Sang Woo Kim ist ein erfolgreiches Männermodel, im Herzen aber vor allem Künstler. Seine Arbeiten, die jetzt in Berlin gezeigt werden, sind eine Auseinandersetzung mit seinen schlechten Erfahrungen als Einwandererkind.
Bild: Martin Peterdamm
Anzeige
Männermodel und Künstler: Sang Woo Kim
Mode, Kunst und Rassismus: Wie ein Model seine interkulturelle Identität in der Kunst ausdrückt.
Bild: Sang Woo Kim/Photo: Martin Peterdamm
'If you see me now you don't' -'Wenn du mich jetzt siehst, siehst du mich nicht'
"Die Leute kennen mich vom Laufsteg und aus Modemagazinen, aber nicht als Künstler", so Sang Woo Kim bei der Eröffnung seiner ersten Einzelausstellung in der Berliner Galerie "Magic Beans". Er wolle mit seiner Kunst zeigen, wer er wirklich sei, meinte der 22-Jährige. Als Model arbeitet er nur, um sein Leben als Künstler zu finanzieren. Rassismus ist eines seiner großen Themen.
Bild: Sang Woo Kim/Photo: Martin Peterdamm
'You never lived my lie' - 'Du hast nie meine Lüge gelebt'
Geboren in Seoul, wuchs Sang Woo Kim in einer traditionsbewussten koreanischen Familie in London auf. "Ich lebte in zwei Welten mit unterschiedlichen Regeln und Werten", erinnert sich der Künstler. Die Eltern schickten ihn auf eine sehr gute Schule, realisierten aber nicht, dass er der einzige koreanische Junge dort war. "Sie hatten ein komplett anderes, naives Weltbild."
Bild: Sang Woo Kim/Photo: Martin Peterdamm
'I was blind when I was younger' - 'Ich war blind, als ich jünger war'
Sein Aussehen verschaffte Kim lukrative Aufträge als Model, dabei empfand er es oft als belastend aufzufallen. Das Bild oben setzt sich damit auseinander, wie seine Mitschüler ihn wegen der Form seiner Augen hänselten. "Wie kannst du überhaupt was sehen?", fragten sie. Kim nahm die Bemerkungen mit Humor, aber sie hinterließen Spuren: Sehen und Aussehen spielen eine große Rolle in seinem Werken.
Bild: Sang Woo Kim/Photo: Martin Peterdamm
'Boy disappearing' - 'Ein Junge verschwindet'
Seine Mitschüler seien keine Rassisten gewesen, meint Kim: "So reden Kinder eben." Die Modewelt dagegen sei sehr wohl rassistisch, erklärt der Künstler bei seiner Vernissage. Eine Wand ist mit seinem Abbild versehen, vielfach auf Leinen gedruckt. "Als Models sollten wir doch alle Ethnien vertreten - aber warum werden bei Castings nicht alle gleich behandelt?"
Bild: Sang Woo Kim/Photo: Martin Peterdamm
'Don't look away' -'Schau nicht weg'
In Kims Bildern wird das Persönliche schnell allgemeingültig. Er als Einwanderer fände es erschreckend, wie Migranten heutzutage behandelt würden, weil Politiker nach Macht strebten, sagt er. "Bis heute verstehe ich Rassismus oder Gewalt gegen andere Menschen nicht, vielleicht bin ich deswegen so besessen davon."
Bild: Sang Woo Kim/Photo: Martin Peterdamm
'You look at nothing' -Du schaust nichts an'
Die Gemälde zum aktuellen Zeitgeschehen entstanden alle in den vergangenen vier Monaten. "Es muss doch einen Grund dafür geben, dass Dinge wie Brexit und Trump geschehen", so Kim. Kunst sei seine Art, das auszudrücken. Manche Werke erinnern an Nachkriegs-Expressionismus, andere an einen Tagebucheintrag - oder russische Propaganda gepaart mit dem Filmposter eines amerikanischen Action-Stars.
Bild: Sang Woo Kim/Photo: Martin Peterdamm
'Stay handsome forever' -'Bleib immer schön'
Neben Gemälden zeigt die Ausstellung auch Fotos: Schnappschüsse, die dem Beobachter einen Blick hinter die Kulissen des Mode-Business gewähren. Ein Bild zeigt Top-Model Kiki Willems beim Limonadetrinken im Sweatshirt und mit Pferdeschwanz. "So würdet ihr Kiki nie sehen!", stellt Kim fest.
Bild: Sang Woo Kim/Photo: Martin Peterdamm
'Bleached' - 'Gebleicht'
"Als Kind habe ich versucht, mich anzupassen und einfach ein normales britisches Kind zu sein." "Gebleicht" sei er gewesen, nicht er selbst, witzelt der Künstler mit dem gepflegten Akzent eines BBC-Moderators. "Warum bist du so anders?" Diese Frage habe ihn als Kind hart getroffen, sagt er. Ein Blick auf seine Kunst zeigt, dass er mittlerweile universelle Antworten gefunden hat.
Bild: Sang Woo Kim/Photo: Martin Peterdamm
8 Bilder1 | 8
Bekannt geworden ist Sang Woo Kim als Männermodel. Er lief bereits für Vivienne Westwood, Dolce & Gabbana, und Dries Van Noten über den Catwalk; die Label Diesel, DKNY und Armani haben den jungen Mann für Kampagnen gebucht. Modefans kennen Sang Woo Kim auch aus renommierten Magazinen wie Vogue, GQ und ELLE.
In der Berliner Galerie Magic Beans präsentiert er sich vom 13. Januar bis 12. Februar 2017 mit der Ausstellung "If you see me now you don't" von einer ganz anderen Seite.
Zerrissen zwischen britischer Jungenschule und konservativer koreanischer Famlile
Seine Karriere in der Modebranche sieht er als reine "Fassade" an. Er wolle sich nicht mehr verstellen, sagte er im Interview mit der Deutschen Welle. "Als einziger koreanischer Junge in einer britischen Jungenschule hatte ich damit mein Leben lang zu tun", erinnert er sich. "Ich habe zwar versucht, mich anzupassen, musste mich aber in der Schule mit Rassismus auseinandersetzen und zuhause mit einer ganz anderen Kultur - meine Eltern waren schließlich in Korea aufgewachsen."
Sang Woo Kim erklärt seine KunstBild: Martin Peterdamm
"Freifahrtschein" für die Kunst
Aus rein pragmatischen Gründen sei er Model geworden, er wollte Geld verdienen, um Malen zu können. "Ich will mich auch nicht beschweren, diese Möglichkeit hat sich mir geboten, und sie war eine Art Freifahrtschein", meint der Künstler und fügt hinzu, die Kunst sei auf jeden Fall seine eigentliche Leidenschaft.
Als ausstellender Künstler findet er sich plötzlich in einer anderen Rolle als sonst, er ist nicht mehr das Objekt für Stylisten und Fotografen, sondern gibt selbst den Ton an. Nie sei seine Kunst so authentisch gewesen wie jetzt, stellt er beim Gang durch die Ausstellungsräume erfreut fest. "Vorher war es fast so, als designte ich meine eigenen Kunstwerke."