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Brasiliens erster schwuler Fußball-Klubchef

Tobias Käufer aus Rio de Janeiro, Mitarbeit: Ramona Samuel
24. März 2023

Moises Spilere führt den Zweitligisten Caravaggio Futebol Clube - als erster offen homosexueller Vereinschef. Mit seinem Klub hat er große Pläne.

Moisés Spilere, Klubpräsident Caravaggio Futebol Clube
Moises Spilere steht seit Anfang Februar an der Spitze des Fußballklubs Caravaggio FCBild: Privat

An den Tag seiner Wahl erinnert sich Moises Spilere noch ganz genau. "Eigentlich war das eher spontan und hat sich so ergeben", sagt der 35-Jährige der DW. Die Wahlen beim Caravaggio Futebol Clube seien in der Vergangenheit meist so gewesen, dass sich die Klubmitglieder an eine Gruppe gewandt habe, die bereit gewesen sei, die Leitung zu übernehmen und den Verein zu führen. "Und ich war diesmal gemeinsam mit anderen bereit, diese Verantwortung zu tragen", so Spilere. Am Ende des Tages wurde er einstimmig gewählt. Und so ist Moises Spilere seit einigen Wochen Vorsitzender des Caravaggio Futebol Clube, eines Zweitligaklubs aus der 14.000-Einwohner-Stadt Nova Venza in der Staatsmeisterschaft des südbrasilianischen Bundesstaates Santa Catarina.

Die Personalie fand in ganz Brasilien große mediale Beachtung. Denn Moises Spilere ist der erste offen homosexuelle Klubpräsident im Land. Die nationalen Zeitungen berichteten über ihn, in LGBTQ-Blogs wurde seiner Wahl eine große Bedeutung zugesprochen, er ist ein begehrter Interviewpartner. "Mit meiner sexuellen Orientierung bin ich immer sehr offen umgegangen, ich hatte damit nie viele Probleme", sagt Spilere. "Natürlich gibt es nach dem Ende der Pubertät immer dieses Teenager-Drama, wenn es darum geht, es den Eltern oder Freunden zu sagen. Auch ich habe diese Phase ziemlich intensiv durchlebt. Wie alle schwulen Jungen und lesbischen Mädchen, besonders hier in Brasilien, einem ziemlich homophoben Land."

Aber jetzt mit 35 Jahren habe jeder Bescheid gewusst, der ihn kannte, sagt Spilere. Weil er aus einer privilegierten sozialen Schicht - aus einer weißen Industriellenfamilie  -stamme, sei alles für ihn einfacher gewesen. "Wäre ich schwarz und arm, hätte ich vielleicht nicht diese Chance gehabt, zu zeigen, was ich für den Klub leisten kann."

Homophobe Kommentare im Netz

"Nachdem die Nachricht landesweit bekannt wurde, hatte ich einige Probleme damit, dass manche Leute mit ihrer als Besorgnis getarnten Homophobie unglückliche Kommentare abgaben. Sie sagten zum Beispiel: 'Wir sind besorgt über das Image des Clubs'", berichtet Spilere. Er habe dann versucht, mit den Urhebern homophober Kommentaren im Netz ins Gespräch zu kommen. Manchmal sei das erfolgreich gewesen, manchmal nicht.

Spilere hofft, dass sich nun die mediale Aufregung legt und alle gemeinsam nach vorne schauen: "Ich möchte nicht, dass der Verein nur deshalb mit meiner Person in Verbindung gebracht wird, weil ich zur LGBTQ-Community gehöre, sondern weil der Verein sehr engagiert arbeitet. Er wird von vielen Händen getragen, wir haben einen breiten und heterogenen Vorstand, der ehrenamtlich arbeitet. Und wir haben einen hohen Frauenanteil, auf den wir sehr stolz sind."

Demonstration der LGBTQ-Szene in Rio de JaneiroBild: Tobias Käufer/DW

Seine Wahl zum Klubpräsidenten sei ein Stück weit ein Prozess der Normalisierung, den Brasilien auch brauche. "Wir haben in den letzten Jahren in Brasilien einen wachsenden Hass gesehen, nicht nur gegen die LGBTQ-Agenda, sondern auch gegen andere Minderheiten. Das ist eine sehr traurige Sache. Aber ich versuche immer, das Glas halb voll zu sehen und nicht halb leer", sagt Spilere. Hasskommentare seien deshalb auch ein Beleg dafür, dass der Prozess der Normalisierung laufe und selbst den Verfassern der Kommentare klar sei, dass es in diesem Prozess kein Zurück mehr gebe.

Ambitionierte Pläne

Am liebsten aber spricht Spilere über seine Pläne und Visionen von der Zukunft des Klubs. Denn er und sein Team haben viel vor und wollen die vor erst vor wenigen Jahren gestartete Professionalisierung weiter vorantreiben: "Wir haben den großen Traum, in der Serie A von Santa Catarina zu spielen". Damit das irgendwann Realität wird, sollen die Rahmenbedingungen angepackt werden. "Wir brauchen noch infrastrukturelle Verbesserungen, zum Beispiel bei der Kapazität der Tribünen, die Verbesserung der Beleuchtung des Stadions, den Austausch des Rasens. All das gehört zu unserem Projekt, und wir sind bereits in Gesprächen über eine Finanzierung."

Der Aufstieg sei ein Traum, nicht nur für die Vereinsführung, sondern auch für die Fans, für die ganze Region. Doch es soll nicht nur auf Bundesstaatsebene voran gehen: "Wir träumen auch davon, irgendwann in der nationalen Meisterschaft mitzuspielen."

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