Artemisinin gilt seit Jahrzehnten als wichtigstes Malaria-Medikament, aber Erreger entwickeln immer häufiger Resistenzen. Jetzt müssen dringend neue Therapien her. Die Zeit drängt.
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Alle zwei Minuten stirbt ein Kind an Malaria, die meisten von ihnen in Afrika. Gerade für Kinder ist eine wirksame und sichere Malariatherapie lebensnotwendig. Zwei Drittel der 400.000 Todesfälle pro Jahr betreffen Kinder, die jünger als fünf Jahre sind.
Im Gegensatz zu Erwachsenen haben Kinder noch keine Immunität gegen die Malariaparasiten aufgebaut, sagt Professor Jürgen May. "Wenn dann die vorhandenen Therapiemöglichkeiten nicht greifen, endet eine schwere Malariainfektion oft tödlich", sagt der Leiter der Abteilung Infektionsepidemiologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.
Resistenzen zuvorkommen
Entwickeln die Krankheitserreger Resistenzen gegen ein Medikament, verliert dieses an Wirkung. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, denn die Malariaerreger können sich schnell anpassen. Und so versuchen Wissenschaftler der Bildung von möglichen Resistenzen immer einige Schritte voraus zu sein.
Die Hamburger Forscher führen eine großangelegte Behandlungsstudie in Ghana durch, bei der drei Malariamedikamente gleichzeitig gegeben werden. Denn das Risiko ist gering, dass die Erreger gegen alle Substanzen gleichzeitig Resistenzen entwickeln. An der Studie beteiligt ist unter anderen auch das Kumasi Centre for Collaborative Research (KCCR) in Ghana.
Die Zeit drängt, denn je mehr Medikamenten-Resistenzen sich entwickeln umso geringer die Chancen, Malaria etwas entgegenzusetzen. Der gefährlichste Malaria-Erreger ist Plasmodium falciparum.
Bislang konnte dieser Parasit erfolgreich mit Artemisininen behandelt werden. Durch die Resistenzen aber besteht die Gefahr, dass das Medikament nicht mehr hilft. "Um Artemisinine weiterhin erfolgreich einsetzen zu können, müssen wir dringend Kombinationstherapien mit drei oder mehr Partnersubstanzen entwickeln, um die Entstehung von Resistenzen herauszuschieben oder sogar zu verhindern", erläutert Professor Michael Ramharter vom BNITM.
Internationales Projekt
Die Forscher testen jetzt eine Dreifachkombination aus den folgenden Bestandteilen: Artesunate und Amodiaquine (ASAQ), das chemisch und pharmakologisch dem Chloroquin ähnelt, und Atovaquone-Proguanil (AP). "Eine Therapie mit ASAQ ist in Afrika bereits gut etabliert. Das Medikament ist zurzeit noch gut wirksam und zeigt kaum Nebenwirkungen. Wir müssen unbedingt einer Resistenzbildung gegen dieses bewährte Mittel vorbeugen, damit wir ASAQ noch viele weitere Jahre einsetzen können", erläutert Jürgen May, "daher wird noch die dritte Substanz dazugegeben". In drei afrikanischen Ländern wird die neue Kombinationstherapie getestet.
Nach wie vor sind Artemisinine die effizientesten Substanzen gegen die Malaria und daher die erste Wahl gegen die Tropenkrankheit. 1972 isolierte die chinesische Chemikerin und Pharmazeutin Tu Youyou den sekundären Pflanzenstoff Artemisinin aus dem Einjährigen Beifuß.
Verantwortlich für die Artemisinin-Resistenz sind Mutationen in der sogenannten Propellerdomäne eines Gens des Parasiten, dem sogenannten Kelch-13-Gen. Dr. Tobias Spielmann vom BNITM hatte Anfang des Jahres in einem aufsehenerregenden Artikel in der Fachzeitschrift Science den Mechanismus der Resistenz aufgedeckt.
Eine zentrale Rolle spielt das Bluteiweiß Haemoglobin. Der Wissenschaftler erläutert: "Zum einen muss der Parasit trotz verringerter Hämoglobinaufnahme noch genügend Nahrung zu sich nehmen, um zu überleben, zum anderen darf er gerade nur so viel Hämoglobin aufnehmen, dass Artemisinin nicht mehr ausreichend aktiviert wird." Die neuen Erkenntnisse können helfen, verbesserte Malariamedikamente zu entwickeln, um der zunehmenden Artemisinin-Resistenz zu begegnen.
Malaria ist eine der schlimmsten Infektionskrankheiten: Jedes Jahr sterben etwa 600.000 Menschen daran. Etwa drei Viertel von ihnen sind Kinder unter fünf Jahren.
