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Politik

Mit Mitsotakis zurück in den Kreis der Familie

Barbara Wesel z.Zt. in Athen
7. Juli 2019

Nach über vier Jahren ist in Griechenland die konservative Partei wieder an der Macht. Kyriakos Mitsotakis hat dem Land Steuersenkungen, mehr Jobs und Investitionen versprochen. Sein Nachname ist bekannt in der Politik.

Griechenland Kyriakos Mitsotakis in Athen
Bild: picture-alliance/dpa/T. Stavrakis

Die Emotionen sind eher verhalten nach dem Sieg von Kyriakos Mitsotakis (Artikelbild). Vor vier Jahren, nach der Wahl von Alexis Tsipras und seiner Linkspartei, waren über den Syntagma-Platz vor dem Parlament Autokorsos mit jubelnden Anhängern gerollt, die sich von ihrem Idol einen Neuanfang für Griechenland erhofften. An diesem Sonntag wurde der Regierungswechsel im Zentrum Athens eher achselzuckend zur Kenntnis genommen. Nur in der Parteizentrale der konservativen Nea Dimokratia freuten sich Anhänger über einen "historischen Sieg". Es scheint, als seien viele Griechen inzwischen ernüchtert aus ihren Träumen aufgewacht.

Neue Versprechen für Griechenland

Knapp ein Jahr nach dem Auslaufen des letzten Rettungspakets, mit dem die Regierung in Athen ihre finanzielle Selbstbestimmung zurückbekommen hat, präsentierten die Wähler der linken Syriza-Partei die Rechnung und kehrten zurück zu den Konservativen. Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erhielt die Nea Dimokratia 39,85 Prozenten der Stimmen. Tsipras' Syriza-Partei kam auf 31,5 Prozent. Weil nach griechischem Wahlrecht die stärkste Partei 50 zusätzliche Sitze erhält, kann die Nea Dimokratia jetzt mit einer Mehrheit von acht Sitzen im Parlament regieren. Schon an diesem Montag wurde Parteichef Mitsotakis als neuer Ministerpräsident vereidigt.

Bei seiner ersten Ansprache am Wahlabend vermied Mitsotakis triumphale Töne: "Ich will für alle da sein, jeden Mann und jede Frau in Griechenland, auch für die, die uns nicht unterstützt haben." Und Mitsotakis appellierte an die Bürger, sich nicht spalten zu lassen. Er sehe auch, dass "eine schwere Aufgabe" vor ihm liege. Zudem äußerte der designierte Ministerpräsident die Hoffnung, dass viele derjenigen, die während der Krisenjahre das Land verlassen hätten, zurückkehren. Rund eine halbe Million Griechen sollen seit Beginn der Schuldenkrise ihrer Heimat den Rücken gekehrt haben.

"Ihr habt mir einen Auftrag gegeben, und ich werde euch nicht enttäuschen", versprach Mitsotakis. Er will besser bezahlte Jobs im Privatsektor schaffen, ausländische Investoren ins Land locken und verschleppte Privatisierungen vorantreiben. Auch Steuersenkungen für Unternehmen gehören zu seinem Programm sowie ein neuer Anlauf, um den internationalen Gläubigern Erleichterungen bei den Auflagen abzuhandeln. Bisher verlangen diese von Athen einen Haushaltsüberschuss von 3,5 Prozent - Mitsotakis will sie mit einer Rückkehr zu stärkerem Wachstum überzeugen, um mehr Luft für Investitionen aus öffentlichen Mitteln zu bekommen. 

Der neue konservative Ministerpräsident kann dabei darauf bauen, dass die Bürger den schlimmsten Teil der Härten aus den Krisenjahren bereits unter der Vorgängerregierung durchlitten haben. "Griechenland hebt wieder stolz das Haupt", sagte Mitsotakis und betonte, dass er den Auftrag der Wähler mit Bescheidenheit und Respekt annehmen wolle. Es scheint eines seiner Geheimnisse zu sein, dass er trotz seiner Elite-Ausbildung und Abstammung aus einer alten Polit-Dynastie jeden Anschein von Überheblichkeit vermeidet.

Die Geschwister Dora Bakogianni (m.), ehemalige griechische Außenministerin, und Kyriakos Mitsotakis (r.) trauern um ihren Vater Bild: picture-alliance/ANE

Politik als Familiensache

Mit Mitsotakis kehrt eine mächtige politische Dynastie zurück an die Macht. Sein Vater Konstantinos war Ministerpräsident Anfang der 90er Jahre, seine Schwester Außenministerin und sein Neffe ist neu gewählter Bürgermeister von Athen. Seit Jahrzehnten kontrollieren eine Handvoll Familien die griechische Politik – die Karamanlis', die Papandreous und die Mitsotakis'. Wie es dem neuen Parteichef der Konservativen gelungen ist, die Wähler davon zu überzeugen dass er nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt ist wie seine Vorgänger, erscheint verblüffend. 

