'Zunehmende Verzweiflung'
12. November 2008Als erster Staat hat am Mittwoch (12.11.2008) Angola die Entsendung von Truppen in den Kongo angekündigt, wo Kämpfe zwischen Regierungssoldaten und Rebellen seit August mindestens 250.000 Menschen in die Flucht getrieben haben. Wie viele Soldaten stationiert werden sollen und wie ihr Einsatz aussehen wird, präzisierte der stellvertretende Außenminister Georges Chicoty aber nicht. Die Tutsi-Rebellen unter Führung des abtrünnigen Ex-Generals Laurent Nkunda hatten angekündigt, alle afrikanischen Truppen zu bekämpfen, die die kongolesischen Streitkräfte unterstützen.
Die unzähligen Misshandlungen, Plünderungen, Morde und Vergewaltigungen in dem zentralafrikanischen Land – sowohl von Seiten der Regierungstruppen als auch der Rebellen - beschäftigten am Dienstag auch die Vereinten Nationen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon betonte, rund 100.000 Flüchtlinge seien von jeder humanitären Hilfe abgeschnitten.
Vergewaltigungen an der Tagesordnung
Ban erklärte, nur bei einem sofortigen Waffenstillstand könnten Hilfsorganisationen die Flüchtlinge unterstützen. Wegen der anhaltenden Kämpfe hätten diese Menschen bislang so gut wie keine Hilfe erhalten, ihre Lage sei "zunehmend verzweifelt". Zudem sei er "sehr besorgt" über Berichte von gezielten Übergriffen gegen Zivilpersonen im Ostkongo, sagte der UN-Generalsekretär am Dienstag weiter.
Die Übergriffe von kongolesischen Regierungssoldaten ereigneten sich nach Angaben der UN-Friedenstruppen im Kongo (MONUC) nördlich von Goma, der Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu. In mehreren Dörfern seien Frauen vergewaltigt und Häuser gebrandschatzt worden, sagte MONUC-Sprecher Jean-Paul Dietrich.
UNO will noch zuwarten
Angesichts der anhaltenden Gewalt im Kongo hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon einen sofortigen Waffenstillstand im Kongo und die Aufstockung der internationalen Friedenstruppen in dem afrikanischen Land gefordert. Rund 3.000 weitere Soldaten seien nötig, erklärte Ban in New York.
Für eine Erweiterung des Mandats der UN-Blauhelmmission im Kongo bedarf es der Zustimmung des Weltsicherheitsrats. Alain Le Roy, Untergeneralsekretär für friedenserhaltende Maßnahmen, unterrichtete am Dienstag das 15-köpfige Gremium hinter verschlossenen Türen von der Situation im Kongo. Bevor eine Entscheidung getroffen wird, wolle der Weltsicherheitsrat aber zunächst Bans nächsten offiziellen Bericht zur Lage im Kongo abwarten, der in den kommenden Tagen erwartet wird.
Wiederholt sich 1994?
Manche Kongoexperten fragen sich allerdings, wie noch mehr Friedenssoldaten im Kongo eine Verbesserung der Lage herbeiführen sollen. Schließlich ist der 17.000 Mann starke UN-Einsatz im Kongo schon jetzt der weltweit größte der Vereinten Nationen. Trotzdem haben die Soldaten Kämpfe, wie sie jetzt wieder im Osten des Landes aufgeflammt sind, nicht verhindern können. Kritiker werfen ihnen Versagen vor.
Ein Versagen, das schlimme Folgen hat und noch viel dramatischere Konsequenzen haben könnte. Manch einer befürchtet gar, 14 Jahre nachdem Hutu-Milizen unzählige Tutsi in Ruanda abschlachteten, könnte sich der Völkermord im Kongo wiederholen – mit umgekehrten Rollen. Der Tutsi-Rebellengeneral Laurent Nkunda begehrt seit vier Jahren gegen die Zentralregierung in Kinshasa auf, da er seine Volksgruppe im neuen Kongo nicht ausreichend vertreten sieht. (ag)