Mit Wirtschaft die Welt verbessern
29. Juli 2013Christine Volkmanns Büro auf dem Wuppertaler Universitätscampus liegt hoch über der Stadt. Dort, wo die Unternehmer sich damals Villen bauten, während die Arbeiter im Tal in ihren Fabriken schufteten. Die Frage von Kapitalismus und sozialer Gerechtigkeit - sie beschäftigte nicht nur den berühmtesten Sohn der Stadt, den Sozialisten Friedrich Engels. Auch die Wuppertaler Ökonomieprofessorin Christine Volkmann hat viel darüber nachgedacht und geforscht.
"Für mich steht der Mensch im Mittelpunkt", betont sie. "Wir können keine gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Veränderungen anstoßen, ohne dabei den einzelnen Menschen im Blick zu haben." In der freien Wirtschaft kam Christine Volkmann genau dieser Gedanke viel zu kurz. Daher gab sie ihre Karriere auf und wechselte in die Wissenschaft, um hier ein relativ neues Forschungsgebiet voranzutreiben: das Sozialunternehmertum.
Soziales Unternehmertum in Südosteuropa fördern
Weil Christine Volkmann dabei nicht nur den deutschen, sondern auch den internationalen Markt in den Blick nahm, zeichnete die UNESCO im Juli 2010 ihren Lehrstuhl für "Entrepreneurship und interkulturelles Management" aus. Er ist einer von insgesamt zehn UNESCO-Lehrstühlen in Deutschland, weltweit sind es fast 800. Sie alle beschäftigen sich mit Themen, die der internationalen Organisation am Herzen liegen: soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Bildung.
Finanziell profitieren die Lehrstuhlinhaber nicht von der Auszeichnung, aber sie haben Zugang zum weltweiten Netzwerk der UNESCO, nehmen an internationalen Tagungen und Projekten teil. Christine Volkmann entwickelte in Zusammenarbeit mit der internationalen Organisation ein MBA-Programm (Master of Business Administration) für Entrepreneurship und Innovation. An der Universität im rumänischen Bukarest hat sie dies inzwischen eingeführt. In Kroatien und Serbien wirkte die Professorin am Aufbau von UNESCO-Lehrstühlen im Bereich Entrepreneurship mit.
Ökonomische Brückenbauerin nach Rumänien
Die rumänische Wirtschaftsstudentin Anca Vladoi hat das Programm an der Uni Bukarest besucht, um mehr über soziales Unternehmertum zu lernen. "Meine Familie hat eine Firma im Bereich grüne Energie gegründet", erzählt die 28-jährige Studentin. "Aber wir wussten viel zu wenig von internationalen Märkten und davon, wie wir unser Potenzial strategisch einsetzen können." Mittlerweile macht Anca Vladoi in Wuppertal ihren Master, ist mit einem Deutschen verheiratet und hat ein kleines Kind.
Ihre Familie in Rumänien unterstützt sie aus der Ferne und versteht sich als eine Art "ökonomische Brückenbauerin" zwischen Rumänien und Deutschland. "Zur Zeit suchen wir für unsere Produkte Lieferanten in Deutschland", erzählt Anca Vladoi. Das kleine Familienunternehmen läuft dank ihrer Unterstützung und Kontakte gut. Doch das sei in Rumänien eher selten, erzählt sie. "Es gibt so viele gute Geschäftsideen in meinem Land, aber uns fehlt oft der Mut und das Selbstbewusstsein, sie erfolgreich umzusetzen."
Weltverbesserer mit Managerqualitäten
"Nur die Vision reicht nicht", bestätigt Doktorandin Christiane Blank. Sie betreut bei der Studentenorganisation "Enactus" studentische Gründer und arbeitet eng mit Christine Volkmann zusammen. "Es gehört auch viel Durchhaltevermögen und Leistungsbereitschaft dazu, eine eigene Firma zu gründen." Außerdem müssen auch Sozialunternehmer das trockene Wissen aus Seminaren zur Bilanzbuchhaltung oder zum Marketing drauf haben. Sie müssen wissen, wie sie Märkte analysieren, einen Businessplan erstellen, Kreditgeber finden.
"Wir haben damals viele Klinken geputzt", erinnert sich Franz Reinartz. Gemeinsam mit drei Kommilitonen hat der heute 31-jährige Diplomökonom 2006 "Kita Concept" gegründet - eine Firma, die für Unternehmen betriebliche Kindergärten konzipiert und betreibt. Internationale Vorbilder für seine Idee fand Franz Reinartz in den USA und Kanada. Eine Idee, auf die nicht nur Frauen kommen sollten, meint der Unternehmer. "Auch als Mann möchte ich einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Betreuungssituation in Deutschland verbessert." Das ist Franz Reinartz offenbar gelungen. Heute hat seine Firma über 50 Angestellte und Kunden in fast allen deutschen Bundesländern.
Migranten in Deutschland im Fokus
Reinartz' Beispiel macht Studenten wie Said Bouyaozzan Mut. Der 30-Jährige, dessen Eltern aus Marokko stammen, möchte sich später selbstständig machen. "Für mich wird es schwer, in der deutschen Wirtschaft eine gute Stelle zu bekommen", meint er. "Erstens habe ich einen Migrationshintergrund, und zweitens bin ich Langzeitstudent, weil ich mein Studium komplett selbst finanzieren musste."
Nach seinem Examen will Said Bouyaozzan daher eine eigene Unternehmensberatung gründen – und zwar für Migranten, die sich selbstständig machen wollen. Gerade hat er seine Masterarbeit zum Thema "Migranten als Unternehmer" bei Christine Volkmann abgegeben. "Viele Kleinunternehmer verkaufen nur innerhalb der eigenen Community", hat der Student herausgefunden. "Ich würde ihnen später gerne dabei helfen, erfolgreich andere Märkte in den Blick zu nehmen."