Kyriakos' Vater, Konstantinos Mitsotakis, war MinisterpräsidentBild: picture-alliance/dpa/Muhlhauser

Denn es waren gerade die politischen Clans, die das Land in die verhängnisvolle Schuldenkrise stürzten, aus der es sich nach 2008 nicht mehr befreien konnte. Selbstbedienungsmentalität, Vetternwirtschaft und Abzocker-Mentalität in ihren Reihen gepaart mit kreativer Buchführung bei den Staatsfinanzen führten dazu, dass Griechenland auf einem Schuldenberg von rund 350 Milliarden Euro sitzt und - schwer reformierbar - immer noch zu den wirtschaftlichen Schlusslichtern in der EU gehört. 

Vertrauen für einen Banker

Besonders hoch war der Stimmenanteil für Mitsotakis unter jungen Wählern. Sie hoffen offenbar, dass der an der US-Eliteuniversität Harvard ausgebildete spätere Investment-Banker mehr Glaubwürdigkeit am Finanzmarkt und bei den Gläubigern haben wird als der bisherige Amtsinhaber Tsipras. Dass er vielleicht Lösungen für sie finden und tatsächlich die bessere Zukunft bringen könnte, die seit Jahren alle Regierenden hier versprechen. Dabei sehen sie auch über seinen Job bei der berühmt-berüchtigten Beratungsfirma McKinsey und als Minister in der letzten konservativen Regierung hinweg, wo er tausende von Staatsbediensteten feuerte.

Mitsotakis verspricht jetzt ein Ende des Nepotismus in seiner Partei und er will gegen die allumfassende Korruption vorgehen, damit etwa unterbezahlte Ärzte im Krankenhaus keinen Umschlag mehr mit Geld erwarten, um einen Patienten zu behandeln. Ob aber seine nur teilweise erneuerte Partei dafür zu gewinnen ist, in der sich auch einige rechtsextreme Mitglieder verbergen, ist offen. Es wäre eine Abkehr von der traditionellen Art, wie konservative Politik in Griechenland bisher funktioniert hat, und gehört zu den vielen Herausforderungen für den neuen Ministerpräsident.

Abschied vom früheren Revoluzzer 

"Mit erhobenem Kopf respektieren wir heute das Votum der Wähler", sagte der scheidende Ministerpräsident Tsipras, als er seine Niederlage eingestand. Er habe viele schwere Entscheidungen treffen müssen, die jetzt einen hohen politischen Preis gekostet hätten.

Dabei hatte er es zuletzt noch mit Wahlgeschenken versucht, den Mindestlohn um elf Prozent angehoben und den Gewerkschaften ihre Rechte zurückgegeben. Aber da hatten sich die Wähler schon frustriert abgewendet von einer Politik, die viele als Zickzack-Kurs empfanden. Denn Tsipras war als Panzerbrecher ins Amt gekommen, der die Forderungen der verhassten internationalen Gläubiger einfach ignorieren und Griechenland von ihren strikten Sparauflagen befreien wollte.

Alexis Tsipras (m.) hat viele Griechen vor den Kopf gestoßen, als er die Namensänderung der Nachbarn in Nord-Mazedonien akzeptierteBild: Regierung Nord-Mazedonien

Am Ende aber verlor er den Kampf mit der EU und dem internationalen Währungsfonds und musste klein beigeben. Tsipras hatte weit mehr versprochen, als er halten konnte. Nach dem Chaos-Sommer 2015, als die Banken ihre Auszahlungen stoppen mussten und der Staatsbankrott drohte, hatte Tsipras das Ruder herumgerissen.

Vielleicht hätten die Wähler es honorieren können, dass er über Nacht vom Revoluzzer zum Staatsmann mutierte und Griechenland nicht über die Klippe stürzte. Doch sie nehmen ihm übel, dass er ihnen weitere vier Jahre eines harten Sparkurses mit Steuererhöhungen und tiefen Einschnitten bei den öffentlichen Ausgaben zumutete. Außerdem hat sich inzwischen das Wirtschaftswachstum auf spärliche 1,3 Prozent verlangsamt und die Arbeitslosenzahlen krochen wieder auf die 20 Prozent Marke zu. 

Und schließlich gilt auch für Tsipras der alte Satz, dass keine gute Tat unbestraft bleibt. Er hatte eine historische Einigung mit dem kleinen Nachbarland geschlossen, dass sich jetzt Nordmazedonien nennen darf. Für die "Frühere jugoslawische Republik Mazedonien" war das eine Erlösung, denn Skopje konnte seitdem den Beitrittsprozess zu EU und NATO in Gang setzen. Für das Nationalgefühl vieler Griechen aber war es ein Schlag, denn sie erheben einen ausschließlichen Anspruch  auf den Namen Mazedonien. Der Ministerpräsident hatte seine Bürger für fortschrittlicher gehalten, als sie sind. Auch gekränkter Nationalstolz trieb viele zurück zu den Konservativen, die nun fortführen müssen, was Tsipras und seine Linke unter so viel Verwerfungen begonnen haben. 

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