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Mit Teamgeist und kühlem Kopf

Stefan Nestler23. Januar 2015

Deutschlands Handballer überraschen bei der WM in Katar mit starken Auftritten gegen starke Vorrundengegner. Nach dem vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale trauen Experten der Mannschaft viel zu.

Deutsche Spieler schlagen sich nach dem WM-Spiel gegen Argentinien ab. Foto: Getty Images
Bild: C. Koepsel/Bongarts/Getty Images

Die deutschen Handballer sind ihrer Zeit voraus. Eigentlich hatte Bernhard Bauer, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB), als er im August 2014 den Isländer Dagur Sigurdsson als neuen Bundestrainer präsentierte, Gold bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio als großes Fernziel ausgegeben. Und einen WM-Sieg in absehbarer Zukunft, spätestens 2019, wenn Deutschland zusammen mit Dänemark das Turnier ausrichtet. Nicht wenige träumen davon, dass das WM-Märchen schon vier Jahre früher Realität wird. Bei der WM in Katar steht die junge Mannschaft von Trainer Sigurdsson nach drei Siegen und einem Unentschieden schon vor dem letzten Gruppenspiel am Samstag gegen Saudi-Arabien als Achtelfinalist fest, der Gruppensieg ist so gut wie sicher. "Vor dem Start der WM hat uns das keiner zugetraut", freut sich Torwart Carsten Lichtlein, mit seinen Glanzparaden Matchwinner im vierten Gruppenspiel gegen Argentinien (28:23). "Die Mannschaft spielt unbekümmert auf, und das macht frischen Handball aus."

Ehrgeizige Ziele

Eine Frischzellenkur hatte die deutsche Nationalmannschaft auch dringend nötig. Für die Olympischen Spiele in London konnte sie sich ebenso wenig qualifizieren wie für die Europameisterschaft 2014 und eigentlich auch die WM 2015, bei der sie jetzt nur dank einer Wildcard spielen darf. Das DHB-Team verlor etwa die Hälfte aller Spiele seit dem WM-Triumph von 2007. Die Ergebnisse seien "durchweg unbefriedigend gewesen", heißt es im Aktionsprogramm des DHB, das den Titel trägt: "Perspektive 2020 – dem deutschen Handball eine Zukunft geben". Darin wird das ehrgeizige Ziel ausgegeben, dass der DHB "sportlich und wirtschaftlich zum Vorreiter im Welthandball wird" und "sich der Handball in Deutschland dauerhaft als wichtigste Sportart nach dem Fußball etabliert". Dafür braucht es eine erfolgreiche Nationalmannschaft.

Bundestrainer Dagur Sigurdsson ist zufriedenBild: C. Koepsel/Bongarts/Getty Images

Brand: „Positiv überrascht“

Dass sie nach nicht einmal einem halben Jahr unter Sigurdsson auf die Erfolgsspur zurückgekehrt ist, überrascht selbst die Experten. "Mit so einem souveränen Auftreten der Mannschaft hätte ich sicherlich nicht gerechnet", räumt Ex-Weltmeister-Trainer Heiner Brand ein. "Ich bin über die Leistung einiger Spieler positiv überrascht. Man muss zum Beispiel Martin Strobel, Patrick Groetzki und Carsten Lichtlein hervorheben." Rechtsaußen Groetzki wurde wegen seiner sieben Tore gegen Argentinien zum "Man of the match" gekürt. Der 25 Jahre alte Spieler der Rhein-Neckar Löwen beschreibt das Erfolgsgeheimnis der Mannschaft so: "Wir kämpfen in jedem Spiel, auch wenn es mal nicht so läuft, und bewahren dabei einen kühlen Kopf."

Patrick Grotzki, ein treffsicherer Rechtsaußen: 23 Tore in vier WM-SpielenBild: M. Naamani/AFP/Getty Images

Richtige Taktik, richtige Worte

In der Tat überstand die deutsche Mannschaft nicht nur gegen Argentinien, sondern auch gegen die starken Vorrundengegner Polen (29:26), Russland (27:26) und Dänemark (30:30) einige kritische Situationen. Sie holte Rückstände auf und ließ sich auch nicht aus der Ruhe bringen, wenn sie große Vorsprünge verspielt hatte. Sigurdsson findet nicht nur die passende Taktik, sondern auch die richtigen Worte, um seine Mannschaft wieder auf Kurs zu bringen. Teamgeist, von Fußballbundestrainer Joachim Löw als Erfolgsrezept für den Triumph 2014 in Brasilien ausgemacht, ist auch bei den Handballern in Katar wieder zu spüren.

Wildcard nachträglich verdienen

"Wir dürfen jetzt ein bisschen träumen", findet Ex-Bundestrainer Brand. "Denn jeder Gegner ist schlagbar. Und da können sich für die deutsche Mannschaft noch Möglichkeiten auftun." Auch Teammanager Oliver Roggisch traut der Mannschaft noch einiges zu. "Wir haben nicht den großen Druck, keiner hat mit uns gerechnet, und ich glaube, die Rolle liegt uns ganz gut", sagte der Weltmeister von 2007 im ZDF. "Die Mannschaft will auch zeigen, dass wir die Wildcard verdient haben." Unter fragwürdigen Umständen hatte der Handball-Weltverband IHF den eigentlich qualifizierten Australiern das WM-Ticket entzogen und den Deutschen zugeschustert. Aber dafür konnten schließlich die Spieler und auch Dagur Sigurdsson nichts. Die Mannschaft nutzt eine Chance, die sich ihr unverhofft geboten hat. "Ich muss den Hut ziehen vor den Jungs", sagt der Bundestrainer. "Wir machen ein Superturnier."

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