternehmen aus 45 Ländern auf der ganzen Welt. Das Prinzip ist einfach: die Gefäße, die Winnow benutzt, enthalten Waagen und Kameras, so wird registriert, wieviel Essen monatlich wegkommt. Küchenchefs können diese Informationen nutzen und die Menge des zu kaufenden und zuzubereitenden Essens anpassen.

Tafeln helfen mit, Lebensmittel vor dem Müll zu rettenBild: Tafel Lampertheim

Maria Sanu, Sprecherin der Firma, berichtet im DW-Interview: "Wenn die Leute immer und immer wieder ihren Kuchen nicht ganz aufessen, müssen die Stücke vielleicht kleiner werden. Und wenn immer wieder Tomaten im Müll landen, ist es vielleicht an der Zeit, einen Salat ohne Tomaten anzubieten." Und im Grunde hilft das ja auch den Kunden - sie sparten Geld und täten etwas für die Umwelt, so Winnow auf seiner Website.

Was können wir selbst tun?

Im globalen Süden wird selten Essen weggeworfen, merkt Susanne Welte von der Welthungerhilfe an. Denn dort müssten die Leute aus dem Wenigen, was sie haben, das Maximale machen. Allerdings könnte im Süden die Lagerung von Essen verbessert werden. "Es gibt noch viel traditionelle Lagerung. Für alles, was trocken ist, Getreide, Nüsse, kann man aber zum Beispiel luftdichte Säcke verwenden. Die halten Schädlinge fern und die Lebensmittel schimmeln so nicht", sagt Welte.

Fast 40 Prozent aller Lebensmittel in Deutschland verschwenden Endverbraucher

In Deutschland wandern pro Kopf und Jahr 75 Kilogramm Essen in den Müll. 40 Prozent davon in Privathaushalten. Welte kennt den Grund: "Der Verbraucher hat sich daran gewöhnt, dass Lebensmittel stets im Überfluss da sind." Ein Problem dabei: "Gerade in Deutschland sind Lebensmittel billig, das ändert sich erst jetzt mit der Inflation. Das Bewusstsein, das da drinsteckt, geht verloren".

Individuelle Verbraucher könnten aber einiges dafür tun, um weniger Essen zu verschwenden, sagt Welte. "Immer erst riechen oder probieren, ob etwas noch essbar ist. Abgelaufene Joghurts kann man fast immer noch essen, aus alten Äpfeln kann man Apfelmus machen." Und natürlich: Von vornherein weniger kaufen. Selbst, wenn das bedeutet, dass man sich ab und zu mal mehrmals pro Woche in den Supermarkt begeben muss.

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker
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