Mit leeren Händen nach Kattowitz?
23. November 2018Auf UN-Klimakonferenzen genießt Deutschland einen guten Ruf. Eigentlich. Deutschland hat so viele Treibhausgase reduziert wie kaum ein anderes Industrieland, fast 30 000 Windräder drehen sich im Land. Aber jetzt, vor der Klimakonferenz in Kattowitz in Polen im Dezember, ist Deutschland dabei, seinen Ruf zu verspielen, jedenfalls teilweise. Grund ist der hohe Kohleanteil an der Stromversorgung, immer noch fast 40 Prozent. Auch deswegen sind die Treibhausgase in den letzten Jahren ab und an in Deutschland wieder gestiegen. Und Deutschland verfehlt auch sein eigenes Klima-Ziel, bis 2020 40 Prozent weniger Klimagase in die Luft zu pusten.
Kritik an hohem Kohleanteil in Deutschland
Schon auf dem UN-Klimagipfel im vergangenen Jahr in Bonn war Deutschland international sowohl von Regierungen als auch von Umweltaktivisten scharf für den hohen Kohleanteil kritisiert worden. Und sicher auch deshalb berät seit Sommer dieses Jahres eine Kommission aus Politikern, Wirtschaftsvertretern und anderen Experten über ein mögliches Datum für den Kohle-Ausstieg. Rechtzeitig vor der Konferenz in Kattowitz werde das Ergebnis vorliegen, wurde stets beteuert. Um den Vertretern von rund 190 Staaten dort zu versichern: Deutschland nimmt den Klimawandel weiterhin ernst. Aber daraus wird nun wohl nichts.
Ost-Regierungschefs: Erst neue Jobs schaffen!
Denn glaubt man Medienberichten, dann gibt die Regierung den Experten noch einmal bis Januar Zeit, ihr bisheriges Ergebnis nachzubessern. Grund dafür ist offenbar die harsche Kritik der Ministerpräsidenten aus den ostdeutschen Bundesländern, in denen vor allem die besonders klima-schädliche Braunkohle gefördert wird. Die Regierungschefs von Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt erklärten in einem Brief, den sie auch an das Kanzleramt schickten, es ginge der Kommission in erster Linie um den Ausstieg aus der Kohle. Viel zu wenig klar sei aber, dass ein Datum für den Kohle-Ausstieg "zwingend damit verknüpft ist, dass zuvor neue, gleichwertige und zukunftssichere Arbeitsplätze entstanden sind." In den drei Ländern arbeiten noch rund zehntausend Menschen im oder um den Braunkohle-Tagebau herum.
Merkel: "Die Menschen brauchen Hoffnung!"
Die Sorge der drei Ministerpräsidenten, die selbst der Kommission angehören, nimmt die Regierung offenbar ernst. Bundeskanzlerin Angela Merkel, so heißt es in Medienberichten, ist selbst unzufrieden mit der Arbeit der Kommission. Eigentlich wollten die 28 Mitglieder ihren Abschlussbericht in der kommenden Woche vorlegen. Aber jetzt müssen sie nachsitzen. Merkel sagte dazu am Mittwoch im Bundestag: „Es geht nicht darum, als Erstes irgendwelche Ausstiegsdaten zu beschließen, sondern es geht darum, Menschen Hoffnung zu geben, Zukunft zu geben, Strukturwandel wirklich vorzubereiten!" Mit anderen Worten: Mehr Geld für den Ersatz von Kohle-Arbeitsplätzen bereit zu stellen. Am Donnerstag legte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ebenfalls im Bundestag nach: "Wir werden dafür Sorge tragen, dass am Ende in den betroffenen Regionen nicht weniger, sondern mehr Arbeitsplätze vorhanden sind."
Umweltschützer bestehen auf rasches Ausstiegsdatum
Umweltschützer, die ebenfalls in der Kommission mitarbeiten, sehen das freilich ganz anders: Auch sie sind für neue Jobs in den betroffenen Regionen, bleiben aber dabei, dass rasch ein Ausstiegsdatum für die Kohle genannt werden muss. In einem Schreiben, unter anderem von Greenpeace unterzeichnet, heißt es zur möglichen Verlängerung: "Wir können darin nur einen Versuch erkennen, die Kommission für ihre Auseinandersetzungen mit der Bundesregierung in Haftung zu nehmen und sich weiterhin den notwendigen Maßnahmen für den Klimaschutz verweigern zu wollen." Um ein mögliches Ausstiegsdatum war in und außerhalb der Kommission lange gerungen worden. Den Umweltgruppen schwebte 2030 vor, die Kohleländern betrachten das als viel zu früh. Und so wird Deutschland wohl ohne eine klare Aussage darüber nach Polen fahren, wann das Land denn aufhört mit der Kohle. Kein guter Start für die neue Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD, die das Land in Kattowitz erstmals auf einer Klimakonferenz der Vereinten Nationen vertritt.