Zu viele afrikanische Frauen bleiben offline
31. Juli 2019Aissata Fall hat zwar ein Smartphone, aber online ist die Senegalesin damit nie. Denn das mobile Internet ist für sie ein zweischneidiges Schwert: "Es ist wahr, dass das Smartphone ein unverzichtbares Werkzeug ist, sowohl beruflich als auch, wenn es um den Kontakt zu Familie und Freunden geht." Aber vielen Frauen fehle das Geld, um online zu gehen. Und es gibt noch einen weiteren Grund: "Wenn eine verheiratete Frau wie ich beispielsweise böse Nachrichten oder Fotos geschickt bekommt, kann das bei einem eifersüchtigen Ehemann zu Problemen führen", sagt sie der DW.
Frauen wie sie gibt es viele in Afrika. Noch immer sind 200 Millionen Afrikanerinnen offline - freiwillig oder unfreiwillig. Nur zwei von drei Frauen besitzen überhaupt ein Handy. Und nicht einmal jede Dritte nutzt regelmäßig mobile Daten, bei den Männern sind es dagegen sieben von zehn. Die Kluft zwischen den Geschlechtern - in der Fachsprache "Mobile Internet Gender Gap (MIGG) genannt - liegt bei 41 Prozent.
"Männer sind online viel vernetzter"
Selbst die Anwältin Yalwati Shuaibu aus Nigeria nutzt ihr Smartphone nur, um Arbeitsmails zu lesen. "Sobald ich zu Hause bin, kümmere ich mich nur um meine Familie und gehe nicht mehr online", erzählt sie der DW. "In meiner Heimatregion nutzen Frauen das mobile Internet kaum, viele haben keine Smartphones. Männer sind da aus vielen Gründen anders: sie sind online viel vernetzter und verfolgen mehr Ziele als Frauen."
Woher kommt diese Kluft? Ein Bericht des Unternehmerverbandes GSMA, in dem sich Mobilfunkanbieter aus aller Welt zusammengeschlossen haben, nennt vier Ursachen: Analphabetismus und fehlende Internetkenntnisse, die mangelnde Erschwinglichkeit mobiler Daten, relevante Inhalte und die Sicherheit. "Um ein Handy zu nutzen bedarf es digitaler Bildung, und da stehen Frauen oft hinten an", erklärt Agnes Odhiambo, Expertin für Frauenrechte bei der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" im DW-Interview. "Außerdem sind Handys und Datenpakete nicht günstig. Eine Frau in einem Dorf in Kenia würde eher eine Ziege für die Familie als ein Smartphone kaufen. Und für eine Familie sind sieben kenianische Schilling (0,07$) für mobile Daten zu viel."
Auch Irene Lourenço Paulino aus Quelimane in Mosambik würde das Internet gerne nutzen. Weniger als die Hälfte aller Frauen in ihrem Heimatland besitzt überhaupt ein Smartphone. Gerade mal jede zehnte surft im Netz. "Ich verwende das Internet nicht, obwohl ich ein internetfähiges Mobiltelefon habe", so die 21-jährige Studentin zur DW. "Ich würde mir gerne Bücher herunterladen, aber das geht einfach nicht. Das Datenvolumen ist viel zu teuer."
Milliardenschwere Chancen
Hinzu kommen soziale Einschränkungen: so gilt der Besitz eines Smartphones mancherorts als unangemessen, Frauen können nicht eigenständig ihre Mobiltelefone aufladen oder müssen sich vor ihren Männern für Smartphone und Datenpaketkäufe rechtfertigen. "Und zuletzt gibt es in den ländlichen Gebieten Afrikas oft keinen Strom. Frauen, die auf der Farm arbeiten, Wasser holen und sich um die Kinder kümmern haben oft nicht die Zeit, noch drei Stunden zu laufen, um ihr Telefon aufzuladen", so die Menschenrechtlerin Odhiambo.
Doch ob Jobsuche, Verkauf oder Recherche: der Zugang zum Internet ist vor allem wirtschaftlich unerlässlich. Die GSMA schätzt: Wenn genauso viele Männer wie Frauen weltweit mobiles Internet nutzen würden, könnte das globale Bruttoinlandsprodukt um 700 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 628 Milliarden Euro) steigen. Auch Afrika böte das große Chancen: Letztes Jahr nahm der Kontinent durch mobile Technologien und Dienstleistungen 110 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 99 Millionen Euro) ein. Drei Millionen Menschen arbeiten in den Sektoren. Bis 2022 soll die mobile Wirtschaft in der Region mehr als 150 Milliarden US-Dollar (rund 135 Millionen Euro) generieren.
Und es geht um mehr als Wirtschaft. Graça Samo, mosambikanische Frauenrechtlerin, sagt: "In Mosambik stehen dieses Jahr Wahlen an, und dann ist das mobile Internet eine Möglichkeit, um mit Frauen zu kommunizieren, zu erklären worum es geht, warum die Teilnahme an demokratischen Wahlen wichtig ist und wie Frauen bei Entscheidungsfindungen mitwirken können. So können sie ihre Führer zur Verantwortung ziehen."
Mit Bildung gegen den Gender Gap
Die GSMA hat eine Reihe Ideen, wie der Mobile Gender Gap geschlossen werden könnte. Regierungen sollen klare Ziele setzen, wie mehr Frauen online gehen können. Außerdem Handytraining und Produkte, die zu den Frauen und ihren finanziellen Möglichkeiten passen.
In Ghana hat die Nichtregierungsorganisation "Africa ICT Right" ein Programm gestartet, um Mädchen zu einer Karriere in der Informations- und Kommunikationstechnologie zu motivieren. Zudem versucht die Organisation, mehr Frauen in ländlichen Gemeinden mit Mobiltelefonen zu versorgen und hofft dabei auf Hilfe von lokalen Betreibern wie Vodafone Ghana und MTN. UNESCO, Africa ICT Right und Mobilfunkunternehmen wie Orange legen einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Lesefähigkeit von Frauen, damit sie von mobilen Diensten und Inhalten profitieren können.
Agnes Odhiambo von "Human Rights Watch" wünscht sich mehr solcher Initiativen. "Man muss in einer Sprache sprechen, damit die Frauen die Bedeutung erkennen. Es ist wichtig, dass Frauen den Zugang zu Handys und dem Internet haben. Wir leben im digitalen Zeitalter, Informationen sind Macht", so die Frauenrechtlerin. Denn die Zukunft ist voller Möglichkeiten für Afrikas Frauen. "Frauen sind Macherinnen und wichtig für die Wirtschaft. Die Hälfte der Welt besteht aus Frauen, sie bauen Familien und unsere Gesellschaft und sie zu vergessen bedeutet, dass wir das Potenzial unserer Wirtschaft nicht voll ausschöpfen."
Mitarbeit: Mamadou Alpha Diallo, Marcelino Mueia, Zainab Rabo