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PolitikEuropa

"Biontainer" für Afrika

16. Februar 2022

Das Pharma-Unternehmen "BioNTech" will seine Impfstoffe künftig in Containern auf dem afrikanischen Kontinent produzieren - lokal und in kleinen Einheiten. Ein erster Prototyp steht in Marburg.

Deutschland | BioNtech | Biontainer
In Containern sollen in afrikanischen Ländern Impfstoffe hergestellt werden: In Marburg steht die erste Pilot-AnlageBild: Bernd Riegert/DW

In zwölf handelsüblichen Übersee-Containern ist eine ganze Impfstoff-Fabrik im Kleinformat untergebracht. Von der Anlieferung der Ausgangsstoffe über die eigentliche Erzeugung des Vakzins in einem hermetisch abgeschirmten "Reinraum" bis zur Abfüllung des fertigen COVID-Impfstoffs können in den Containern mit speziellen Kühl- und Klimaanlagen alle nötigen Produktionsschritte erfolgen. Das Umfüllen in die bekannten kleinen Glas-Fläschchen mit sechs Dosen für die Verwendung in Arztpraxen und Impfstationen soll außerhalb der Container in lokalen Fabriken erfolgen.

Die neuste Generation der mRNA-Impfstoffe muss nur noch bei Kühlschranktemperatur gelagert werden, was auch in einer mobilen Anlage gewährleistet werden kann. Um die mobile Fabrik zu betreiben, braucht man vor Ort nur Strom, Wasser und eine Halle, in der die Container aufgestellt werden, um sie vor Sonne und Wetter zu schützen. "Im Prinzip kann diese mobile Anlage überall in der Welt platziert werden", erklärt Sierk Poetting, Geschäftsführer von BioNTech, des Pharma-Unternehmens, das die Container-Anlage in knapp einem Jahr entwickelt hat.

Sierk Poetting entwickelte für BioNTech, den "Biontainer"Bild: Bernd Riegert/DW

Vorstellung mit Prominenz

In Marburg in Hessen hat BioNTech die erste Containerfabrik für Tests und für Ausbildungszwecke aufgebaut. "Biontainer" hat die Firma ihre Entwicklung in einer Mischung aus Container und BioNTech getauft. An diesem Dienstag wurde sie der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit dabei waren auch der Präsident des Senegals, Macky Sall, und der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus. Macky Sall ist derzeit auch Vorsitzender der Afrikanischen Union, die sich am Donnerstag mit der EU in Brüssel zu einem Gipfel treffen wird. Afrika, entweder Senegal, Ruanda oder Südafrika, soll das erste Einsatzgebiet der mobilen Anlage werden, weil es hier den größten Bedarf gebe, meint Sierk Poetting von BioNTech. "Wir haben schmerzhaft gelernt in dieser Pandemie, dass es alle möglichen Probleme und Streitereien um die Belieferung gibt. Das kann man nur lösen, wenn man wirklich vor Ort produziert", so Poetting im Gespräch mit der DW.

Viel zu sehen gab es nicht. Das Innere der Impffabrik im Container war nicht zugänglich.Bild: Bernd Riegert/DW

Lokale Produktion als Schlüssel

Die Mainzer Firma BioNTech, die den mRNA-Impfstoff entwickelt und zusammen mit dem amerikanischen Unternehmer Pfizer bislang Milliarden Dosen für Industriestaaten im globalen Norden produziert hat, nimmt jetzt den Kontinent Afrika in den Blick. Betreiber und Eigentümer der mobilen Container-Fabrik, die etwa 50 Millionen Dosen pro Jahr erzeugen kann, bleibt BioNTech. Die Firma will Personal vor Ort schulen, um die Mini-Fabriken zu betreiben und die Abfüllung der Dosen zu sichern. Die Patente und das Wissen über die Produktionsverfahren bleiben allerdings in Händen der deutschen Betreiberfirma.

"Wenn das alles mal funktioniert und wir die Vakzine in der richtigen Qualität herstellen können und alles getestet ist, dann denken wir an eine Art Übergabe-Mechanismus, eine Art Partnerschaft. Das können wir dann wirklich mit einem lokalen Team machen", sagte der Geschäftsführer von BioNTech, Sierk  Poetting in Marburg. Die erste Anlage soll im zweiten Quartal an ein afrikanisches Land geliefert werden und Ende 2022 dann betriebsbereit sein. Je nach Bedarf können die Containerfabriken beliebig erweitert werden.

Afrigen, ein Unternehmen in Südafrika, will mRNA-Impfstoffe nachbauen. Die "Biontainer" könnten helfen.Bild: Shelley Christians/REUTERS

EU soll bei Finanzierung helfen

Wie viele Anlagen aufgebaut werden und wo sie stehen werden, hängt von der Finanzierung ab. BioNTech bezahlt die Containerfabrik, aber die afrikanischen Staaten müssten Grundstücke, die lokale Infrastruktur, eine Halle und eine Abfüllanlage für die Impfdosen sowie geeignetes Personal in Aussicht stellen. "Die EU und die deutsche Regierung versuchen, afrikanischen Staaten bei der Finanzierung zu helfen, damit diese wiederum die nötige Infrastruktur vor Ort bereitstellen können", sagte Sierk Poetting von BioNTech. Verhandlungen laufen derzeit mit Senegal, Ruanda und Südafrika. Man hofft, dass man in den nächsten Tagen, vielleicht in Folge des Gipfeltreffens der Europäischen Union und der Afrikanischen Union am Donnerstag und Freitag in Brüssel, zu einer Vereinbarung kommen wird.

Hilfsorganisationen fordern die Aufhebung von Patenten oder ZwangslizenzenBild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Die Impfquote auf dem afrikanischen Kontinent ist mit rund sieben Prozent immer noch sehr niedrig. Die EU hat eine Spende von 500 Millionen Impfdosen bis Mitte 2022 zugesagt, die Auslieferung läuft aber nur schleppend. Logistische Probleme, bürokratische Hürden und auch Skepsis gegenüber den in Europa nicht verbrauchten Impfstoffen von Johnson&Johnson führen dazu, dass Teile der Impfstoffe verfallen und nicht mehr benutzt werden können.

Entwicklungs-Organisationen wie Oxfam fordern, afrikanische Staaten die Patente für die Impfstoffe zu überlassen, damit diese selbst produzieren können. Experten bezweifeln aber, dass es in Afrika derzeit schon geeignete Produktionsstätten gibt. Die Container-Fabrik aus Marburg könnte hier ein Beitrag für eine Übergangslösung sein. 

Auf lange Sicht sollen die mobilen "Biontainer" auch in der Lage sein, Impfstoffe gegen andere Seuchen wie Malaria oder Tuberkulose zu produzieren, die auf mRNA-Technologie basieren.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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