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Moldau: Kommunalwahlen und geopolitische Interessen

Vitalie Calugareanu (aus Chisinau)
1. November 2023

Am Sonntag (05.11.2023) finden in der Republik Moldau allgemeine Kommunalwahlen statt. Die Behörden beschuldigen Russland der massiven Beeinflussung des Urnengangs durch Parteienfinanzierung und Propaganda in den Medien.

Wahlurne: Am 05.11.2023 finden in der Republik Moldau Kommunalwahlen statt
Am 05.11.2023 finden in der Republik Moldau Kommunalwahlen stattBild: Gavriil Grigorov/dpa/TASS/picture alliance

Am Montag (30.10.2023) bestätigte der Chef des moldauischen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes (SIS), Alexandru Musteata, eine Nachricht, die schon länger bekannt war: Der SIS verfüge über operative Informationen und Beweise, dass die Russische Föderation die Wahlen am kommenden Sonntag in der Republik Moldau beeinflussen würde. "Dies geschieht durch verschiedene Methoden, darunter illegale Finanzierung der Parteien im Wahlkampf, Stimmenkauf und Korruption der Kandidaten, aber auch durch Desinformationskampagnen", sagte der SIS-Chef. In diesem Zusammenhang forderte er die Kommission für Außergewöhnliche Situationen auf, sechs Fernsehsender und 31 Nachrichtenportale, die an "Informationsangriffen gegen die Moldau" beteiligt seien, umgehend zu schließen.

Zuvor waren die Lizenzen von sechs weiteren Fernsehsendern ausgesetzt und Dutzende Websites, die Russlands Krieg gegen die Ukraine rechtfertigten, gesperrt worden.

Ein komplizierter geopolitischer Kontext

Die Lokal-und Kommunalwahlen am 05.11.2023 sind deshalb so wichtig, weil sie die Wahrnehmung der Bevölkerung nach zwei Jahren pro-europäischer Regierung testen - einer Zeit, in der es die Republik Moldau geschafft hat, im Schatten der russischen Aggression gegen die Ukraine EU-Beitrittskandidat zu werden.

Beeindruckende Pro-EU-Versammlung in Chisinau (21.05.2023)Bild: Aurel Obreja/AP Photo/picture alliance

Der Krieg in unmittelbarer Nachbarschaft beeinträchtigte jedoch die Wirtschaft des kleinen Staats zwischen Rumänien und der Ukraine erheblich. Im Jahr 2022 erlebte die Moldau infolge der russischen Erpressung die schlimmste Energiekrise ihrer Geschichte, was zu einer Inflation von über 30 Prozent führte. Die immer noch äußerst starke russische Propaganda nutzte die Preiserhöhung maximal aus, um die pro-europäische Regierung zu kompromittieren. Auch wenn die Regierung mit Hilfe der EU und anderer externer Partner im vergangenen Winter 50 Prozent der Rechnungen der Bürger ausgleichen konnte, blieb die finanzielle Belastung für Familien sehr hoch, was Umfragen zufolge am Image der Regierungspartei PAS (Partei Aktion und Solidarität) nagte. Allerdings steht die Partei der Reform-Präsidentin Maia Sandu nach wie vor an der Spitze der Vertrauensliste der Bevölkerung.

Allen Widrigkeiten zum Trotz ist die Republik Moldau gestärkt aus der von Russland im Jahr 2022 ausgelösten Energiekrise hervorgegangen. Die Menschen scheinen sich der Notwendigkeit eines unumkehrbaren Bruchs mit Russland bewusst geworden zu sein, indem sie die von der aktuellen Regierung begonnenen Energie-Projekte mehrheitlich unterstützten. Seit mehr als einem Jahr hat Chisinau keinen einzigen Kubikmeter Gas vom russischen Konzern Gazprom gekauft, und in den nächsten zwei Jahren werden zwei Hochspannungsleitungen in Betrieb genommen, die das Energiesystem des Landes mit Rumänien verbinden.

Eine an Rumänien angeschlossene moldauische Gaspipeline ist bereits in Betrieb. Somit wird das Land in keiner Weise mehr von russischem Gas und auch nicht von der (auf russischem Gas basierenden) Strom-Produktion des Kraftwerks Cuciurgan abhängig sein, das vom pro-russischen Separatistenregime in Transnistrien kontrolliert wird.

Das Hauptthema - die Präsidentschaftswahl 2024

Die Kommunalwahlen am Sonntag sind auch im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im Jahr 2024 wichtig. Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine unternahm der Kreml zahlreiche Versuche, die Republik Moldau zu destabilisieren und die verfassungsmäßige Ordnung in diesem Land zu stürzen, um den europäischen Kurs des Landes zu blockieren. Handlanger dafür waren und sind bis heute die Parteien der korrupten Oligarchen, die nach dem gescheiterten Putschversuch 2019 aus dem Land geflohen sind.

