Moldau: Kommunalwahlen unter russischem Vorzeichen
6. November 2023Pro-russische Parteien in der Republik Moldau haben bei den Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag (05.11.2023) ein Wahlergebnis erreicht, das ihnen ermöglicht, die pro-europäische Zentralregierung noch stärker als bisher unter Druck zu setzen. Ihre Hoffnung auf eine politische Revanche gegen die Reformkräfte bei der Präsidentschaftswahl 2024 und den Parlamentswahlen 2025 hat durch die Wahlerfolge in der Hauptstadt Chisinau und weiteren Städten starken Auftrieb erhalten.
Trotz des Ausschlusses der Partei "Chance" vom Wahlkampf, die vom flüchtigen, mit dem Kreml verbundenen Oligarchen Ilan Sor kontrolliert wird, scheint der "Plan B" Moskaus aufgegangen zu sein - Wähler konnten schnell auf die im Rennen verbliebenen Ersatzkandidaten umgeleitet werden.
Kommunalverwaltungen vs. EU-Kurs
Nach der Wahl einer pro-russischen Gouverneurin in der gagausischen Autonomieregion (im südlichen Teil der Moldau) plante Russland bei den Kommunalwahlen am Sonntag einen Sieg in zwei weiteren wichtigen Städten: Balti (im Norden) und Orhei (im Zentrum), um diese Regionen später als neue Brennpunkte des Separatismus nutzen zu können. In Orhei gelang es im ersten Wahlgang, einem völlig unbekannten Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters zum Sieg zu verhelfen. In Balti schaffte es der von der kremlfreundlichen Gruppierung stillschweigend unterstützte Kandidat, in den zweiten Wahlgang einzuziehen. Auch dieser Kandidat war bis zu den Wahlen völlig unbekannt, Journalisten hatten ihn noch nie zu Gesicht bekommen.
Bei der Wahl am vergangenen Sonntag wandten von Russland unterstützte Kräfte die Taktik der sogenannten "Regionalisierung" an: Ihre Kandidaten gaben sich genau den Anstrich, der den politischen und geopolitischen Präferenzen der Wähler in den Zielstädten entsprach. Über die Gruppierung von Ilan Sor förderte Moskau auch Ersatzkandidaten, die schnell aktiviert wurden, nachdem die Vertreter der Partei "Chance" allesamt wegen illegaler Finanzierung durch Russland vom Wahlkampf ausgeschlossen worden waren.
Moskau hatte seine Technologien zur Wählerbestechung erstmals 2021 in Balti getestet: Damals war die Kandidatin der inzwischen verbotenen Partei "Sor", Marina Tauber, nur noch einen Schritt davon entfernt, Bürgermeisterin zu werden, wurde aber von der Stichwahl ausgeschlossen. Die Rechnung ging im Mai 2023 in der Autonomen Region Gagausien auf, als die pro-russische Kandidatin Eugenia Gutul die Wahlen zur Gouverneurin der Region für sich entscheiden konnte. Ein Strafverfahren wegen Wählerbestechung, in dem gegen Gutul ermittelt wird, ist immer noch anhängig.
Sieg unter falscher pro-europäischer Flagge in Chisinau
Die "Regionalisierungs-Taktik" zeigte jetzt auch in der Hauptstadt der Republik Moldau Ergebnisse. Der Bürgermeister von Chisinau, Ion Ceban, wurde im ersten Wahlgang mit 50,52 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Ceban, ein ehemaliger kommunistischer Führer, später ein pro-russischer Sozialist, war diesmal unter pro-europäischer Flagge als Vorsitzender seiner neuen Partei MAN (Alternative Nationale Bewegung) angetreten.
2014 hatte Ceban noch erklärt, dass das Assoziierungsabkommen der Moldau mit der EU das Land "in eine Katastrophe" stürzen würde. Er hatte sich auch gegen das Partnerschaftsabkommen mit der NATO ausgesprochen. Nun änderte er seine Rhetorik nicht nur in Bezug auf EU und NATO, sondern auch gegenüber dem Nachbarland Rumänien. Nachdem Ceban jahrelang die russische Sichtweise über die Existenz einer "moldauischen Sprache" propagiert hatte, änderte er 2022 seine Meinung und gab zu, dass die Sprache der Moldauer eigentlich Rumänisch sei. Einige rumänische Politiker beeilten sich daraufhin, ihn nach Bukarest einzuladen und ihn vom Image eines pro-russischen Politikers reinzuwaschen.
Cebans Hauptgegner war der Kandidat der pro-europäischen PAS (Partei Aktion und Solidarität), Lilian Carp. Er erhielt nur 28,23 Prozent der Stimmen. Im Stadtrat werden PAS und MAN (Cebans Partei) jedoch gleich viele Mandate haben - jeweils 20. Die Sozialisten (pro-russisch) kamen auf sechs, die Kommunisten (pro-russisch) auf zwei Mandate. Drei weitere Parteien (davon zwei pro-russisch) werden jeweils über ein Mandat verfügen.
Die Zentralregierung - auf lokaler Ebene in Opposition
Auf nationaler Ebene belegte PAS in 19 von 32 Bezirksräten den ersten Platz, erreichte jedoch in keinem von ihnen eine Mehrheit. Wie das Wahlergebnis nun zeigt, könnten im ganzen Land auch ohne PAS Bündnisse in Kommunalräten gebildet werden. Mit anderen Worten: Die Partei, die auf zentraler Ebene regiert, könnte auf lokaler Ebene in die Opposition gedrängt werden. Im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen 2024 und die Parlamentswahlen 2025 wäre dies ein Drama für die pro-europäische Partei.
Das Ergebnis der Wahlen vom Sonntag ist ein denkbar schlechtes Signal, das die Moldauer senden - denn die EU entscheidet im Dezember 2023 über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit dem Land. Vor den Wahlen hatten sowohl die moldauischen Behörden als auch die EU und die USA die Versuche Russlands verurteilt, den europäischen Weg der Republik Moldau durch eine Destabilisierung des Landes zu blockieren.
Am Freitag hatte der Leiter des Nachrichten- und Sicherheitsdiensts der Republik Moldau, Alexandru Musteata, von einer "beispiellosen Gefahr für die Sicherheit der Republik Moldau" gesprochen. Ihm zufolge soll Russland über die flüchtigen moldauischen Oligarchen Ilan Sor und Vladimir Plahotniuc riesige Summen in die Republik Moldau geschickt haben, um die Wähler zu korrumpieren. In den letzten Tagen des Wahlkampfs nahm die moldauische Polizei mehrere Personen fest, die in den Städten Balti, Orhei und Comrat Umschläge mit Geld an potenzielle Wähler verteilt hatten. Berichten zufolge wurden Wählern Umschläge mit 50 bis 300 Euro angeboten.
"Der Kreml wird nicht so einfach aufgeben. Er beeinflusst weiterhin die politischen Prozesse in Moldau", sagte am Sonntag nach Schließung der Wahlurnen Igor Grosu, PAS-Vorsitzender und Parlamentspräsident. Deshalb müssten die Wahlberechtigten "gegen diese schmutzige Politik Russlands" stimmen, die den europäischen Weg des Landes im zweiten Wahlgang blockiere. "Es steht viel mehr auf dem Spiel, und wir haben kein Recht, einigen Kriminellen und Diktatoren zu erlauben, über die Zukunft der Republik Moldau zu entscheiden", so Grosu.
In zwei Wochen findet die zweite Runde der Kommunalwahlen statt.