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Politik

Rap gegen Diskriminierung

3. November 2016

Zwei junge Roma wurden aus Deutschland in das Kosovo abgeschoben, obwohl sie hier aufgewachsen sind und mit dem Land ihres Vaters nichts am Hut hatten. Jetzt sind sie wieder zurück - laut rappend.

Deutschland Das Rap-Duo K.A.G.E.
Bild: K.A.G.E.

Das eine Mikro will nicht. Kabel werden hastig umgesteckt, Regler hin und her geschoben. Test-1-2-3. Mit der Technik steht und fällt der Abend. Die beiden Roma-Brüder aber sind entspannt. Die Rapper-Mützen sitzen, die Stimme auch. Was soll schon schief gehen.

"Ich bin am Überleben ohne zu überlegen. Gib mir ein Nagelbrett und ich lege mich drüber", fängt ein Song von den K.A.G.E.-Brüdern an. Sie rappen gegen Diskriminierung und Hass und für mehr Toleranz. Damit verarbeiten sie ihr Leben, jede Zeile - ein Zitat daraus. "Abgestoßen zu sein, Rassismus direkt zu erleben. In unseren Tracks wollen wir unsere Eindrücke teilen. Auch andere Minderheiten ermutigen, die die selben Probleme haben. Die Musik ist unser Werkzeug", sagt Selami.

"Trapped by Law" vom Sami Mustafa ist ein Film über die beiden BrüderBild: DW/R. Breuer

Mitten im Nichts

Die ersten Gäste kommen in den kleinen Konzertsaal des Kulturzentrums Kult41 in Bonn. Es ist ein überschaubarer, fensterloser Raum, eine kleine Bar mit großer Auswahl. Vor dem Konzert wird der Film "Trapped by Law" vom Sami Mustafa gezeigt - ein Film über die beiden Brüder. Drei Jahre hat der Regisseur sie begleitet. Es ist eine Dokumentation über ihre Odyssee über den Balkan.

Beide Brüder sind in Essen aufgewachsen und besuchten dort die Schule. Bis 2010, als sie in einem Eilverfahren innerhalb von zwei Tagen ins Kosovo abgeschoben wurden. In das Land ihres Vaters, in ihr vermeintliches Heimatland, das sie nicht kannten. Selami (27) war nie dort, sein Bruder Kefaet (32) hat nur bis zu seinem vierten Lebensjahr dort gelebt. Keine Erinnerungen, kein Bezug, kein Gefühl für Land und Leute.

Vergessene Minderheit

Im Zeitraum von Januar 2012 bis September 2016 haben etwa 16.000 kosovarische Staatsangehörige mit der Angabe Volkszugehörigkeit Roma in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Im gesamten genannten Zeitraum erhielten davon laut dem Bundesministerium für Inneres lediglich fünf Antragsteller die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention. 2015 wurde das Kosovo auf die Liste der sicheren Herkunftsstaaten gesetzt. Seitdem hat sich die Zahl der Abschiebungen und Rückführungen um ein Vielfaches erhöht.

Rappen gegen Diskriminierung

02:07

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"Es gibt in Deutschland eine tiefe politische Verdrängung gegenüber der Situation der Roma in allen Staaten des Balkans, wo sie extrem diskriminiert werden. Sie haben keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und Gesundheitssystem. Es ist mehr als bloße Diskriminierung", sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl. Alles im Asylverfahren sei darauf reduziert, dass Diskriminierung kein Asylgrund sei. Die Nichtregierungsorganisation fordert daher ein Bleiberecht abseits des Asylrechts. Doch dazu schweigt die Bundesregierung.

Nicht aufgeben

Sie schlafen auf der Straße, bei unbekannten Menschen, bei Freunden. Vier Jahre, neun Monate und sechs Tage verbringen sie auf dem Balkan - zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Mit ihrer Musik werden sie im Kosovo berühmt und touren durch das Land. "Ich wusste nicht, wann das vorbei ist, also habe ich jeden Tag voll genossen", sagt Selami im Film. In der Zeit starten die Brüder mehrere Versuche, legal nach Deutschland zu ihrer Familie in Essen zurückzukehren - vergebens.

Eines Tages treffen sie eine Entscheidung. "Wir waren naiv, wir wollten legal zurück. Alle haben uns gesagt, geht einfach über die Grenze", erinnert sich Kefaet. Und genau das haben sie dann auch gemacht. Ohne es jemanden zu sagen, gehen sie 2014 zu Fuß nach Ungarn, über Österreich gelangen sie schließlich nach Deutschland. Seit ihrer Rückkehr engagieren sich die beiden Musiker für Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen. Sie tanzen, rappen und reden mit ihnen. Diese Energie kommt auch beim Publikum im Kulturzentrum an. Das Konzert gelingt, sogar die Technik spielt mit. Aber trotz ihres Engagements bleibt eine Frage offen: ihr Status in Deutschland. Die Brüder leben wieder in Essen. Selami hat einen Duldungsstatus und kann jederzeit abgeschoben werden. Kefeat hat einen Aufenthaltsstatus für ein Jahr bekommen.