Die zum Teil bereits rechtskräftig verurteilten und mit internationalem Haftbefehl gesuchten Personen haben mit Unterstützung aus Moskau ihre Finanzkraft gebündelt und investieren massiv in Parteien und Kandidaten aller Couleur. Ziel ist es, mit einem guten Ergebnis später für Chaos, gesellschaftliche Spaltung und politische Revanche zu nutzen. Obwohl deren Kandidaten bisher nur pro-russischen Parteien gedient haben und entschiedene Gegner des EU-Beitrittsprozesses der Republik Moldau sind, geben sich einige nun als Pro-Europäer aus. Andere richten sich an die Mitte der Gesellschaft, wieder andere loben Russland und Putins grausames Vorgehen in der Ukraine. Umfragen zufolge rechtfertigen 30 Prozent der Moldauer die russische Invasion in der Ukraine. Was all diese Kandidaten parteiübergreifend eint: ihr Hass gegen die pro-europäische Regierung und insbesondere gegen die westlich orientierte Präsidentin Maia Sandu. Ein schlechtes Abschneiden der pro-europäischen Kräfte bei den Kommunalwahlen könnte Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahl 2024 haben. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (li.) und Präsidentin Maia Sandu vor dem Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft in der Republik MoldauBild: Andreea Alexandru/AP/dpa/picture alliance

Die Einschätzungen der Behörden sind eindeutig: Eine kriminelle Gruppe wolle erneut die Kontrolle über das Land erlangen, um es Putin zugänglich zu machen. Nachdem das Verfassungsgericht die als kriminelle Vereinigung eingestufte Partei SOR des flüchtigen Oligarchen Ilan Sor verboten hatte, aktivierte dieser für den aktuellen Wahlkampf mehrere andere Parteien, die nur formell existierten und die er laut moldauischen Staatsanwälten mit völlig illegalen Methoden finanziert. Fast jede Woche führen die Polizeibeamten Razzien durch, bei denen sie riesige Geldbeträge beschlagnahmen. Das Geld sei entweder bar von Kurieren, manchmal in Absprache mit der Grenzpolizei, oder mit in Dubai ausgestellten Kreditkarten ins Land gebracht worden.

Ilan Sor, der sich in Israel aufhalten soll, steht auf der Liste internationaler Sanktionen der EU, der USA und anderer Staaten - genauso wie Vladimir Plahotniuc, ein weiterer Oligarch, der von der moldauischen Justiz wegen Plünderung des Landes im Zeitraum 2014-2019 gesucht wird. Plahotniuc kontrollierte die staatlichen Institutionen durch eine parlamentarische Mehrheit aus korrupten Abgeordneten während des berüchtigten "Milliardenraubs". Umgerechnet eine Milliarde Dollar waren damals aus dem moldauischen Bankensystem verschwunden. Bisher gibt es keine verlässlichen Informationen über den Aufenthaltsort des Oligarchen.

Der Kampf um die Hauptstadt

Der wichtigste politische Kampf bei den Wahlen am 05.11.2023 findet um die Hauptstadt des Landes, Chisinau, statt. 27 Kandidaten bewerben sich um die Stelle des Oberbürgermeisters - eine Rekordzahl. Die meisten von ihnen sind Statisten, die in den Wahlkampf geschickt wurden, um Stimmen der pro-europäischen Wählerschaft zu kapern und die Wahldebatten zu nutzen, um die derzeitige Regierung zu diskreditieren. Die Kandidaten mit den besten Chancen für das Amt des Bürgermeisters sind der Amtsinhaber Ion Ceban, der in den aktuellen Umfragen führt, und der PAS-Kandidat Lilian Carp.

Das Rathaus in ChisinauBild: DW/Simion Ciochina

Ceban, früher ein führendes Mitglied der Kommunistischen Partei, wurde im Jahr 2019 von den Sozialisten unter der Führung des pro-russischen Präsidenten Igor Dodon ins Rathaus von Chisinau befördert. Jetzt ist er Vorsitzender einer neuen Partei, der "Alternativen Nationalen Bewegung", die sich offiziell zu Europa bekennt. Im Jahr 2014, nach der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen der Republik Moldau und der EU, hatte Ceban erklärt, dieses Abkommen würde das Land "in eine Katastrophe" führen.

Sein Hauptgegner, Lilian Carp, ist PAS-Abgeordneter im moldauischen Parlament, Präsident der Parlamentarischen Kommission für nationale Sicherheit und ein Befürworter der Vereinigung der Republik Moldau mit Rumänien.

Laut den jüngsten Umfragen kann die Regierungspartei PAS landesweit mit etwa 20 Prozent der Stimmern rechnen. Es folgen der Block der Kommunisten und Sozialisten mit knapp 12 Prozent und Cebans Bewegung mit rund 6 Prozent.

Adaption aus dem Rumänischen: Robert Schwartz