Bild: picture-alliance/dpa
Ein Moskito schlägt zu
Das sicher gefährlichste Tier Afrikas ist die etwa sechs Millimeter kleine Anopheles-Mücke: Sie überträgt Malaria. Malariaerkrankte leiden an hohem wiederkehrendem Fieber, Schüttelfrost und Krämpfen. Vor allem bei kleinen Kindern kann die Krankheit schnell zum Tode führen.
Sticht die Anopheles-Mücke einen infizierten Menschen, nimmt sie den Malaria-Erreger auf. Beim nächsten Stich gibt sie ihn an einen anderen Menschen weiter. Forscher haben die Erreger hier im Bild mit einem grün leuchtenden Eiweiß markiert. Wie das grüne Leuchten verrät, vermehren sich die Parasiten im Darm der Mücke und sammeln sich schließlich in ihren Speicheldrüsen.
Der biologische Name des Malarierregers lautet Plasmodium. Um ihn zu untersuchen, entfernen Forscher infizierten Anopheles-Mücken die Speicheldrüsen und isolieren daraus den Parasiten. Denn im Speichel der Mücke reichert sich die infektiöse Form des Parasiten an - Experten nennen diese Form Sporozoiten. Rechts im Bild ist die Mücke zu sehen, in der Mitte deren entnommene Speicheldrüsen.
Bild: Cenix BioScience GmbH
Mücke - Mensch - Mücke
Tatsächlich ist der Mensch nur der Zwischenwirt des Malariaparasiten, Endwirt ist die Mücke. In uns vermehrt sich der Erreger ungeschlechtlich: erst in der Leber, dann in den roten Blutkörperchen. Ein Teil der Parasiten bildet schließlich weibliche und männliche Zellen. Diese werden von einer Mücke aufgenommen und pflanzen sich in ihr geschlechtlich fort. Der Kreis schließt sich.
Malaria-Erreger bewegen sich im Kreis
Da die Malariasporozoiten gekrümmt sind, bewegen sie sich im Kreis, wenn Forscher sie - wie hier - auf ein Stück Glas mit Flüssigkeit aufbringen. Die Parasiten sind gelb eingefärbt, ihre Bewegungsbahn ist blau. Die Erreger sind schnell: Für einen Kreis benötigen sie nur etwa 30 Sekunden. In ihren Wirten werden sie durch Hindernisse von der Kreisbahn abgelenkt und bewegen sich dann auch geradeaus.
Im Mensch nistet sich der Malariaerreger zunächst für einige Tage in der Leber ein. Währenddessen merkt der Betroffene nichts. Erst wenn der Parasit sich in der Leber zu kleinen traubenförmigen Merozoiten umgewandelt hat, die das Organ verlassen und die Blutkörperchen befallen, fühlt sich der Patient krank.
Bild: AP
Malaria-Erreger im Blut
Die Parasiten brauchen ein bis drei Tage, um sich in den roten Blutkörperchen zu vermehren. Dann zerfallen die Blutzellen und setzen viele reife Malariaerreger und giftige Substanzen aus dem Stoffwechsel der Parasiten frei. Die Folge: Fieberschübe. Unter dem Mikroskop ist die Krankheit nach Anfärbung leicht zu diagnostizieren: Die lila gefärbten Erreger fallen im Blutabstrich sofort auf.
Bild: picture-alliance/dpa/Klett GmbH
Doppelter Schutz
Forscher haben ein Moskitonetz entwickelt, das besonders schützen soll: In die Fasern der Netze ist ein Insektizid eingewebt, welches kontinuierlich freigesetzt wird. Der Wirkstoff tötet alle Mücken, die sich auf dem Moskitonetz niederlassen.
Bild: Bayer CropScience AG
Wettlauf gegen die Zeit
Medikamente zerstören den Parasiten im Blut oder verhindern, dass er sich weiter vermehren kann. Allerdings besteht die Gefahr, dass der Erreger mit der Zeit resistent gegen den Wirkstoff wird. Mit "RTS,S" (Mosquirix) ist es nun gelungen, einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln, der gegen Malaria eingesetzt werden kann.
Bild: picture-alliance/dpa
Moskitonetze = Lebensretter
Das beste Mittel gegen Malaria ist, gar nicht erst von einer Mücke gestochen zu werden. Dabei helfen Repellents - Mückenabwehrmittel zum Eincremen - und natürlich Moskitonetze, deren feine Maschen die Mücken fernhalten. Unter einem Moskitonetz zu schlafen, kann Leben retten!