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Für ein besseres Leben mit Aids

Carla Bleiker / hf1. Dezember 2015

Experten betonen die Rolle von antiretroviraler Behandlung im Kampf gegen HIV. Allerdings sind die Medikamente oft ziemlich teuer und nicht für alle zugänglich - auch wenn sie die Ausbreitung des Virus begrenzen könnten.

Welt-AIDS-Tag 01.12.2014 Indien (Foto: REUTERS)
Bild: Reuters/R. De Chowdhuri

Wie HIV-Positive mit dem Virus leben

03:35

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Eine HIV-Diagnose ist heute längst kein Todesurteil mehr. Die richtigen Medikamente verbessern das Leben von Menschen mit HIV und können es deutlich verlängern. Am Welt-Aids-Tag (01.12.2015) veröffentlicht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen entsprechenden Bericht, in dem es unter anderem auch explizit um solche modernen Kombinationstherapien, sogenannte antiretrovirale Therapien (ART), geht - zu der nach Meinung der Gesundheitsexperten alle HIV-Patienten Zugang haben sollten.

"Es gibt eine ganze Reihe von Medikamenten, die bei der Behandlung von HIV-Infektionen helfen", sagt Gottfried Hirnschall, Direktor der WHO-Aids-Abteilung, der DW. "Die Mittel unterdrücken das Virus im Körper. Sie werden erfolgreich auf der ganzen Welt verwendet."

Eine große Verbesserung

Die antiretroviralen Therapien wirken gleich doppelt positiv: Denn die Behandlung unterdrückt die Bildung neuer Viren im Optimalfall vollständig und hält die Patienten so quasi gesund, wodurch auch gleichzeitig ihre Sexualpartner profitieren.

"Somit sind die Patienten trotz HIV nicht mehr ansteckend", erklärt Philipp Frisch, von der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen, im Gespräch mit der DW. "Wenn wir jetzt in diese Behandlung investieren, hätten wir eine Chance, neue Infektionen zu verhindern."

Derzeit gibt es nach Zahlen der WHO weltweit 37 Millionen HIV-positive Menschen. Die meisten davon in Afrika, südlich der Sahara. Diese Zahl scheint zwar noch immer enorm, sie ist aber seit 15 Jahren rückläufig. Frisch nennt es "eine wirkliche Verbesserung."

Diese positive Entwicklung gilt weltweit - nicht nur in Bezug auf den Rückgang der Neuinfektionen, sondern auch, wenn es um den Zugang zu den ART-Therapien geht.

"Im Jahr 2000 hatten nur wenige Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen - oder arme Menschen in Ländern mit mittlerem Einkommen - Zugang zu solchen Medikamenten", sagt Hirnschall. Das hat sich geändert: "Heute sind fast 16 Millionen Menschen in einer solchen Behandlung."

ART spielt eine große Rolle bei dem Ziel der WHO, Aids als weltweites Gesundheitsproblem bis 2030 zu bewältigen, erklärt Hirnschall. Aber dafür müssten noch viel mehr Patienten die Medikamente bekommen - und zwar schnell. Je früher eine HIV-positive Person nach der Diagnose mit der ART-Behandlung beginnt, umso besser wirkt sie.

Trotzdem noch ein langer Weg

Dafür müsste jedoch zuerst die flächendeckende Verfügbarkeit der Medikamente garantiert werden. Wenn 16 Millionen Menschen Zugang dazu haben, ist das gut - das Ziel der WHO ist es allerdings, allen Menschen eine ART-Behandlung zu ermöglichen.

Der Anteil der HIV-Patienten, die derzeit die Medikamente nehmen, variiert laut WHO stark - von knapp 17 Prozent in der Demokratischen Republik Kongo, bis zu 96 Prozent in Großbritannien.

Ein Problem ist der Preis. Einige der neuen ART-Medikamente sind zu teuer für Patienten mit niedrigerem Einkommen - egal, wo sie leben.

"Wir sehen einen globalen und sehr beunruhigenden Trend, bei dem geistiges Eigentum wie etwa Patente gestärkt werden. Das verfestigt aber die Entwicklung von Monopolstellungen der Hersteller und treibt die Preise sehr nach oben", sagt Frisch.

Er ist der Meinung, dass sich die Politik ändern muss, damit die Medikamente leichter zu den Betroffenen gelangen können.

In Osteuropa, in Nordafrika und dem Nahen Osten ist der Anteil der HIV-positiven Menschen in ART-Behandlung sehr gering. In diesen Gegenden gehören HIV-Kranke zu sogenannten "Schlüsselpopulationen", so Hirnschall - etwa Männer, die mit anderen Männern Sex haben - und diese Gruppen seien in der Gesellschaft ohnehin ausgegrenzt, ob mit oder ohne HIV. "Deshalb werden ihnen solche Behandlungen einfach nicht zur Verfügung gestellt", sagt der WHO-Experte.

Auch im von der WHO als ein Bereich behandelten "westlichen Europa und Nordamerika" liegt die Versorgungsdichte nur bei "nur" 51 Prozent. Das liege nicht nur zu einem geringen Teil an der schlechten Versorgung von Patienten in den USA.

"In vielen Teilen der USA steht die ART-Behandlung nicht zur Verfügung", oder Patienten können sie sich aufgrund ihrer Krankenversicherung nicht leisten, erklärt Hirnschall.

Das 90-90-90 Ziel

Im Idealfall hätte jeder, der HIV-positiv ist, auch Zugang zu antiretroviralen Medikamenten, die er konsequent nimmt. Realität ist aber leider, dass nicht einmal alle Menschen mit HIV überhaupt wissen, dass sie sich mit dem Virus infiziert haben.

Deswegen ist der nächste Schritt der WHO, das 90-90-90-Ziel zur Bekämpfung von HIV bzw. Aids. 90 Prozent aller HIV-Infizierten sollten ihren Status kennen, 90 Prozent aller Diagnostizierten sollten Zugang zu einer Behandlung haben, und bei 90 Prozent der Behandelten sollte kein Virus mehr nachweisbar sein.

Das erfordert zum einen natürlich entsprechende finanzielle Mittel, zum anderen aber auch Zugang zur Behandlung und die Vermittlung des Wissens über die Bedeutung der Medikamente überall auf der Welt.

"Wenn wir so weitermachen wie bisher, erreichen wir solche Ziele niemals", sagt Philipp Frisch von Ärzte ohne Grenzen. "Und sie sind ambitioniert, da sie zusätzliche Investitionen und Ressourcen bedürfen."

Diese Ressourcen können nur angehoben werden, wenn Geldgeber sich auch in zehn Jahren noch für Aids interessieren in unserer Katastrophen heimgesuchten Welt, so Hirnschall.

"Ich wünsche mir wirklich, dass das Interesse an einer aidsfreien Welt nicht wegen anderer Prioritäten zurückgeht."

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